Nach
sieben Jahren Französischunterricht können sich gerade mal 10,8 Prozent der Schulabgänger
auf Französisch verständigen: ein katastrophales Resultat. Es stammt aus der
Schlussevaluation zum Fremdsprachenprojekt Passepartout, von den Kantonen
Basel-Stadt, Baselland, Solothurn, Bern, Freiburg und Wallis in Auftrag
gegeben. Jahrelang haben die verantwortlichen Bildungsdirektoren jede Kritik am
Fremdsprachenkonzept mit dem Hinweis auf eben diese Schlussevaluation vom Tisch
gewischt. Und jetzt hat diese nicht ergeben, was sich die
Passepartout-Verantwortlichen erhofft hatten.
Das Französisch-Rad vergeblich neu erfunden, Basler Zeitung, 2.11. von Thomas Dähler
Dass die
schlechten Resultate der vom Institut für Mehrsprachigkeit der Universität
Freiburg und von der Pädagogischen Hochschule Freiburg durchgeführten
Evaluation überhauptveröffentlicht wurden, ist einer Panne zu verdanken.
Die Kantone jedenfalls wollten die Resultate nicht publizieren. Der «Berner
Zeitung» gestand die Projektleiterin, dass das Uni-Institut die Studie von sich
aus auf ihrer Homepage publiziert hat, damit die Resultate von der Fachwelt
diskutiert werden können.
Die Vermutung
liegt nahe, dass die Geheimniskrämerei ihre Ursache darin hat, dass den
Verantwortlichen in der Politik der Flop unangenehm ist. Immerhin hat für das verunglückte
Frühfremdsprachenkonzept eine halbe Generation Versuchskaninchen spielen
müssen. Der frühere Basler Erziehungsdirektor hatte vor einigen Jahren erklärt,
die Schulen verfügten über ein eigens «von Fachleuten aus der Schule und der Pädagogischen
Hochschule entwickeltes, sehr gutes Lehrmittel», weshalb man sich nicht von der
laufenden Kritik verunsichern lasse, sondern
auf die Schlussevaluation warte. Jetzt liegen die Resultate genau dieser in Aussicht
gestellten Evaluation vor.
Dass es
zehn Jahrgänge brauchte, um den Misserfolg zu akzeptieren, liegt in der
Verantwortung der beteiligten Politikerinnen und Politiker. Diese leben
bekanntlich in Vierjahreszyklen, müssen sie doch alle vier Jahre gewählt
werden. Das erklärt auch, weshalb Reformen als Erfolge verkauft werden, bevor
sie an der Basis als solche ausgewiesen sind – und dass Misserfolge vertuscht werden.
Für den politischen Erfolg ist oft der Schein wichtiger als die Realität.
Erstaunlich
ist, dass es am kommenden 24.November im Kanton Baselland einen Volksentscheid
braucht, um das Obligatorium der Passepartout-Lehrmittel «Mille feuilles»,
«Clin d’œil» und «NewWorld» fallen zu lassen.
Dabei
stört das Baselbiet noch immer den Gottesdienst der übrigen
Passepartout-Kantone. Mehrere Bildungsdirektionen haben noch immer ihre liebe
Mühe damit und vertrauen darauf, dass die Lehrmittel mit ein paar Ergänzungen
doch noch die erhofften Schulerfolge auslösen. Basel-Stadt etwa hat bisher stets
darauf hingewiesen, dass eine Kursänderung für den Frühfremdsprachenunterricht
nicht zur Debatte steht.
Ob
allerdings das im Baselbiet eingeleitete Konzept der Lehrmittelfreiheit im Fall
der Frühfremdsprachen zum Erfolg führt, ist auch nicht garantiert. Gescheitert
ist die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler vielleicht nicht nur wegen der
offensichtlich untauglichen Lehrmittel «Mille feuilles», «Clin d’œil» und
«NewWorld». Möglicherweise ist das gewählte Frühfremdsprachenkonzept
grundsätzlicher infrage zu stellen.
Heute
lernen die Schülerinnen und Schüler ab der dritten Klasse der Primarschule eine
erste Fremdsprache und ab der fünften Klasse eine zweite – und dies parallel
mit nur gerade zwei bis drei Wochenlektionen. Dass die Resultate nicht besser sind
als mit einem späteren oder gestaffelteren Beginn des Fremdsprachenunterrichts,
haben auch schon Studien belegt. Diese basierten allerdings nicht auf
flächendeckenden Erhebungen.
Eine 2017
in England publizierte und auf Erfahrungen in der Schweiz abgestützte wissenschaftliche
Untersuchung hat die These gestützt, dass sich der grosse Aufwand für den
frühen Spracherwerb nicht lohnt. Die Sprachwissenschaftler David Singleton und
Simone E.Pfenninger zeigen in diesen Untersuchungen auf, dass, wer später mit
dem Sprachunterricht beginnt, die Frühlernenden in kurzer Zeit einholt.
Pfenninger
ist in Basel als Kontrahentin des früheren Erziehungsdirektors und heutigen
Nationalrats Christoph Eymann bekannt.
Singleton
und Pfenninger stellen die These auf, dass, wer in der Schule später lernt,
fundierter und schneller lernt. Ausschlaggebend für erfolgreiche Kenntnisse
einer Fremdsprache – untersucht wurde Englisch – seien die Kenntnisse der
Erstsprache, die Motivation und die Intensität des schulischen
Sprachunterrichts.
Intensiv
sind zwei bis drei Wochenlektionen nicht. Und vor allem eine Voraussetzung
fehlt vielerorts: die Kenntnis der Erstsprache Deutsch.
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