3. November 2019

Politiker tragen die Verantwortung für den Misserfolg


Nach sieben Jahren Französischunterricht können sich gerade mal 10,8 Prozent der Schulabgänger auf Französisch verständigen: ein katastrophales Resultat. Es stammt aus der Schlussevaluation zum Fremdsprachenprojekt Passepartout, von den Kantonen Basel-Stadt, Baselland, Solothurn, Bern, Freiburg und Wallis in Auftrag gegeben. Jahrelang haben die verantwortlichen Bildungsdirektoren jede Kritik am Fremdsprachenkonzept mit dem Hinweis auf eben diese Schlussevaluation vom Tisch gewischt. Und jetzt hat diese nicht ergeben, was sich die Passepartout-Verantwortlichen erhofft hatten.
Das Französisch-Rad vergeblich neu erfunden, Basler Zeitung, 2.11. von Thomas Dähler


Dass die schlechten Resultate der vom Institut für Mehrsprachigkeit der Universität Freiburg und von der Pädagogischen Hochschule Freiburg durchgeführten Evaluation überhauptveröffentlicht wurden, ist einer Panne zu verdanken. Die Kantone jedenfalls wollten die Resultate nicht publizieren. Der «Berner Zeitung» gestand die Projektleiterin, dass das Uni-Institut die Studie von sich aus auf ihrer Homepage publiziert hat, damit die Resultate von der Fachwelt diskutiert werden können.

Die Vermutung liegt nahe, dass die Geheimniskrämerei ihre Ursache darin hat, dass den Verantwortlichen in der Politik der Flop unangenehm ist. Immerhin hat für das verunglückte Frühfremdsprachenkonzept eine halbe Generation Versuchskaninchen spielen müssen. Der frühere Basler Erziehungsdirektor hatte vor einigen Jahren erklärt, die Schulen verfügten über ein eigens «von Fachleuten aus der Schule und der Pädagogischen Hochschule entwickeltes, sehr gutes Lehrmittel», weshalb man sich nicht von der laufenden Kritik verunsichern lasse, sondern auf die Schlussevaluation warte. Jetzt liegen die Resultate genau dieser in Aussicht gestellten Evaluation vor.

Dass es zehn Jahrgänge brauchte, um den Misserfolg zu akzeptieren, liegt in der Verantwortung der beteiligten Politikerinnen und Politiker. Diese leben bekanntlich in Vierjahreszyklen, müssen sie doch alle vier Jahre gewählt werden. Das erklärt auch, weshalb Reformen als Erfolge verkauft werden, bevor sie an der Basis als solche ausgewiesen sind – und dass Misserfolge vertuscht werden. Für den politischen Erfolg ist oft der Schein wichtiger als die Realität.

Erstaunlich ist, dass es am kommenden 24.November im Kanton Baselland einen Volksentscheid braucht, um das Obligatorium der Passepartout-Lehrmittel «Mille feuilles», «Clin d’œil» und «NewWorld» fallen zu lassen.

Dabei stört das Baselbiet noch immer den Gottesdienst der übrigen Passepartout-Kantone. Mehrere Bildungsdirektionen haben noch immer ihre liebe Mühe damit und vertrauen darauf, dass die Lehrmittel mit ein paar Ergänzungen doch noch die erhofften Schulerfolge auslösen. Basel-Stadt etwa hat bisher stets darauf hingewiesen, dass eine Kursänderung für den Frühfremdsprachenunterricht nicht zur Debatte steht.

Ob allerdings das im Baselbiet eingeleitete Konzept der Lehrmittelfreiheit im Fall der Frühfremdsprachen zum Erfolg führt, ist auch nicht garantiert. Gescheitert ist die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler vielleicht nicht nur wegen der offensichtlich untauglichen Lehrmittel «Mille feuilles», «Clin d’œil» und «NewWorld». Möglicherweise ist das gewählte Frühfremdsprachenkonzept grundsätzlicher infrage zu stellen.

Heute lernen die Schülerinnen und Schüler ab der dritten Klasse der Primarschule eine erste Fremdsprache und ab der fünften Klasse eine zweite – und dies parallel mit nur gerade zwei bis drei Wochenlektionen. Dass die Resultate nicht besser sind als mit einem späteren oder gestaffelteren Beginn des Fremdsprachenunterrichts, haben auch schon Studien belegt. Diese basierten allerdings nicht auf flächendeckenden Erhebungen.
Eine 2017 in England publizierte und auf Erfahrungen in der Schweiz abgestützte wissenschaftliche Untersuchung hat die These gestützt, dass sich der grosse Aufwand für den frühen Spracherwerb nicht lohnt. Die Sprachwissenschaftler David Singleton und Simone E.Pfenninger zeigen in diesen Untersuchungen auf, dass, wer später mit dem Sprachunterricht beginnt, die Frühlernenden in kurzer Zeit einholt.

Pfenninger ist in Basel als Kontrahentin des früheren Erziehungsdirektors und heutigen Nationalrats Christoph Eymann bekannt.

Singleton und Pfenninger stellen die These auf, dass, wer in der Schule später lernt, fundierter und schneller lernt. Ausschlaggebend für erfolgreiche Kenntnisse einer Fremdsprache – untersucht wurde Englisch – seien die Kenntnisse der Erstsprache, die Motivation und die Intensität des schulischen Sprachunterrichts.

Intensiv sind zwei bis drei Wochenlektionen nicht. Und vor allem eine Voraussetzung fehlt vielerorts: die Kenntnis der Erstsprache Deutsch.

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