Für die Schülerinnen und Schüler im Kanton Zug beginnt heute wieder der
Unterricht. Zuständig für sie sind die Lehrpersonen, doch auch Schulleiter sind
im Klassenzimmer inzwischen präsenter als noch vor zehn Jahren. So führen die
Schulleiter regelmässig Gespräche mit den Lehrpersonen und besuchen den
Unterricht. Bis 2009 übernahm das Schulinspektorat diese Aufsichtsfunktion,
seither fällt diese Aufgabe den Schulleitern zu. «So haben wir einen direkten
Alltagsbezug zu den Lehrerinnen und Lehrern und lernen die Klassen kennen»,
erklärt Adrian Estermann. Er ist Schulleiter der Baarer Schulen Marktgasse und
Sennweid sowie Präsident des Verbandes der Schulleiterinnen und Schulleiter
Zug.
Estermann betont, dass es beim Klassenbesuch nicht primär um Kontrolle
der Lehrpersonen gehe. «Fast alle Lehrerinnen und Lehrer leisten sehr gute
Arbeit. Nur in Einzelfällen tauchen Probleme auf, bei denen wir die
Lehrpersonen begleiten und coachen.» Vielmehr nehme er bei Unterrichtsbesuchen
als Schulleiter die Dynamik in einer Klasse wahr und könne so auch Denkanstösse
geben. Der Baarer Schulleiter erklärt:
Darüber hinaus könne er Kinder, die neu in die Schule eintreten, besser
einer passenden Klasse zuteilen, wenn er die einzelnen Schulklassen kenne.
Kurze Besuche haben sich in Zug etabliert
Diesen Eindruck bestätigt auch Reto Kurmann, Schulleiter der
Sekundarstufe 1 in Hünenberg. Er sei oft auch bei den Elterngesprächen
anwesend. «Wenn ich meine Aussagen da mit eigenen Erfahrungen aus dem
Unterricht stützen kann, schafft das mehr Verständnis.» Strategisch festgelegt
ist, dass ein Zuger Schulleiter eine Klasse alle zwei Jahre während insgesamt
1,5 Lektionen besucht. Diese Richtlinie entspricht jedoch nicht mehr dem Status
quo.
Laut Estermann und Kurmann haben sich in vielen Zuger Schulen regelmässige,
dafür kurze Unterrichtsbesuche eingependelt. Das sei keine verlorene Zeit,
sondern diene Lehrpersonen und Kindern gleichermassen. Dies sei auch aus einem
anderen Grund zentral, führt Estermann aus: «Wir müssen heute mehr
Anspruchsgruppen gerecht werden als früher. So arbeiten wir heute nebst den
Kindern, Eltern und Lehrpersonen auch mit dem schulpsychologischen Dienst, den
Heilpädagogen, Sozialarbeitern und weiteren, auch ausserschulischen Partnern
wie Gewerbeverband, Kesb oder Polizei zusammen.»
Mit der integrativen Förderung werden inzwischen auch Kinder mit
geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen in der regulären Volksschule
untergebracht. Das funktioniere gut, diese Kinder wie auch die betroffenen
Lehrpersonen seien aber auf entsprechende Unterstützung durch Fachpersonen
angewiesen, erklärt Kurmann.
Zwischen den verschiedenen Anspruchsgruppen die Balance zu halten,
erfordert viel Fingerspitzengefühl. Jede gefundene Lösung ist ein Kompromiss,
der nicht immer alle zufriedenstellt. «Manchmal sind wir schon unpopulär mit
unseren Entscheidungen», gesteht Estermann.
Doch das sei Teil der Arbeit, denn Schulleiter seien gefordert, für jede
Reiberei und jedes Problem eine Lösung zu finden. Das sieht auch
Bildungsdirektor Stephan Schleiss so: Gemeinsam entwickelte Unterrichts- und
Schulqualität müsse auch eingefordert werden. Dass dabei Spannungen auftreten
können, sei selbstredend und Ausdruck davon, «dass etwas läuft».
Hohe Erwartungen als Herausforderung
Besonderes Konfliktpotenzial bergen die oft divergenten Erwartungen von
Eltern und Lehrpersonen. Bekanntes Beispiel: Eltern wünschen sich, dass ihr
Kind das Gymnasium absolviert, was sich jedoch bereits in der Primarschule als
unrealistisch herausstellt. Manchmal reicht die schulische Leistung nicht aus
oder das Kind passt aufgrund seiner Persönlichkeit besser in die geführte
Sekundarschule.
«Den Eltern dann aufzuzeigen, dass ein anderer Weg für ihr Kind
sinnvoller sei, ist nicht einfach», sagt Reto Kurmann. Die intensivste
Arbeitszeit sei jedoch nicht jene während der Elterngespräche oder im
Unterricht, sondern jene während der grossen Pause, betonen beide Schulleiter.
In diesen 15 Minuten leisten die Schulleiter viel Beziehungsarbeit und sind
eine beliebte Anlaufstelle für Schüler und Lehrpersonen.
Eine zunehmend wichtige Aufgabe des Schulleiters ist es im Weiteren, das
Schulsystem an sich zu erklären. Eine Schule werde gerne hinterfragt und an den
eigenen Schulerfahrungen gemessen, sagt Adrian Estermann. Mit der Gesellschaft
hat sich aber auch das Schulsystem weiterentwickelt. «Bei einem Arzt, der vor
40 Jahren sein letztes Diplom absolviert hat, würde sich heute niemand mehr
operieren lassen wollen. Ähnlich braucht es bei Schulen und Lehrpersonen
stetige Modifikationen und Weiterbildungen», erklärt Estermann. Die
regelmässigen Unterrichtsbesuche und die Lösungssuche mit den unterschiedlichen
Anspruchsgruppen sind ein Teil davon.
"Laut Estermann und Kurmann haben sich in vielen Zuger Schulen regelmässige, dafür kurze Unterrichtsbesuche eingependelt. " Heisst das, dass auch in Zug der umstrittene Classroom Walkthrough stattfindet? https://schuleschweiz.blogspot.com/2015/09/classroom-walkthrough-neues.html
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