Wir leben
in einer Zeit des «Sharings», in der Besitz und Konsum von Produkten und Gütern
zunehmend gemeinsam geteilt werden. Vom Auto über die Ferienwohnung bis hin zum
Büro. Hinter dem Slogan: «Teilen ist das neue Besitzen» versteckt sich ein
stiller kultureller Umdenkprozess. Ausgelöst worden ist dieser nicht zuletzt
durch die zunehmende Sorge über belastete und verschwindende Um- und Mitwelten.
Aber auch wegen der immer teureren Lebenskosten. Für immer mehr Menschen sind
das Anlässe, behutsamer und gemeinsamer mit Gütern des Alltags umzugehen. Wobei
das Wissen ein besonderes Gut ist: Es lässt sich mit Mitmenschen teilen, ohne
dabei kleiner zu werden!
Teilen ist keine Schweizer Stärke, BZ Basel, 20.11. von Hans Zbinden
Mit
Interesse verfolge ich diesen Wandel. Denn ich gehöre noch zu jener
Schülergeneration, bei der das gemeinsame Lernen und Teilen von Wissen im
Unterricht eher selten war. Meist argwöhnisch beobachtet von Lehrkräften und
Mitschülern. Bei schriftlichen Prüfungen schützten wir deshalb unsere
herausgefundenen Lösungen mit aufgeklappten Büchern vor den neugierigen Blicken
der Banknachbarn.
Heute ist
dieses Alleinseligwerden beim Lernen in Schulzimmern auf dem Rückzug. Dafür
sind gemeinsames Erkunden im Spiel und kollaboratives Lernen im Förderalltag
von Kleinkindern selbstverständlich geworden. Von den Kindertagesstätten bis
hinauf zur Grund- und Basisstufe der Primarschule. Neue Erkenntnisse der Lern- und
Entwicklungspsychologie haben diese Entwicklung begünstigt: Kleinkinder werden
weniger als defizitäre Wesen betrachtet. Sondern vermehrt als eigenwillige und
kreative kleine Forschende. Die gerne – allein oder mit andern Kindern zusammen
– neugierig und selbstaktiv ihre Umgebungen erkunden. Und dabei lernend neue
Erfahrungen sammeln. Deshalb gehören partnerschaftliches Lernen oder
konstruktives Zusammenarbeiten
in Kleingruppen zum gängigen didaktischen Repertoire des heutigen Förder- und
Lehrpersonals.
Kooperatives
Teilen von Wissen verbreitet sich aber auch immer mehr auf der Stufe der
einzelnen Schulen als Organisationen. In einer sich ständig wandelnden analogen
und digitalen Mitwelt müssen sich auch Schulen als Organisationen dauernd
wandeln und verbessern. Dabei dienen ihnen oft Modelle anderer Schulen als
Beispiele. In den verschiedensten Bereichen des schulischen Alltags – von der
Hausaufgabengestaltung über die Schulsozialarbeit bis hin zum Verfassen von
Schulkulturen. Im Austausch bereichern sie ständig ihr kollektives
Expertenwissen. Dabei dient die institutionalisierte Lernkultur in der Art
einer «best practice» ihrer permanenten eigenen Organisationsentwicklung.
Deshalb machen immer häufiger auch übergeordnete kantonale Amtsstellen und
Fachorganisationen regelmässig Schulbehörden, Schulleitende
und
Lehrkräfte von Gemeinden auf beispielhafte Innovationen aufmerksam. Sie stellen
Plattformen für Begegnungs-, Förder- und Innovationsprojekte zwischen Schulen
zur Verfügung. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung ist die Zusammenarbeit
unterschiedlich bemittelter Schulen und Gemeinden wichtig geworden. Denn zu
ungleich verteilt sind heute die vorhandenen Tablet- und Notebookschulen
schweizweit.
Leider
ist diese Einsicht des Austauschs und des Teilens noch nicht zu den führenden
Köpfen im Bildungswesen vorgedrungen. Der konkurrenzierende
Standortföderalismus bremst das Entstehen und Gedeihen eines teilenden
Lernföderalismus. Augenfällig illustriert uns das die jüngst von Bund und
Kantonen gemeinsam in Solothurn errichtete schweizerische Agentur «Movetia» für
Austausch und Mobilität. Als Förder- und Ermöglichungsplattform verhilft sie
Schülern, Berufslernenden und Studierenden zu Austauschmöglichkeiten in In- und
Ausland. Das ist zwar durchaus erfreulich!
Doch
warum hat man diese Gelegenheit nicht gerade genutzt, um auch den Austausch von
Innovationen und Modellen in Unterricht, Schulen und Bildungsinstitutionen
landesweit zu fördern? Im Zeitalter des Internets läge es doch auf der Hand,
durch eine Institution beispielhafte Unterrichtsund Schulinnovationen
flächendeckend verbreiten zu lassen! Und dabei wäre, en passant, die heutige
«Movetia» ohne grossen Zusatzaufwand zur schulischen «Innovetia» aufgewertet
worden!
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