27. Dezember 2019

Abschaffung der Schulpflegen verhindern


Am 17. Mai 2020 stimmt die Aargauer Bevölkerung über die Vorlage «Führungsstrukturen der Aargauer Volksschule» ab. Hinter diesem Titel verbirgt sich die Abschaffung der Schulpflege. Dies wäre ein weiterer Schritt zur Zentralisierung und Steuerung des Aargauer Schulwesens von oben. Dagegen wehrt sich das Bildungsforum Aargau und nimmt dazu wie folgt Stellung: 
Stellungnahme zur geplanten Abschaffung der Schulpflege, Bildungsforum Aargau, 18.12.

Bereits mit der Einführung der Schulleitungen wurde im Jahr 2002 die Abschaffung der Schulpflege angedacht. Bildungsdirektor Hürzeler unternahm im Jahr 2012 – mit praktisch identischen Schlagworten wie heute – einen konkreten Schritt zur Abschaffung: Es gehe darum, die Steuerung der Schule schlanker zu gestalten. Bei der Ausgestaltung der Vorlage sei z. B. darauf zu achten, dass die keiner direktdemokratischen Kontrolle unterstehenden Schulleitungen nicht zu mächtig würden. Die Vorlage wurde 2014 aus taktischen bzw. Kostengründen sistiert und die auf Herbst 2015 vorgesehene Volksabstimmung vorerst um eine Amtsperiode verschoben. Nun geht es also um einen erneuten Anlauf. Unser Schulwesen, das heisst die Ausbildung unserer Jugend, legt die Grundlagen für unsere Gesellschaft. Die Bevölkerung ist bereit, viel dafür zu investieren: Das Schulbudget macht oft bis zu 50% des Gemeindebudgets aus. Schulpflege und Gemeinderat stimmen sich heute sorgfältig ab, bevor sie dem Souverän ein gut begründetes Budget vorlegen. Mit Argumenten wie «Verschlankung» diese sinnvolle Zusammenarbeit abzuschaffen, schadet der Volksschule und somit unseren Kindern. Die beabsichtigte Zentralisierung durch Abschaffung der Schulpflege schwächt die Mitsprache der Bevölkerung massiv und überlässt die Entscheidungen über die Zukunft unserer Schule weitgehend der Verwaltung.

Demokratieabbau 
Die direkte Demokratie in Schulfragen muss erhalten werden. Der Stimmbürger soll weiterhin in Wahlen direkt auf das Schulwesen Einfluss nehmen können, indem er bestimmt, welche Personen sich um das Wohl der Schule kümmern. Die vielfältigen Aufgaben der Schulpflege erfordern eine demokratisch breit abgestützte Schulpflege. Zu den Aufgaben gehören unter anderem Personal- (bei Lehrern) und Laufbahnentscheide (Schüler), Aufsicht über die Schulleitung, Vermittlung bei Konflikten und Krisenintervention. Die Maxime «Stärkung der Schule vor Ort» spricht für den Erhalt einer eigenständigen Behörde. 

Die Abschaffung der Schulpflege wäre eindeutig ein Demokratieabbau, da der Souverän die für die Schule verantwortlichen Personen nicht mehr bestimmen könnte. Die Stimmbürger würden zwar einen Gemeinderat wählen, wüssten dann aber nicht, wer für die Schule verantwortlich wäre. Auch eine vom Gemeinderat bestimmte Schulkommission wäre nicht vom Volk gewählt und müsste bezahlt werden. 

Schulpflege als bewährte Milizbehörde 
Die Volksschule war von Beginn an und ist bis heute im Volk verankert und ist daher breit abgestützt. Mit der Schulpflege übernahmen und übernehmen engagierte Laien die Aufsicht mit dem Zweck, die Verbindung zwischen Schule und den verschiedenen Volksschichten herzustellen und zu erhalten. Die Laienaufsicht war stets ein wesentliches Merkmal der Schweizer Volksschule. Sie macht es den schulspezifischen Volksvertretern zur Pflicht, sich mit der Schule vor Ort und grundsätzlichen Schulfragen zu befassen und sich über schulische Neuerungen zu orientieren. 

Mit der Schulpflege – als bewusst eigenständige und dem Gemeinderat gleichgestellte Behörde – wurde ein Instrument geschaffen, das sich ausschliesslich um das Wohl der Schule und die Interessen der Schüler kümmert. Wird die Schulpflege abgeschafft, besteht die Gefahr, dass Sachfragen zu kurz kommen. 

