Gerade
mal vierjährig sind die Jüngsten, wenn sie in den Kindergarten kommen. Mit der
Harmonisierung des Schweizer Bildungssystems Harmos wurde der Stichtag vom 30.
April auf den 31. Juli verschoben: Entscheidende Monate, sagen viele Lehrer. In
diesem Alter entwickeln sich die Kinder schnell. Entsprechend hat die Zahl
derjenigen Kinder zugenommen, die nicht kindergarten- beziehungsweise schulreif
sind.
Eltern sollen über Schuleintritt entscheiden, BZ Basel, 27.9. von Leif Simonsen
Dieses Problem will die CVP Basel-Stadt angehen. In einem Positionspapier
zu den «dringenden Fragen in der Basler Bildungspolitik», das der bz vorliegt,
fordern die Christdemokraten eine flexible Einschulung. «Der frühe Kindergartenstart
ist für einige Kinder eine Chance, für andere, die den notwendigen
Entwicklungsstand noch nicht erreicht haben, eine Überforderung», ist dem
Papier zu entnehmen. Die CVP fordert deshalb, dass die Eltern entscheiden
dürfen, das Kind ein Jahr später in den Kindergarten oder in die Primarschule
zu schicken – ohne ärztliche oder schulpsychologische Abklärungen.
CVP-Bildungspolitiker Oswald Inglin sagt: «Wenn heute ein Kind später
eingeschult werden soll, dann gibt es sehr viele Hürden und die Schulleitung
hat das letzte Wort. Dabei sind es die Eltern, die am besten entscheiden
können.» Der Grossrat wird zwei Vorstösse einreichen, in denen er den flexiblen
Kindergarteneintritt beziehungsweise den flexiblen Schuleintritt
fordert. Die Eltern sollen das Sagen haben, ob ihre Kinder
reif genug sind. Auf Kindergartenniveau sei die elterliche Entscheidungshoheit
in den Kantonen Aargau, Solothurn und Bern bereits in Kraft, heisst es im
Vorstoss – die Erfahrungen zeigten, dass rund zehn Prozent der Eltern davon
Gebrauch machten, ihre Kinder ein Jahr später in den Chindsgi zu schicken. Über
den verzögerten Eintritt in die Primarschule soll dann frei entschieden werden,
wenn das Kind nicht schon ein Jahr zu spät in den Kindergarten geschickt wurde.
In diesem Fall «soll der verzögerte Übertritt in die Primarschule auf Antrag
der Eltern von der Volksschulleitung verfügt werden», schreibt Inglin.
Unklar
ist, ob die Motion im Grossen Rat eine Mehrheit erlangen wird. Ein Indiz zur Mehrheitsfähigkeit
des Anliegens lieferte jüngst aber der Baselbieter Landrat: Er überwies einen
CVP-Vorstoss mit dem gleichen Anliegen deutlich.
Erziehungsdepartement sieht
Vor- und Nachteile
Dienlich ist gewiss auch, dass die Basler Lehrer hinter
einer «moderaten Flexibilisierung beim Schuleintrittsalter» stehen, wie
Gewerkschafter JeanMichel Héritier sagt. Der Präsident der Freiwilligen
Schulsynode sagt: «In zahlreichen anderen Kantonen können die
Erziehungsberechtigten über die Bereitschaft ihres Kindes beim
Kindergarteneintritt mitentscheiden. Eine diesbezügliche Anpassung in
Basel-Stadt bietet die Chance, dass mehrere junge Schülerinnen und Schüler in
der sensiblen und wegweisenden Schuleingangsphase künftig weniger überfordert
wären.» Der Kanton BaselStadt stellt sich auf den Standpunkt, dass die Eltern
schon heute ein Mitsprache- und Anhörungsrecht hätten. Zu einer Praxisänderung
im Sinne der CVP sagt Valérie Rhein, Sprecherin des Erziehungsdepartements:
«Das müsste in der Volksschulleitung zuerst analysiert und diskutiert werden –
es gibt Gründe, die dafür und Gründe, die dagegen sprechen. Die entsprechende
Diskussion ist im Gange, aber erst in den Anfängen.»
Möglicherweise wird die
Volksschulleitung letztlich aber gar nichts zu sagen haben: Wenn nämlich der
Grosse Rat die Vorstösse von Oswald Inglin überweist.
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