Wenn Sie eine Liste der unbeliebtesten Schulfächer erstellen müssten,
Französisch würde sicher auf dem unrühmlichen ersten Platz landen. Auch als
Lehrer muss ich gestehen: Mein eigener Franzunterricht in den 80er-Jahren glich
einer Kakofonie aus debilen Dialogen («Allô, allô, c’est toi, Simone?»), die
ich zwar brav auswendig lernte, aber nur ansatzweise verstand. Dafür kann ich
(wie die ganze «On y va»-Generation auch) diese vermeintlichen Alltagsdialoge
heute noch aufsagen, als wäre es das Vaterunser. Ja, René, Simone und François
waren trotz allem unsere heimlichen Stars aus dem «Welschland». Am Ende der
Schulzeit konnte ich aber bloss ein paar Worte auf Französisch stottern, die
nur für einen lausigen Party-Gag taugten.
Au revoir, Franzlektionen?!?, Tages Anzeiger Mamablog, 11.10. von Patrick Hersicky
Englisch dagegen, das wir notabene nur im letzten Schuljahr hatten,
öffnete mir die sprachlichen Tore dieser Welt. Alles war plötzlich so
easy: Keine Zungenbrecher und keine Buchstaben, die man nicht aussprechen
durfte. Nach nur einem Jahr Englisch konnte ich im Spanienurlaub bereits
mit minimalen Sprachkenntnissen einen einfachen Flirt bewältigen. Die
französische Frauenwelt blieb mir dagegen verschlossen.
Widerstand von allen Seiten
30 Jahre später bin ich nun selber Franzlehrer und stelle fest: Die
latente Frankophobie hat sich wacker gehalten. Sie ist inzwischen auch bei den
Eltern – 30 Jahre «On y va» haben Spuren hinterlassen – angekommen. Ich
behaupte sogar: Die Abneigung gegenüber der zweiten Landessprache hat
zugenommen.
Der Lehrplan 21 – mit mehr Naturwissenschaften und Informatik auf dem
Stundenplan – bedrängt das Französisch massiv. Auf der Zürcher Oberstufe gibt
es nur noch drei statt vier Wochenlektionen Französisch. Gewiss, diese
Lektionen sind nicht gestrichen worden, aber man hat sie auf die Primarstufe
verlegt. Bei allem Respekt, aber die französischen Vorkenntnisse meiner
Sekundarschüler waren schon vorher eher bescheiden. Die Primarschüler hatten
bereits vor dem Lehrplan 21 zwei Jahre lang zwei Wochenlektionen
Franzunterricht. Verstehen Sie mich richtig: Schuld an dieser Misere sind nicht
die Primarlehrpersonen. Ich frage aber: Ist frühes Fremdsprachenlernen wirklich
sinnvoll? Nein, denn man hat nur falsche Erwartungen geweckt. Tatsächlich
sollen die Primarschüler nämlich nicht unbedingt die Sprache erlernen, sondern
ein Gefühl dafür entwickeln. Damit hat man aber vielleicht mehr Ressentiments
gegenüber diesem Fach geschürt. Und mit Verlaub: Mit Emotionen lernen die
wenigsten eine Fremdsprache – sieht man von den Verliebten dieser Welt ab.
Ich will meine Franzlektionen zurück!
Sehr bedenklich ist zudem, dass die jetzigen Sekundarschüler im ersten
Jahr wegen der nicht zeitgleichen Umstellung des Lehrplans 21 rund 200
Lektionen weniger Französisch haben. Zum Vergleich: Das ist mehr als ein ganzes
Jahr Franzunterricht. Solange jedoch Französisch an den Mittelschulen noch
geprüft wird, hat es einen gewissen Stellenwert. Doch auch an dieser
bildungspolitischen Front bröckelt es: Ab 2021 wird Französisch an der
Gymiprüfung nicht mehr geprüft. Dann zählen zwar wieder die Vornoten der Sekundarschule,
aber Französisch versinkt mit einem Anteil von 8 Prozent in der
Bedeutungslosigkeit. Übrigens: Die Verhaltenskreuze, also Pünktlichkeit und
Konzentration, haben neben anderen Fächern die gleiche Wertung in der Vornote.
Klammheimlich verschwindet da ein Fach in den pädagogischen Niederungen
des Schulalltags – und keinen kümmerts. Als engagierter Franzlehrer bin ich
aber besorgt und fordere deshalb: Ich will meine Franzlektionen zurück. Bis die
lethargische Bildungsbürokratie aber reagiert, bleibt mir wohl nur eines:
tagtäglich meine Schüler zu dieser wunderschönen Sprache zu motivieren.
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