Höchstens 16 Franken pro
Tag dürfen den Eltern von Schulkindern für die obligatorischen Lagerwochen in
Rechnung gestellt werden, gemäss Bundesgerichtsentscheid. Doch bis heute
bezahlen die Eltern der Kinder, die in Basel zur Schule gehen, zu viel. Bis im
vergangenen Jahr waren es bis zu 350 Franken für Skilager, ab diesem Jahr sind es
noch maximal 125 Franken. Das ist immer noch mehr als erlaubt. Die Eltern einer
Basler Sekundarschülerin haben beim Erziehungsdepartement reklamiert, nachdem
sie die Rechnung für ein Schullager bekommen hatten.
Basel-Stadt ignoriert Bundesgerichts-Urteil zu Schullagerkosten, BZ Basel, 21.11. von Oliver Spiess
Als die Tochter von Mirjam B.* eingeschult wird,
wartet sie auf die Einladung fürs Schullager. Dort liest sie genau das, was sie
erwartet hat. Das Lager kostet über 100 Franken. Laut einem
Bundesgerichtsentscheid aus dem Jahre 2017 dürften es aber höchstens 80 Franken
sein. Nach einem Hick-Hack mit der Lehrerin meldet sich plötzlich das
Erziehungsdepartement höchstpersönlich.
Der Grund dafür: B. wollte sich gegenüber der
Schule kooperativ zeigen und unterbreitete der Lehrerin in einer E-Mail einen
Vorschlag: «Da es uns nicht darum geht, Ihrer Schule Probleme zu machen, sind
wir auch gerne bereit, eine beschwerdefähige Verfügung betreffend dieser Kosten
vom Erziehungsdepartement entgegenzunehmen und diese Frage gerichtlich klären
zu lassen.» Zwei Wochen lang hört Frau B. nichts mehr. Dann erhält sie plötzlich
Antwort von ganz oben. Der Basler Volksschulleiter Dieter Baur meldet sich mit
der Bitte, Frau B. solle sich nicht gleich ans Gericht wenden. Nach Absprache
mit Erziehungsdirektor Conradin Cramer wolle er sie gerne zu einem persönlichen
Gespräch einladen. Dort solle erklärt werden, weshalb sich der Kanton dazu
entschlossen habe, gegen den bundesgerichtlichen Entscheid zu handeln.
Vermögende Familien, die
plötzlich zu Härtefällen werden
Während des Gesprächs gesteht Baur laut B. ein,
verfassungswidrig hohe Beträge einzuziehen. Die Begründung: Er glaube nicht,
dass der Grosse Rat ein höheres Budget gutheissen würde. Um Mirjam B. davon
abzuhalten, vor Gericht zu gehen, habe er ihr eine Rückerstattung der
überzogenen Lagerkosten angeboten. Frau B. liess sich darauf ein: «Baur wirkte
gleich erleichtert, als wir uns dazu bereit erklärten, das Geld anzunehmen,
statt vor Gericht zu gehen.»
Für die gesamte restliche Schulzeit der Tochter,
also für drei Jahre, sollte der Deal gelten. Der Volksschulleiter hingegen will
sich nur daran erinnern, die Abmachung für das Sommerlager 2019 abgeschlossen
zu haben. Ausserdem merkt er an, dass die Umstände in Basel besonders seien, da
minderbemittelte Eltern in Härtefällen sowieso Vergünstigungen gewährt bekämen.
Dies gelte auch für Familie B., deren Vergütung «aus dem Fonds der Schule im
Sinne eines oben erwähnten Härtefalles» bezahlt worden sei. Dass besagte
Familie aber keineswegs «minderbemittelt» ist, macht Mirjam B. schnell klar:
«Das ist Blödsinn. Wir besitzen ein Eigentumshaus.» Während unwissende Eltern
also weiterhin tiefer in die Tasche greifen müssen, wird eine vermögende
Familie durch Gelder aus dem Fonds für Schlechtergestellte unterstützt.
Laut Baur ist der Zustupf keineswegs zur Vermeidung
eines Gerichtsfalls erfolgt. Schliesslich sei B. gar nicht daran interessiert,
auf eine alle Eltern betreffende Problematik hinzuweisen. Vielmehr seien es
persönliche Anliegen gewesen. Die Kontaktaufnahme mit der bz hingegen legt
nahe, dass B.s Interesse durchaus ein umfassenderes ist: «Wir gehen davon aus,
dass vielen Eltern das Bundesgerichtsurteil nicht bewusst ist und sie deshalb
zu viel bezahlen.»
Gut gemeint, aber immer
noch nicht verfassungskonform
Seit dem Gerichtsentscheid 2017 passte der Kanton
die Gebühren immerhin ein wenig an. Statt der bisherigen bis zu 350 Franken pro
Woche «bezahlen die Eltern für alle Lager 25 Franken pro Tag, bei einem Lager
von Montag bis Freitag somit 125 Franken», so Baur. Ganz gesetzeskonform ist
die neue Regelung immer noch nicht. Laut Bundesgerichtsbeschluss dürfen den
Eltern lediglich diejenigen Kosten in Rechnung gestellt werden, die sie
aufgrund der Abwesenheit der Kinder einsparen, und darin sind ausschliesslich
die Kosten für die Verpflegung enthalten. Konkret rechnet das Gericht mit einer
Tagespauschale von maximal 16 Franken.
Verfassungskonforme Lagerbeträge dürften nun aber
auch für Familie B. der Vergangenheit angehören. Einige Minuten nach der
Kontaktaufnahme der bz mit Baur vermeldete Bäumlihof-Schulrektor Immanuel
Büttner der Familie B., dass die Zusatzleistungen ab sofort gestrichen seien.
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