18. März 2020

Gedanken eines Grossvaters

Als Grossvater bin ich in der aktuellen Corona-Krise zum Zuschauen verurteilt. Ich komme mir vor wie ein Beobachter, der auf ein wild gewordenes Meer hinausblickt, aber an Land bleiben muss. Gefordert sind alle, die im aktiven Leben an vorderster Front stehen: Mütter, Ärzte, Pflegepersonal und irgendwie auch die Lehrerinnen und Lehrer.
Gedanken eines Grossvaters, 17.3. von Hanspeter Amstutz

Zum Medizinischen und Wirtschaftlichen kann ich nicht viel sagen. Ich weiss aber, dass in den Spitälern ein Rieseneinsatz geleistet wird. Wenn die Krise noch mehr anschwillt, wird das Spitalpersonal an seine Grenzen stossen. Wir können nur dankbar sein, dass es Leute gibt, die bereit sind, für die Gesundheit von uns allen sich so sehr einzusetzen.Natürlich beobachte ich auch, was zurzeit im mehr oder weniger stillgelegten Sektor der schulischen Pädagogik geschieht. Dass die Lehrerschaft jetzt erst einmal schauen muss, wie ein Restbestand des Schulwesens noch gerettet werden kann, indem man in irgend einer Form einen Fernunterricht organisieren will, ist naheliegend. Doch da zeigen sich bereits die unterschiedlichen Vorstellungen, wie die Kinder aus der Ferne unterrichtet werden sollen. Im Deutschlandfunk hat ein Kommentator bereits von der grossen Chance gesprochen, dass das Corona-Virus der digitalen Schule den Weg bahnen werde. Klassenkonferenzen übers Internet, Lehrer-Schülergespräche über Skype, geeignete Lernprogramme fürs Heimstudium, spannende Filme für den Realienunterricht und vieles mehr könnten den Anfang der Schule der Zukunft sein. Bescheidener war ein Berner Lehrer, der den Schüler den Auftrag gab, ein Buch zu lesen und darüber zu berichten.


Fernunterricht ist ein grosses Wort, das eher zu Gymnasiasten oder jungen Erwachsenen mit viel Selbstdisziplin passt. Ich hoffe, dass die Erwartungen an unsere Kinder im Primarschulalter bezüglich des Lernens ausserhalb der Schule nicht masslos werden. Zurzeit geht es darum, mit gewissen Schul- und Unterhaltungsprogrammen die Kinder zuhause zu beschäftigen. Da kann sogar das Schweizer Fernsehen in Morgensendungen mithelfen, mit anregenden Anleitungen zum Basteln, Experimentieren und Forschen die Kinder auf gute Art erzieherisch zu beeinflussen. Auch Künstler mit pädagogischer
Ader könnte man in solchen Sendungen beiziehen, wie dies ja auch schon getan wurde. 

Wer aber glaubt, die schulische Grundversorgung könnte über weite Strecken aufrecht erhalten werden, versteht wenig von Unterricht. Sicher gibt es Kinder, die sich auch auf digitalem Weg zum Lernen bewegen lassen und sogar genau das machen, was die Programme vorgeben. Doch die meisten Kinder sind zuhause kaum solche Musterschüler. Es ist zu befürchten, dass bei einem forcierten digitalen Fernstudium die Schere zwischen den disziplinierten und den bildungsfernen Schülern gewaltig auseinandergeht. Einige wenige Fachleute haben dies erkannt und die Frage gestellt, ob man nach der grossen
Schulpause die angestrebten Kompetenzziele bei den Schülern überprüfen werde. Die Präsidentin der EDK meinte allerdings, dank der Ausrichtung des Unterrichts auf Vierjahreszyklen könne man das meiste schon wieder aufholen.

Ich glaube, dass wir uns viel eher mit der Frage beschäftigen müssen, wie die Kinder in der Zeit der teilweisen Isolation vernünftig beschäftigt und betreut werden können. Ich bezweifle, dass es das Beste ist, wenn die Lehrerinnen und Lehrer nun aber fast ihre ganze Energie für die Gestaltung des Fernunterrichts verwenden. Das mag in der Anfangsphase gut sein, bis das Hin und Her zwischen Schule und Heim einigermassen aufgegleist ist. 

Sollten die Schulen jedoch bis zu den Sommerferien geschlossen bleiben, dann könnten sich die Lehrerinnen und Lehrer der internen Weiterbildung zuwenden. Damit meine ich nicht, dass noch mehr über das Kompetenzenmodell des neuen Lehrplans geredet wird. Vielmehr böte sich die Chance, einiges anzupacken, was in der Hektik der vergangenen Jahre klar zu kurz gekommen ist.

Warum nicht eine Sammlung mit Material für naturwissenschaftliche und technische Experimente gemeinsam aufbauen? Auch der oft vernachlässigte Geschichts- und Geografieunterricht könnte vielleicht eine didaktische und inhaltliche Wiederauffrischung ganz gut gebrauchen. Jede Schule weiss am besten, wo es sinnvoll wäre, intern in die Weiterbildung zu investieren.

Was in den kommenden Wochen passieren wird, steht noch in den Sternen. Ratschläge von aussen sind von begrenztem Wert. Aber als Beobachter von aussen sieht man einige Dinge
vielleicht etwas nüchterner als ein Seefahrer im wilden Meer. Diesen Seefahrerinnen und Seefahrern aber drücke ich fest die Daumen.


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