Unter dem Titel «SOS: Wie bringen wir unsere Kids zum
Lesen?» klagt Rudolf Minsch, Bildungsverantwortlicher der Economiesuisse, über
das «niederschmetternde» Resultat der Pisa-Deutschttests und gibt den Eltern einpaar Tipps, wie sie ihre Kinder zum Lesen bewegen könnten.
Pisa-Desaster: Alles zudecken mit ein paar banalen Rezepten? 8.12. von Marianne Wüthrich
Zur Erinnerung: Economiesuisse stand an vorderster
Front für den Lehrplan 21: Digitalisierung über alles, der Lehrplan «gehe in
die richtige Richtung» und ähnliche Sprüche. Wer vor den zu erwartenden
negativen Folgen für die Bildung unserer Kinder gewarnt hat, wurde mit harschen
Worten als Ewiggestriger abgetan.
Unter anderem weisen viele von uns pädagogischen
Fachleuten und Praktikern seit Jahren darauf hin, dass man mit
selbstorganisiertem Lernen und dem Abhaken von Kompetenzhäppchen keine Sprache
lernen kann. Voraussetzung ist vielmehr ein von der Lehrerin strukturierter
Deutschunterricht, in dem viel gelesen, geübt, geschrieben und vertieft wird.
Im Klassengespräch kann die Freude am Lesen und Schreiben entstehen und
wachsen, und gleichzeitig werden die Grundlagen in Wortschatz, Grammatik,
Rechtschreibung und Satzbau gelegt. Besonders in der Primarschule muss viel
Zeit und Musse da sein für die deutsche Sprache, die Basis allen Lernens.
Deswegen – nicht aus Engstirnigkeit – plädieren immer mehr namhafte Pädagogen
und Informatiker dafür, Informatik-und Fremdsprachen-Unterricht auf die
Oberstufe zu verschieben. Auch Rudolf Minsch hält fest, dass der analoge
Unterricht zu besseren Resultaten führt als der digitale.
Über diese sachlich gut begründeten Einwände gingen viele
Verantwortliche in der Wirtschaft über Jahre hinweg, in der irrigen Hoffnung,
die Volldigitalisierung und das sog. kompetenzorientierte Lernen bringe
taugliche Kräfte für die Wirtschaft hervor.
Jetzt, wo es auf dem Tisch liegt, dass ein grosser
Teil der Schweizer Jugend in neun Schuljahren (plus Kindergarten) nicht genügend
lesen und schreiben lernt, kommt uns Herr Minsch mit «einigen gut gemeinten
Vorschlägen auf die Schnelle», lauter längst bekannten Allgemeinplätzen.
Vorlesen und mit den Kindern lesen tun einige deutschsprachige Eltern heute
schon, und deren Kinder lernen in der Regel auch einigermassen deutsch, trotz
Lehrplan 21. Handy-freie Zeiten führen die IT-Grössen im Silicon Valley für
ihre eigenen Kinder ein, indem sie diese in computerfreie Privatschulen
schicken. Auf der Strecke bleiben viele andere Kinder, nicht nur fremdsprachige.
Eine Zweiklassen-Schule in Reinkultur!
Da gibt es nur eins: Dem Lehrplan 21 samt den
dazugehörigen Lehrmitteln einen Stopp setzen und die Junglehrer wieder zu
Klassenlehrern ausbilden, die mit ihren Schülern zusammen das Lernen und die
Welt entdecken. Ein paar Tipps auf die Schnelle vermögen das Desaster nicht
wiedergutzumachen.
Dr. iur. Marianne Wüthrich, langjährige Zürcher
Berufsschullehrerin, Wil
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