26. Februar 2020

Hausaufgaben unterstützen Selbstorganisatio


Tanja Fux, Adjunktin der Dienststelle für Unterrichtswesen im Kanton Wallis, setzt sich ein für den Erhalt der Hausaufgaben.
«Ein wichtiges Fenster zur Schule», Walliser Bote, 10.2. von Daniel Zumoberhaus

Tanja Fux, sind Sie grundsätzlich eine Befürworterin der Hausaufgaben?
«Ja, bin ich. Der Lehrplan 21 sieht Hausaufgaben vor und somit wurden diese hier im Wallis auch nie ernsthaft infrage gestellt.»

Es gibt jedoch klare Tendenzen, die Hausaufgaben speziell auf Primarstufe abschaffen zu wollen?
«Das sind oftmals emotionale Diskussionen, welche Eltern führen, die den Sinn und Zweck der Hausaufgaben hinterfragen.»

Welchen Hauptzweck erfüllen die Hausaufgaben denn in Ihren Augen?
«Einer der wichtigsten Gründe ist die Förderung der Selbstorganisation. Die Kinder lernen Verantwortung für ihren Lernprozess zu übernehmen. Zudem üben und vertiefen sie Inhalte oder stellen sich auf neue Themen ein, die sie in der Schule erwarten werden.»

Demnach sollten die Schüler nicht zu Hause Aufgaben fertig machen müssen, die in der Schule nicht erledigt wurden?
«Die Planung der Hausaufgaben passiert zusammen mit der Unterrichtsvorbereitung. Die Hausaufgaben sollen durchdacht sein und bestimmte Kompetenzen fördern. Sie müssen dem Alter und Lernstand der Kinder entsprechen und herausfordernd sein, die Kinder also weder überfordern noch unterfordern…»

Im Alltag werden oft einfach schulische Aufgaben ins Elternhaus verschoben, nicht?
«Nein, das ist nicht so. Die Schule und die Eltern arbeiten gemeinsam darauf hin, dass die Kinder gute Lernerfolge erzielen. Das Kind lernt in meinen Augen bei den Hausaufgaben wichtige Sachen, beispielsweise eine gute zeitliche Planung. Es lernt sich selber besser kennen, wann und wie es am besten lernt.»

Die Hausaufgaben bringen also wertvolle Lernerfahrungen mit sich. Das ist ein löblicher Aspekt, genügt aber nicht, um sie pauschal zu befürworten. Welchen weiteren Vorteil führen Sie ins Feld?
«Die Hausaufgaben sind ein wichtiges Fenster zur Schule. Die Eltern sehen, was in der Schule gelernt wird, mit welchen Lehrmitteln ihre Kinder arbeiten und vielleicht wird beim Abendessen sogar über ein Thema diskutiert und ein wichtiger Austausch kann stattfinden.»

Gäbe es keine Aufgaben, wäre das wiederum ein wesentlicher Beitrag zur Chancengleichheit. Denn speziell Kinder aus sogenannten bildungsfernen Familien haben öfter Schwierigkeiten, ihre Aufgaben zu erledigen, weil die Eltern ihnen nicht helfen können.
«Die Hausaufgaben sollen Inhalte sein, welche die Schülerinnen und Schüler bereits kennen. Sie sollen ihre Aufgaben selbstständig lösen können. Die Eltern zeigen Interesse und stellen die Rahmenbedingungen bereit, um die Hausaufgaben zu machen, mehr nicht…»

Welche da wären?
«Es ist wichtig, dass die Kinder die Aufgaben an einem ruhigen Ort lösen können. An einem Ort, an dem sich das Kind wohlfühlt. Es ist keine Voraussetzung, dass die Eltern mit den Themen und Inhalten vertraut sind.»

Die Eltern sollten sich im besten Fall überhaupt nicht einmischen?
«Genau, die Eltern sollen nur nachfragen, was die Kinder zu tun haben. Kein Kind profitiert davon, wenn Mama oder Papa die Hausaufgaben lösen. Gibt es Unsicherheiten, inwiefern das Kind unterstützt werden soll oder nicht, können die Eltern die Lehrperson kontaktieren, diese Möglichkeit besteht immer.»

Genau durch die Einmischung der Eltern kommt es oft zu schwierigen Situationen, nicht?
«Mischen sich die Eltern zu sehr ein, kann das die Kinder verunsichern: Die Eltern meinen es zwar gut, wissen aber nicht genau, wie die Aufgaben von den Lehrpersonen gestellt sind. Darum nochmals: Interesse für die Schule und somit für die Kinder zeigen, ist enorm wichtig. Die Verantwortung für die Hausaufgaben aber liegt allein bei den Schülerinnen und Schülern, also beim Kind selbst.»

In anderen Kantonen wie Bern scheint es in einzelnen Gemeinden durchaus zu klappen, dass auf die Hausaufgaben verzichtet werden kann, ohne dass weniger gelernt wird. Warum hier bei uns nicht?
«Es gibt einzelne Pilotprojekte, die das ausprobieren. Im grösseren Rahmen steht im Kanton Bern ein Umdenken bei den Hausaufgaben an. Bei den dortigen Tagesschulen handelt es sich aber um andersartige Strukturen: Die Kinder haben längere Unterrichtszeiten und bleiben auch nach der Schule für die Hausaufgaben und Freizeitaktivitäten dort. Die Familien im Oberwallis zeigen nicht dieselben Bedürfnisse, der Wunsch nach einer Ausgliederung all dieser Aufgaben ist momentan nicht gegeben.»

Das Inspektorat hat sich dem Thema Hausaufgaben gewidmet und anhand des Lehrplans 21 einen Leitfaden herausgegeben. Mit welchem Ziel?
«Es war abzusehen, dass es nach der Einführung des Lehrplans 21 einen Leitfaden braucht. Dieser soll den Schulleitungen helfen, das Thema Hausaufgaben an ihren Schulen umzusetzen, und aufzeigen, wie diese gestaltet werden sollen.»

Wie genau denn?
«Sie sollen möglichst vielfältig sein und regelmässig erteilt werden, zudem ist der zeitliche Rahmen definiert. Der Leitfaden zeigt auf, wie die Hausaufgaben zur Förderung der Kinder beitragen. Das ist das eigentliche Ziel der Hausaufgaben. Der Leitfaden zeigt Sinn und Zweck der Hausaufgaben nochmals auf.»

Gibt der Lehrplan konkrete Zeitvorgaben für die jeweiligen Stufen?
«Nein, die Vorgaben dazu macht der Kanton.»

Interview: Daniel Zumoberhaus
Tanja Fux, Adjunktin Dienststelle für Unterrichtswesen


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