Kinder aus der Primarschule Feldli-Schoren müssen sich nicht mehr mit
Hausaufgaben herumschlagen. Die Ufzgi wurden versuchsweise für ein Jahr abgeschafft.
Das Experiment läuft noch bis zu den Sommerferien. Die ersten Erfahrungen seien
sehr positiv, sagte Schulleiter Ralf Schäpper gegenüber dieser Zeitung. Doch das Thema polarisiert. Nun
schaltet sich FDP-Stadtparlamentarier Andreas Dudli in die Diskussion ein. Er
hat eine Einfache Anfrage zum Thema eingereicht und will vom Stadtrat wissen:
«Dürfen Schulleitungen die Hausaufgaben überhaupt eigenmächtig
abschaffen?»
Er habe seine Zweifel daran, ob das rechtmässig sei, sagt Dudli auf
Anfrage. Seiner Meinung nach müssten Hausaufgaben einheitlich geregelt sein.
Nun wolle er Klarheit. Deshalb fragt er beim Stadtrat an, ob Hausaufgaben
zwingend seien oder nicht.
Zudem will er wissen, inwiefern der Stadtrat in das Vorgehen der
Schulleitung der Primarschule Feldli-Schoren einbezogen war. Er zitiert dabei
aus dem Lehrplan Volksschule des Kantons St.Gallen: «Hausaufgaben fördern
personale und fachliche Kompetenzen und unterstützen den Lernprozess. Im
Weiteren ermöglichen sie den Eltern Einblick in den Schulalltag.»
«Aus meiner Sicht dürften es ruhig mehr Aufgaben sein»
Der FDP-Politiker macht kein Geheimnis daraus, dass er dem Experiment an
der Primarschule Feldli-Schoren skeptisch gegenübersteht. Er ist selber Vater
zweier Kinder. Das ältere besucht eine Grundstufenklasse in einem anderen
Quartier und bringt jede Woche Ufzgi nach Hause – in überschaubarem Mass.
Der Achtjährige muss sich zweimal wöchentlich für fünf Minuten ans Pult
setzen. Dudli findet: «Aus meiner Sicht könnte es ruhig mehr sein.» Er ist
überzeugt, dass Hausaufgaben die Selbstständigkeit förderten. «Mein Sohn muss
daran denken und sich die Zeit einteilen.» Das führe hin und wieder zu
Diskussionen am Familientisch – vor allem, wenn der Sohn die Aufgaben abends um
18 Uhr noch immer nicht gemacht habe. «Ich versuche ihm beizubringen, sie
vorausschauend zu erledigen.»
Schulleiter Ralf Schäpper findet es dagegen übertrieben, wenn sich
Kinder nach sieben Schulstunden auch noch zu Hause ans Pult setzen müssen.
Hauptgrund für die Abschaffung der Hausaufgaben war für ihn aber die
Chancengleichheit. Für Kinder, die ihre Eltern nicht um Rat fragen können, bedeuteten
die Hausaufgaben Stress, sagt er. Die Primarschule Feldli-Schoren hat anstelle
der Ufzgi eine 20- bis 30-minütige Lernzeit eingeführt, die während der
Schulzeit stattfindet und von einer Lehrerin oder einem Lehrer betreut wird.
Das vorläufige Fazit an der Schule: Viele Lehrpersonen, Kinder und Eltern seien
entlastet.
Doch es gibt noch weitere kritische Stimmen. Eine davon ist Bernhard
Hauser, der an der Pädagogischen Hochschule St. Gallen (PHSG) über frühes
Lernen forscht. Er hält Hausaufgaben für notwendig, wie er gegenüber dieser Zeitung sagte. Aus seiner Sicht erhöhen sie
die Übungszeit. Bei einer Abschaffung würden über die neun Jahre Volksschule
etwa 700 Stunden Lernzeit pro Kind fehlen. Das gehe zu Lasten der Bildung.
Zurück zu Dudlis Frage: Darf ein Schulleiter die Hausaufgaben überhaupt
eigenmächtig abschaffen? Florian Sauer von der städtischen Dienststelle Schule
und Musik wollte am Montag noch keine Stellung nehmen.
Die Schulhäuser bestimmen, wie sie mit Hausaufgaben umgehen
Auch Brigitte Wiederkehr, stellvertretende Leiterin des kantonalen Amts
für Volksschule, ist regelmässig mit dem Thema Hausaufgaben konfrontiert. Meist
habe sie es allerdings mit Beschwerden von Eltern über zu viele Hausaufgaben zu
tun – und nicht mit Reklamationen über zu wenige oder gar keine Ufzgi.
Fest steht für sie: Der Lehrplan Volksschule sieht Hausaufgaben vor und
legt die zeitlichen Maximalwerte dafür auf jeder Schulstufe fest. Danach dürfen
Lehrpersonen in der ersten und zweiten Klasse bis zu 60 Minuten Hausaufgaben
pro Woche erteilen, in der dritten und vierten Klasse sind es 90 Minuten und in
der fünften und sechsten bis zu 120 Minuten. Auf der Oberstufe sind je nach
Stufe zwischen 180 und 240 Minuten zulässig. Über die Ferien und Feiertage
dürfen keine Hausaufgaben erteilt werden, auf Primarstufe auch nicht übers
Wochenende.
In welcher Form die Hausaufgaben aber aufgegeben werden, legt das
kantonale Amt für Volksschule nicht fest. Es überlässt dies den einzelnen
Schulhäusern. Die Lehrerteams haben den Auftrag, sich auf eine gemeinsame
Handhabung der Hausaufgaben zu einigen, damit nicht jede einzelne Lehrperson
eine eigene Regelung hat.
Diesem Auftrag komme die Primarschule Feldli-Schoren offensichtlich
nach, sagt Brigitte Wiederkehr. Sie könne den Fall zwar nicht abschliessend
beurteilen. Dafür würde ihr der Einblick in die Unterlagen fehlen. Sie hebt
aber positiv hervor, dass sich das Lehrerteam im Feldli-Schoren offensichtlich
viele Gedanken zu den Hausaufgaben gemacht habe – auch wenn es diese nicht mehr
in der klassischen Form erteilt. Und dass es bereit sei, das Projekt weiterzuentwickeln
und den Eltern weiterhin einen Einblick in die Schule zu gewähren, wenn auch
auf andere Art.
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