Am
Montag stellte der Kantonsrat seine Lernplattform «The Lawmaker» vor. Sie
richtet sich an Schülerinnen und Schüler auf der Sekundarstufe, also
Jugendliche ab 12 Jahren. Anhand eines Flipperkastens sollen die Benutzer
lernen, wie ein Gesetz entsteht. Erklärt wird dabei unter anderem, was
Kommissionen und Fraktionen sind. Ob die Jugendlichen den Inhalt verstehen, ist
offen. Die Autoren von «The Lawmaker» erklären zum Beispiel den Ablauf einer
Motion mit dem Einleitungssatz: «Ein Ratsmitglied will den Regierungsrat
verpflichten, einen Entwurf beispielsweise für eine Gesetzesänderung
auszuarbeiten.» Es folgen 14 Schritte, die das Pingpong zwischen Kommission,
Kantonsrat und Regierung aufzeigen.
Kritik am neuen Lern-Tool des Kantonsrats wegen zu komplizierter Texte, Zürichsee-Zeitung, 9.11.
«Ganz
eigene Sprache»
«Ein
Parlament hat seine ganz eigene Sprache. Diese ist manchmal etwas sperrig,
gehört aber zu seiner DNA», sagt Christian Gyger, Mediensprecher der
Parlamentsdienste, auf Anfrage.
Eine
Analyse mit dem sogenannten Flesch-Grad, einem Lesbarkeitsindex, bestätigt
dieses Urteil. Anhand eines Algorithmus können Texte in «sehr leicht» bis «sehr
schwer» unterteilt werden. Massgebend für die Beurteilung sind unter anderem
die Satzlängen des Textes: Je kürzer ein Satz, desto leichter verständlich ist
er.
Gemäss
Flesch-Grad sind von 14 ausgewählten Texten des Lernspiels zwei «mittelschwer»
und neun «schwer» verständlich. Zwei Texte zu den Stichworten «Parlamentarische
Initiative» und «Interpellation» sind so geschrieben, dass sie gemäss
Flesch-Grad eigentlich nur von Akademikern verstanden werden.
Gyger
wehrt sich gegen diese Einschätzung. «Der Flesch-Grad betrachtet den Text für
sich allein, ohne die grafische Umgebung und die User-Experience der gesamten
Web-App zu berücksichtigen.» Das Resultat mittels Flesch-Grad sei deswegen
verzerrt dargestellt. Anderer Meinung ist die Juristin Nicola Pridik, die sich
auf Rechtskommunikation spezialisiert hat. Sie kreiert unter anderem
juristische Schaubilder, die komplizierte Abläufe einfach erklären sollen. «In
den Texten tauchen immer wieder Fachbegriffe auf, die nicht erklärt werden,
weil es dazu andere Texte gibt.»
Flipperkasten
hilft wenig
Das
Lernspiel setze voraus, dass man die anderen Texte bereits gelesen, verstanden
und den Inhalt parat habe. Der Flipperkasten helfe nur sehr eingeschränkt, die
Abläufe und Zusammenhänge im Einzelnen zu verstehen. Kann man komplexe Begriffe
wie «Motion» in einfacher Sprache überhaupt ausdrücken? «Ja, kann man», so
Pridik auf Anfrage. Dazu sei es aber manchmal erforderlich, die Inhalte zu
reduzieren, damit die Zielgruppe überhaupt etwas damit anfangen könne.
Diese
Kritik teilt auch der Verein «Einfache Sprache Schweiz». «Die Autoren hätten
die Fachbegriffe erklären müssen, entweder im Text oder durch ein Glossar», so
Vereinsgründer Peter Fischer. (sda)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen