Als
Grossvater bin ich in der aktuellen Corona-Krise zum Zuschauen verurteilt. Ich
komme mir vor wie ein Beobachter, der auf ein wild gewordenes Meer
hinausblickt, aber an Land bleiben muss. Gefordert
sind alle, die im aktiven Leben an vorderster Front stehen: Mütter, Ärzte,
Pflegepersonal und irgendwie auch die Lehrerinnen und Lehrer.
Gedanken eines Grossvaters, 17.3. von Hanspeter Amstutz
Zum
Medizinischen und Wirtschaftlichen kann ich nicht viel sagen. Ich weiss aber,
dass in den Spitälern ein Rieseneinsatz geleistet wird. Wenn die Krise noch
mehr anschwillt, wird das Spitalpersonal an
seine Grenzen stossen. Wir können nur dankbar sein, dass es Leute gibt, die
bereit sind, für die Gesundheit von uns allen sich so sehr einzusetzen.Natürlich beobachte ich auch, was
zurzeit im mehr oder weniger stillgelegten Sektor der schulischen Pädagogik
geschieht. Dass die Lehrerschaft jetzt erst einmal schauen muss, wie ein
Restbestand des Schulwesens noch gerettet werden
kann, indem man in irgend einer Form einen Fernunterricht organisieren will,
ist naheliegend. Doch da zeigen sich bereits die unterschiedlichen
Vorstellungen, wie die Kinder aus der Ferne
unterrichtet werden sollen. Im Deutschlandfunk hat ein Kommentator bereits von
der grossen Chance gesprochen, dass das Corona-Virus der digitalen Schule den
Weg bahnen werde. Klassenkonferenzen übers
Internet, Lehrer-Schülergespräche über Skype, geeignete Lernprogramme fürs
Heimstudium, spannende Filme für den Realienunterricht und vieles mehr könnten
den Anfang der Schule der Zukunft sein.
Bescheidener war ein Berner Lehrer, der den Schüler den Auftrag gab, ein Buch
zu lesen und darüber zu berichten.
Fernunterricht ist ein grosses Wort,
das eher zu Gymnasiasten oder jungen Erwachsenen mit viel Selbstdisziplin
passt. Ich hoffe, dass die Erwartungen an unsere Kinder im Primarschulalter
bezüglich des Lernens ausserhalb der Schule
nicht masslos werden. Zurzeit geht es darum, mit gewissen Schul- und
Unterhaltungsprogrammen die Kinder zuhause zu beschäftigen. Da kann sogar das
Schweizer Fernsehen in Morgensendungen
mithelfen, mit anregenden Anleitungen zum Basteln, Experimentieren und Forschen
die Kinder auf gute Art erzieherisch zu beeinflussen. Auch Künstler mit
pädagogischer
Ader könnte man in solchen Sendungen
beiziehen, wie dies ja auch schon getan wurde.
Wer aber glaubt, die schulische
Grundversorgung könnte über weite Strecken aufrecht erhalten werden, versteht
wenig von Unterricht. Sicher gibt es Kinder, die sich auch auf digitalem Weg
zum Lernen bewegen lassen und sogar genau das
machen, was die Programme vorgeben. Doch die meisten Kinder sind zuhause kaum
solche Musterschüler. Es ist zu befürchten, dass bei einem forcierten digitalen Fernstudium die Schere zwischen den
disziplinierten und den bildungsfernen Schülern gewaltig auseinandergeht.
Einige wenige Fachleute haben dies erkannt und die Frage gestellt, ob man nach
der grossen
Schulpause die angestrebten
Kompetenzziele bei den Schülern überprüfen werde. Die Präsidentin der EDK
meinte allerdings, dank der Ausrichtung des Unterrichts auf Vierjahreszyklen
könne man das meiste schon wieder aufholen.
Ich glaube, dass wir uns viel eher
mit der Frage beschäftigen müssen, wie die Kinder in der Zeit der teilweisen
Isolation vernünftig beschäftigt und betreut werden können. Ich bezweifle, dass
es das Beste ist, wenn die Lehrerinnen und Lehrer nun
aber fast ihre ganze Energie für die Gestaltung des Fernunterrichts verwenden.
Das mag in der Anfangsphase gut sein, bis das Hin und Her zwischen Schule und
Heim einigermassen aufgegleist ist.
Sollten die Schulen jedoch bis zu
den Sommerferien geschlossen bleiben, dann könnten sich die Lehrerinnen und
Lehrer der internen Weiterbildung zuwenden. Damit meine ich nicht, dass noch mehr über das
Kompetenzenmodell des neuen Lehrplans geredet wird. Vielmehr böte sich die
Chance, einiges anzupacken, was in der Hektik der vergangenen Jahre klar zu
kurz gekommen ist.
Warum nicht eine Sammlung mit
Material für naturwissenschaftliche und technische Experimente gemeinsam
aufbauen? Auch der oft vernachlässigte Geschichts- und Geografieunterricht
könnte vielleicht eine didaktische und inhaltliche
Wiederauffrischung ganz gut gebrauchen. Jede Schule weiss am besten, wo es
sinnvoll wäre, intern in die Weiterbildung zu investieren.
Was in den kommenden Wochen
passieren wird, steht noch in den Sternen. Ratschläge von aussen sind von
begrenztem Wert. Aber als Beobachter von aussen sieht man einige Dinge
vielleicht etwas nüchterner als ein
Seefahrer im wilden Meer. Diesen Seefahrerinnen und Seefahrern aber drücke ich
fest die Daumen.
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