Ab wann sind Kinder bereit für die digitalen Medien? Darf das Handy als Babysitter gebraucht werden und wie sieht der Medienkonsum der Zukunft aus? Medienkompetenz-Experte Michael In Albon liefert Antworten und Tipps.
«Eltern sehen bei den Inhalten oft zu wenig hin», Walliser Bote, 19.2. von Melanie Biaggi
Michael
In Albon, wie heisst es so schön, man muss seine Kinder nicht erziehen, sie
machen einem eh alles nach. Dies gilt wohl auch für den elterlichen Umgang mit
digitalen Medien?
«Ja, das
stimmt, besonders bei den Medien. Indem wir unseren eigenen Medienkonsum den
Kindern als Modell vorleben, tun sie es uns gleich und kopieren uns. Im guten
und im schlechten Sinn.»
Ab wann
sind Kinder bereit für die digitalen Medien?
«Eine oft
zitierte Regel sagt: keinen Bildschirm vor drei, keine Spielkonsole vor sechs,
kein Internet vor neun und kein unbeaufsichtigtes Internet vor zwölf Jahren.
Aber das ist eine grobe Faustregel und bei jedem Kind anzupassen. Kinder sollen
den Medieninhalt begreifen können, und sie müssen Medien auch weglegen können –
diese Beobachtungen sind wertvoller als die reinen Altersangaben.»
Welche
Kompetenzen brauchen Kinder in unserer digitalisierten Welt?
«Dieselben,
die wir Erwachsene noch in den klassischen Medien gelernt haben: Sie müssen
verstehen, wie die unterschiedlichen Medien funktionieren, wie sie uns
beeinflussen können, wie man eine Information einordnet, sie müssen den
Unterschied zwischen echter und (medial) vermittelter Welt erkennen. All das
können wir Eltern bereits. Und es ist billig, als Vater oder Mutter die Hände
zu verwerfen und zu behaupten, die Kinder wüssten mehr über digitale Medien als
wir. Das Gegenteil ist der Fall.»
Wie kann
die Digitalisierung die Entwicklung von Kindern unterstützen?
«Die
Frage könnte man auch umdrehen: Wie beeinflusst die Digitalisierung die
Entwicklung unserer Kinder? Und dann erkennen wir rasch, dass unsere Kinder ein
breites Wissen aufbauen müssen, wie die Digitalisierung unser Leben
beeinflusst. Und vor allem: Wie die Kinder die Chancen der Digitalisierung
nutzen, die Risiken eindämmen können. Nur so werden sie in der Lage sein, die
Welt mitzugestalten, als von ihr bestimmt zu werden.»
Die
Kinder surfen im Internet, welche Regeln sollten gelten?
«Sehr oft
schränken die Eltern die Medienzeit ein. Aber es muss eigentlich mehr um die
Inhalte gehen. Und da sehen Eltern oft zu wenig hin. Zu wissen, wie man Netflix
oder Twitch bedient, heisst noch lange nicht, dass alle Inhalte dort auch
geeignet sind. Nehmen Sie zum Beispiel die vielen unsäglich schlecht gemachten
Pseudo-News-Beiträge auf YouTube: Ohne elterliche Begleitung nehmen unsere
Kinder diese Meldungen für bare Münze. An solchen Beispielen erkennt man die
Wichtigkeit, auch den konsumierten Inhalt im Auge zu behalten.»
Das Handy
als Babysitter, ein No-Go oder manchmal Retter in der Not?
«Ein
quengelndes Kind mit einem Video oder Spiel auf dem Smartphone zu beruhigen –
das funktioniert sehr gut. Das weiss ich wie viele aus Erfahrung. Aber die
Regel darf es nie werden. Denn sehr oft will das Kind eigentlich die
Aufmerksamkeit der Eltern.»
Eltern
plagen sich mit der Frage, wann das Kind sein erstes Handy bekommen sollte?