Schulpflege ist Ansprechpartner für Eltern und Lehrer 
Die Schulpflege, die auch von Eltern gewählt wird, hat das breit abgestützte Vertrauen in der Gemeinde. Sie ist Ansprechpartner für Schulleitung, Lehrer und Eltern. Das heisst: Die Schulpflege ist eigenständig, niederschwellig und subsidiär und arbeitet vor Ort eng mit allen an der Schule Beteiligten zusammen.  

Wenn die Schulpflege abgeschafft würde, ginge diese direkte und bewährte Verbindung verloren. Bei Unstimmigkeiten gäbe es nur den Rechtsweg, was für die Betroffenen teuer wäre und die übergeordneten Instanzen belasten würde. 

Machtkonzentration bei Schulleitung 
Früher teilten sich Schulpflege, Schulleitung und Lehrerkonferenz die Aufgaben und die Verantwortung war sinnvoll verteilt. In den letzten Jahren wurden der Schulleitung immer mehr Aufgaben aufgebürdet. Auch steht in ihrem Pflichtenheft, die Reformen des Departementes Bildung, Kultur und Sport (BKS) durchzusetzen. Bei einer Abschaffung der Schulpflege würden noch mehr Aufgaben vom Gemeinderat an die Schulleitung delegiert. Dies würde eine übermässige Machtkonzentration in den Händen der Schulleitung bedeuten. 

Viele Schulleiter stehen mit den anspruchsvollen Aufgaben in der Schule und der Verantwortung für das Lehrerkollegium und die Schülerinnen allein. Schulleiter brauchen einen Rückhalt in einer engagierten Behörde mit offenem Ohr: Profilierte und geerdete Mitglieder der Schulpflege können die Schulleitung darin unterstützen, die Probleme zu lösen. 

Mehrkosten bei Abschaffung Schulpflege 
Bei «Ersatz» der Schulpflege durch den Gemeinderat (mit oder ohne Schulkommission) werden die Schulleitungen mehr Aufgaben übernehmen müssen. Was dies kostenmässig bedeutet, wird in der aktuellen Vorlage nicht beziffert. Im Oktober 2013 sprach Bildungsdirektor Hürzeler für die geplanten Führungsstrukturen ohne Schulpflegen noch von Mehrkosten bei den Schulleitungen von 6 Millionen. Das wird auch noch 2020 so sein.  

Die vom Grossrat am 3. September 2019 für die Erhöhung der Schulleitungspensen gesprochenen 4.76 Mio. pro Jahr (65 % Kanton, 35 % Gemeinden) sind 

a) unabhängig von der Abschaffung der Schulpflegen, dann wäre mit einer weiteren Erhöhung der Pensen ab 2022 zu rechnen; oder  
b) sie dienen dazu, die wahren Kosten für die Abschaffung zu verschleiern. 

Bei der aktuellen Vorlage argumentiert der Regierungsrat nun mit 6,5 Millionen Franken, welche bei der Abschaffung der Schulpflege frei würden. Klar ist, dass kein Gemeinderat, keine Schulsekretärin und schon gar keine professionelle Schulkommission, wie sie der Regierungsrat gerne hätte, zum Salär einer Schulpflege arbeiten würde. Für die Gemeinden wären also Mehrkosten in Millionenhöhe zu erwarten.  

Die Stimme der Betroffenen muss ernst genommen werden 
Auch nach jahrelangem Lobbying seitens des BKS, der Gemeindeammänner-Vereinigung und Exponenten der FDP konnten die Direktbetroffenen nicht überzeugt werden: Bei der letzten Anhörung zur Vorlage lehnten über 90 % der Schulpflegen, fast 50 % der Schulleitungen, über 70 % der Bezirksschulräte sowie die Hälfte der befragten Einzelpersonen die Abschaffung der Schulpflegen ab. Im Sinne des Milizsystem besteht nach wie vor grosses Interesse in der Bevölkerung, als Mitglied dieser Laienbehörde mitzuwirken. 

Für die Grossratsdebatte im Juni 2019 hatte sich eine überparteiliche Gruppe von Grossrätinnen und Grossräten formiert, welche die Abschaffung der Schulpflege mit einem Nichteintretensantrag und fundierten Argumenten verhindern wollten. Diese breite Allianz von Vertretern von sieben Parteien stimmten für Nichteintreten auf die Vorlage.  

Wer heutzutage Mitbestimmung abschaffen will, muss sich die Frage gefallen lassen, wer dadurch an Einfluss gewinnt. Mit dieser Vorlage soll ein begonnenes Projekt weitergeführt werden: die direkte und ungestörte Lenkung der Schule von oben durch das BKS. Dies widerspricht unserer im Volk verankerten Schultradition mit direkter Mitsprache von «unten». Nun ist es am Volk, diese geplante Fehlentwicklung zu verhindern!

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