9. Februar 2020

St. Galler Schulstreit geht weiter

Die Fronten zwischen der Spitze der Schuldirektion der Stadt St.Gallen und dem Verband Lehrpersonen Sektion St.Gallen (VLSG) sind tatsächlich verhärtet. Die Ursache dafür sieht die Stadtregierung in ihrer Antwort auf eine Interpellation der CVP/EVP-Fraktion im Stadtparlament auf Seiten der Lehrergewerkschaft. Schuld daran ist gemäss Stadtrat insbesondere die Art und Weise wie Vertreterinnen und Vertreter der Lehrerschaft seit langem Kritik an Entscheiden der Schuldirektion üben.
Stadtrat ermahnt die Gewerkschaft: In St. Gallen geht der Streit zwischen Schulamt und Lehrervertretung weiter, St. Galler Tagblatt, 8.2. von Reto Voneschen

Die Geschichte dieser Dauerkonfrontation wird in der Interpellationsantwort durch eine Reihe von Zitaten zurück bis 1994 dokumentiert. Mit diesen Ausführungen in der Interpellationsantwort stellt sich der Stadtrat hinter Aussagen, die Marlies Angehrn, auf Ende Januar zurückgetretene Leiterin der Dienststelle Schule und Musik, sowie Stadtrat Markus Buschor seit dem vergangenen Herbst mehrfach gemacht haben.

Mitwirkung aufgrund von Befragung ausgebaut
Breit werden in der Interpellationsantwort die Massnahmen zur Verbesserung des Informationsaustauschs von Schulamt und Lehrkräften beschrieben. Diese waren aufgrund von Wünschen in einer Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterbefragung umgesetzt worden. Dadurch wurden Mitwirkungsmöglichkeiten der Lehrkräfte und ihrer Vertretung «in strategischen Themen und Fragen deutlich erhöht». Zudem finden heute jährlich drei Treffen zwischen Schuldirektion und Lehrervertretung statt. Offen ist, das räumt der Stadtrat in der Interpellationsantwort ein, die Klärung der Rollen der Beteiligten und die Grundsätze des Austausches bei den Sitzungen. Aufgrund der getroffenen Mitwirkungsmassnahmen hält der Stadtrat die Ausgangslage für den Start der neuen Schulamtsleitung für «vielversprechend».

Der Ausbau der Mitwirkungsmöglichkeiten auf der einen und die ständige, teils sehr scharfe öffentlichen Kritik der Lehrergewerkschaft auf der anderen Seite werden von der Dienststelle Schule und Musik sowie der Leitung der Schuldirektion «als unbefriedigend und irritierend wahrgenommen». Dafür zeigt die Stadtregierung in der Interpellationsantwort ausdrücklich Verständnis. Vom Verband Lehrpersonen Sektion St.Gallen (VLSG) erwartet sie «ein Umdenken». Bei der Zusammenarbeit gelte zudem nicht nur das in der Schulordnung eingeräumte Recht auf Mitwirkung, «sondern auch die Treuepflicht der in der Gewerkschaft zusammengeschlossenen Mitarbeitenden gegenüber ihrer Arbeitgeberin».

Dauerkritik führt zum Rückzug der Chefin
In Zusammenhang mit der formal ungenügenden Entlassung zweier Lehrer in der Stadt St.Gallen ist Mitte des vergangenen Jahres ein Schulstreit eskaliert. Jene, die seit längerem Kritik am Führungsstil im Schulamt (heute Dienststelle Schule und Musik) übten, sahen sich durch das entsprechende Gerichtsurteil bestätigt. Die Spitze der Stadtschule wiederum wies die Kritik mit dem Hinweis zurück, dass man bei Fehlverhalten von Lehrkräften nicht die Augen zumachen dürfe, sondern zum Wohl der Kinder und Jugendlichen konsequent hinschauen und handeln müsse.

Der Konflikt wogte in den Medien hin und her. Schliesslich erklärte Marlies Angehrn ihren Rücktritt als Leiterin der Dienststelle Schule und Musik. Dies, weil sie einsehen musste, dass die Gräben zu tief geworden waren. An einer Podiumsdiskussion übte sie in dem Zusammenhang Kritik an der städtischen Lehrergewerkschaft. Von dieser Seite habe man ihr ab Amtsantritt 2014 keine Chance gelassen, sondern sie mit haltlosen Vorwürfen bekämpft, die man schon in Protokollen von 1994 gegen ihre Vorgänger finde.

Patrik Angehrn: «Zu wenig selbstkritische Reflexion»
Patrik Angehrn, Präsident der CVP/EVP-Fraktion, die die Interpellation zum Verhältnis von Schuldirektion und Lehrergewerkschaft im Parlament eingereicht hatte, hat die stadträtliche Antwort gelesen. Natürlich habe der Stadtrat recht, wenn er schreibe, auch der VLSG müsse sich jetzt bewegen und seinen Teil zur Entschärfung des Konflikts beitragen. Die Lehrervertretung müsse wirklich offen sein gegenüber der neuen Schulamtsleitung.
Anderseits konzentriert sich die Interpellationsantwort des Stadtrats für Patrik Angehrn zu sehr darauf, was die Schulverwaltung gut gemacht hat. Er vermisse eine selbstkritische Reflexion dessen, was schiefgelaufen sei. Dabei gehe es um weiche Faktoren wie die Sozialkompetenz oder das Ernstnehmen des Gegenüber bei den Aussprachen. Mit der Interpellationsantwort negiere der Stadtrat etwas die alte Tatsache, dass es für einen Streit immer zwei brauche, findet Patrik Angehrn.

Verband will das Gespräch mit dem Stadtrat suchen
Der VLSG hat gemäss Generalsekretär Bruno Oesch vom Vorliegen der Interpellationsantwort Kenntnis genommen. Man werde diese jetzt studieren und diskutieren. Für den VLSG sei der personelle Wechsel an der Spitze des Schulamtes eine Chance für einen Neustart. Das Präsidium wolle daher das informelle Gespräch mit dem Stadtrat suchen. Man wolle weg vom Endlos-Pingpong mit gegenseitigen öffentlichen Stellungnahmen und sich einmal grundsätzlich mit der Spitze der Schuldirektion aussprechen.

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