Fast 30 Jahre war Beat Zemp der oberste Lehrer der Schweiz. Was
er allerdings vergangenen Sommer erlebte, war einzigartig:
«Das Schlimmste, was ich angetroffen habe, war, dass man einen Lehrer suchte mit einem
‹Flair für Französisch›»,sagte er gegenüber dem SRF. «Offenbar ist es aussichtslos, einen Französischlehrer zu finden.»
Wenn der Lehrer per Video kommt, BZ Basel, 16.12. von Yannick Nock
Tatsächlich haben die meisten Schulen Mühe, Fachlehrer für Französisch
einzustellen. Das geht aus einer aktuellen
Umfrage unter Schweizer Schulleitern hervor. Fast drei Viertel
aller Deutschschweizer Schulen bekräftigen, dass es schwierig
sei, geeignete Pädagogen zu finden.Oft müssten sie auf stufen- und fächerfremde Lehrer
zurückgreifen. Nun soll eine technische Entwicklung Abhilfe im
Klassenzimmerschaffen. DieIT-Firma Cisco sucht derzeit Schulen, um ein Pilotprojekt
zu starten. Schüler ab der vierten Klasse sollen per Videokonferenz von einem
speziell zugeschalteten Lehrer unterrichtet werden. Dies berichtet die
Lehrerzeitschrift «Bildung Schweiz» in ihrer jüngsten Ausgabe. Der
Vorteil der Videoschaltung: Geeignete Pädagogen müssen keinen langen Arbeitsweg auf sich
nehmen und können auch aus anderen Kantonen oder Landesteilen zugeschaltet werden. So gelingt es ihnen, in kurzer Zeit
vor mehreren Klassen zu sprechen.Es ist ein neues Mittel im Kampf gegen den
Lehrermangel. Allein im Unterricht sind die
Schüler aber nicht. Ein Klassenlehrer wird die Kinder weiterhin
betreuen. Er muss allerdings im Fach kein Experte sein.
Uruguay als Vorbild
für die Schweiz
Was neu in der Schweiz sein wird,hat sich im Ausland bereits
bewährt. Uruguay nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein. Das Land
im Osten Südamerikas hatte vor einigen Jahren mit einem ähnlichen Problem zu kämpfen. Die
Schulen fanden keine Englischlehrer–konnten aber dank des Videounterrichts Pädagogen in
Nachbarländern rekrutieren. Aktuell werden über 3300
Primarschulklassen pro Woche per Videokonferenzen unterrichtet. Das könne auch in
der Schweizfunktionieren,sagt Garif Yalak von Cisco Schweiz, der das Projekt vorantreibt. Das Beispiel Uruguay habe gezeigt, dass
Probleme wie der Lehrermangel dank neuerTechnologien behoben werden könnten. Auch
Schüler, die langfristig krank seien, hätten so die Möglichkeit,
am Unterricht teilzunehmen. Lehrer und Schulleiter stehen der Idee allerdings kritisch gegenüber. DerVideounterricht könne als Ergänzung eingesetzt
werden,sei aber nie ein Ersatz für eine qualifizierte Fachlehrperson im
Klassenzimmer, sagen viele. Reagieren müssen die Schulen trotzdem. Dass die Französischlehrer ausgehen, haben
die Kantone selbst zu verantworten. In Zürich, Nidwalden oder dem Thurgau wurde
bis vor wenigen Jahren diskutiert, Französisch aus der Primarstufe zu verbannen. Zwar
machte damals Bundesrat Alain Berset schnell klar, dass die Regierung die Kantone
notfalls zum Frühfranzösisch zwingen werde, doch erst 2017 verabschiedete sich der letzte Kanton
von der Idee.
Doch viele Studenten an den Pädagogischen Hochschulen waren da längst
abgeschreckt.
Sie wählten andere Spezialisierungen. Die Folgen sind bis heute spürbar. Probleme, geeignete
Französischlehrer zu finden, haben vor allem Nidwalden, Baselland, Solothurn und Zürich. Besser
ist die Situation an den Sprachgrenzen wie beispielsweise dem Kanton Freiburg. «Dort
ist dasVerständnis für die anderen Landessprachen grösser»,
sagt Thomas Minder, Präsident des Schweizer Schulleiterverbandes. Hinzu käme, dass
das Interesse für Englisch heutzutage ungleich höher sei. «Wer eine
Fremdsprache unterrichten will, wählt eher Englisch.»
Wann der Lehrer per Video kommt,
hängt davon ab, wie schnell Schulen für das Projekt
gefunden werden. Konkrete Gespräche gibt es bereits, allerdings steht dort eine
andere Landessprache im Zentrum: Eine deutschsprachige und eine
italienischsprachige Schule im Kanton Graubünden möchten
sich durch eine Videokonferenz vernetzen – und sich so die
jeweilige Sprache gegenseitig beibringen.
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