Der amerikanische
Präsident hat gemäss einem Faktencheck der „Washington Post“ die Zahl der
falschen oder irreführenden Aussagen seit seinem Amtsantritt massiv gesteigert.
Von 1999 im Jahre 2017, 5689 2018 auf 15’413 bis zum 10.12.2019.
Seine Beraterin
Kellyanne Conway hat dafür den Begriff „alternative Fakten“ geprägt, Donald Trump
selbst spricht von „übertriebenen Übertreibungen“. (exaggerated hyperbole)
In der
Literatur ist das Phänomen der verzerrten Erfassung von unbequemen Wahrheiten
ein beliebtes Sujet. Marcel Proust stellt fest, dass die Wirklichkeit nicht in
die Welt des Glaubens dringe, Aldous Huxley schreibt, Tatsachen schaffe man
nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriere, und Mark Twain erklärt, man
müsse die Tatsachen kennen, bevor man sie verdrehen könne. Der US-Senator
Patrick Moynihan schliesslich verteidigt das Recht auf eine eigene Meinung:
Aber keiner habe das Recht auf seine eigenen Fakten.
Nun trifft man
nicht nur im White House auf alternative Fakten und Schönfärberei, sondern,
natürlich in verdünnter Dosis, auch im Basler Erziehungsdepartement. DasGespräch zwischen Regierungsrat Conradin Cramer (LDP) und Nationalrätin KatjaChrist (GLP) - Streit um Lehrmittel -
kann künftig im Medienausbildungszentrum (MAZ) als perfektes Beispiel
dafür eingesetzt werden, wie die Politik sich stur weigert, wissenschaftlich
erhärtete Fakten zur Kenntnis zu nehmen. („TeleBasel Talk“, 11.2.2020)
Erziehungsdirektor
Conradin Cramer behauptete in der Sendung allen Ernstes, der in den
Französisch-Lehrmitteln „Mille feuilles“ und „Clin d’oeil“ angewandte neue
didaktische Ansatz sei „state of the art“, auf dem neuesten Stand der
Entwicklung. Dies ungeachtet der Tatsache, dass unterdessen bereits die vierte
wissenschaftliche Untersuchung dem Passepartout-Konzept ein miserables Zeugnis
ausgestellt hat.
Die Passepartout-Erfinder
versprachen ein sehr gutes Leseverständnis dank authentischen, nicht
didaktisierten Texten schon für AnfängerInnen. Tatsächlich verfehlen am Ende
der Primarschulzeit - nach 350 Lektionen Französisch - 67 % der Schüler die
anvisierten Lernziele.
Die Verfechter
der pseudowissenschaftlichen Mehrsprachendidaktik versprechen eine sehr gute
kommunikative Handlungsfähigkeit. Resultat: 90 % der Schüler scheitern an den
von Passepartout angestrebten Lernzielen.
Diese
vernichtenden Ergebnisse sind angesichts des Fehlens eines geführten,
systematischen Aufbaus der sprachlichen Grundstrukturen und des bewussten
Verzichts auf einen Alltagswortschatz und der Missachtung des universalen
Prinzips vom Einfachen zum Schwierigen nicht verwunderlich. Die Schüler sind im
wahrsten Sinne des Wortes im „Sprachbad“ abgesoffen.
Versprochen
werden auch motivierte und begeisterte Schülerinnen und Schüler. Gemäss einer
detaillierten Befragung würden zwei Drittel der Mille-feuilles-Kinder den
Französischunterricht eher nicht oder
nicht besuchen, wenn dieser
freiwillig wäre.
Offenbar sollen
im Kanton Basel-Stadt auch nach 9 Jahren schlechter Erfahrungen die Kinder
weiterhin als Versuchskaninchen eingesetzt und kritische Lehrkräfte und
aufmüpfige Eltern eingeschüchtert werden.
Dass es auch
anders geht, beweist die grüne Berner Erziehungsdirektorin Christine Häsler. In
zwei Briefen an kritische Lehrerinnen und Lehrer schreibt sie:
„Ich habe Ihr
Schreiben erhalten und danke Ihnen dafür. Es ist mir ein grosses Anliegen, dass
Kinder und Jugendliche möglichst gut Französisch lernen und Freude an der
Sprache finden. Ebenso wichtig ist mir, dass Lehrerinnen und Lehrer ein
Lehrmittel zur Verfügung haben, mit welchem sie erfolgreich unterrichten
können. (..)
Um die
Situation und die Anliegen der kritisch eingestellten Lehrkräfte zu
analysieren, habe ich eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die breit
diskutiert, die unterschiedlichen Meinungen abholt und verschiedene Varianten
prüft.“ Abschliessend dankt Frau Häsler den Lehrkräften ausdrücklich „für Ihr
Engagement“ und wünscht ihnen einen guten Start ins neue Jahr.
In dem Brief
kündigt sie zusätzlich zu „ihrer persönlichen Mitteilung“ noch ein „offizielles
Schreiben der ehemaligen Passepartout-Kantone“ an. Auf diese Antwort sind insbesondere
die Basler Lehrkräfte und die Eltern sehr gespannt.
Die Reaktion
der Berner Regierungsrätin jedenfalls kommt in Ton und Inhalt wesentlich
differenzierter daher als die teilweise unsachliche pauschale Diffamierung
kritischer Meinungen aus dem Elfenbeinturm der Basler Bildungsbürokratie.
Angesichts der
bescheidenen Leistungsbilanz unserer Schulen dürfte man eigentlich etwas mehr
Demut und Selbstkritik erwarten.
Hier noch ein weiterer lesenswerter Beitrag zum Thema:
AntwortenLöschenhttps://condorcet.ch/2020/02/conradin-cramer-erlebt-mit-passepartout-sein-waterloo/