«Die
JAMES-Studien der letzten Jahre zeigen: Ab der Orientierungsschule haben alle
Kinder ein eigenes Gerät. In der Mittelstufe (4. bis 6. Klasse) sind es circa
70 Prozent. Aber in diesem Alter macht ein eigenes Gerät wenig Sinn. Für ihre
Medienzeit können sie ebenso gut das Familien-Tablet oder das Eltern-Gerät
nutzen. Und Kommunikations-Apps wie Whats-App oder Social-Media-Konten sollten
sie in diesem Alter ohnehin nicht nutzen. Und solange sie zu einem solch
wertvollen Gerät nicht Sorge tragen können, können sie auch nicht die
Verantwortung dafür übernehmen.»
Sind die
Kinder etwas grösser und haben bereits ein Smartphone, kann der Gebrauch das
Familienleben beeinflussen, Stichwort chatten am Mittagstisch. Wie schafft man
Handy-freie Familienzeit?
«Das ist
eine Frage des Respekts und hat mehr mit Erziehung und weniger mit dem
Smartphone zu tun. Achtet man das Gegenüber mit ungeteilter Aufmerksamkeit und
geht respektvoll miteinander um, stellt sich die Frage nach dem Smartphone am
Mittagstisch gar nicht. Aber vielleicht sind einige Eltern ein schlechtes
Vorbild – das kann man dann nicht dem Kind vorhalten.»
Ein Blick
in die Zukunft. Wie kann man das Kind dazu bringen, draussen auf Bäume zu
klettern und nicht immer am Smartphone zu hängen?
«In der
Entwicklung der Kinder geht es um Impulse und den Drang, lernen zu wollen. Dies
sollen sie in unterschiedlichen Umgebungen tun können: draussen, beim
Legospielen und eben auch beim Computer-Game. Der Mix ist zentral, dann
entwickeln sich unsere Kinder am nachhaltigsten. Ich glaube nicht, dass
digitale Medien dem Spiel im Garten den Rang ablaufen und wir Eltern sollten
diese Domänen auch nicht gegeneinander ausspielen. Aber aus beiden Welten das
Beste zulassen.»
Dies wird
wohl in Zukunft noch schwieriger?
«Alle
Medien kämpfen den Kampf um Aufmerksamkeit. Die Medien werden mit immer neuen,
attraktiven Formen und Inhalten aufwarten. Und ja: Wir Eltern werden auch in
Zukunft gefordert sein, diesen Informationsfluss zu regulieren. Denn am Ende
müssen wir Eltern erziehen, nicht die Medien.»
Ratgeber.
Michael In Albon gibt Eltern Tipps in der Medienerziehung und versucht sich als
zweifacher Vater selbst daran zu halten.
Zur
Person
Michael
In Albon (47) wurde in Eggerberg geboren. Nach der Matura studierte er an der
Universität Bern Linguistik und Geschichte. Seit 2001 arbeitet er bei Swisscom.
Seit 2009 ist In Albon dort verantwortlich für die Initiative «Schule ans
Internet». Zudem ist er Experte für Medienkompetenz und ist
Jugendmedienschutz-Beauftragter bei Swisscom. Der Oberwalliser ist verheiratet,
zweifacher Vater und lebt in Bern.
Fünf
Tipps für die Medienerziehung
1. Zeiten
kontrollieren und Inhalte beschränken
2. Dem
gesellschaftlichen Druck widerstehen: Dem Kind sein erstes Handy geben, wenn
man es selbst für angemessen hält und nicht der Nachbar
3.
Ausgleich schaffen: einen gesunden Mix zwischen realen und medialen Erfahrungen
4.
Neugierig bleiben: Eltern sollen wissen, was Kinder im Netz treiben und sich
für ihre Realität interessieren. Dazu gehört: Games mitspielen, über Websites
reden und neue Idole hinterfragen
5.
Kreativität fördern: Medien dienen nicht nur der Unterhaltung, man kann sie
auch gestalten. Kinder dazu motivieren
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