Ein Drittel aller Primarschüler spricht
laut einem Bericht der «SonntagsZeitung» kein Deutsch zu Hause. Wie gross ist das
Problem?
Es ist nicht überall gleich gross. Im städtischen Umfeld tritt das
Problem verschärfter auf als in ländlichen Gebieten. Die vorschulische
Ausbildung in der Schule wurde bisher vernachlässigt. Das zeigt sich jetzt, da
die Einwohnerzahl und der Ausländeranteil in der Schweiz weiter wachsen. Das
spürt die Schule.
Es braucht ein schweizweites Obligatorium für eine Frühförderung, Basler Zeitung, 19.8. von Philipp Loser
Was also tun?
Der Verband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) fordert schon lange mehr
Unterstützung bei Kindern, die über wenige oder keine Deutschkenntnisse
verfügen oder sozial vernachlässigt sind. Bereits 2013 hat der LCH dazu ein
Positionspapier veröffentlicht. Das Basler Projekt hat Vorbildcharakter.
Kinder, die zu Hause kein Deutsch sprechen, werden vor dem Kindergartenerfasst
und ihre Sprachkenntnisse spielerisch verbessert.
Im Moment entscheidet jeder Kanton selber,
wie er Kinder sprachlich fördert. Und das ist ein Teil des Problems. In
der Frühförderung funktioniert der Föderalismus nur bedingt. Immer mehr Kantone
merken, dass sie etwas unternehmen müssen, und dann beginnen oft die
Schwierigkeiten. An vielen Orten ist nicht klar, ob das eine Aufgabe der
Gemeinde oder des Kantons ist, man redet zu wenig oder gar nicht miteinander.
Darum muss der Bund den Lead übernehmen. Es braucht ein schweizweites
Obligatorium für eine Frühförderung analog dem Basler Modell, das sehr gute
Resultate erzielt.
Soll der Staat Kinder schon ab dem Jahre
0 vermessen?
Es geht nicht darum, «Staatskinder» zu schaffen. Es brauchen ja nicht
alle Unterstützung, und nicht jedes Kind soll mit einem halben Jahr in die
Tagesstätte. Wir müssen jedoch jene Kinder erreichen, die nicht die Möglichkeit
haben, sich richtig auf unser Bildungssystem vorzubereiten. Je früher man bei
Kindern investiert, die sozial vernachlässigt sind oder kein Deutsch sprechen, desto mehr
spart man später. Natürlich gibt es auf Primarstufe die Möglichkeit, Kinder heilpädagogisch
zu unterstützen oder sie in DAZ-Lektionen (Deutsch als
Zweitsprache) zu schicken. Doch dann ist es oft schon zu spät, und die
Lücken können nicht mehr geschlossen werden.
Pünktlich zum Schulbeginn fordern die Zürcher
Lehrer erneut kleinere Klassen. Sie wollen die Richtgrösse von 25 auf 20 senken.
Macht das Sinn?
Das macht aus mehreren Gründen Sinn. Seit wir integrative Klassen haben,
und mit der Zunahme von fremdsprachigen Schülern, ist die Spannweite in den einzelnen
Klassen viel grösser geworden. Das heisst übersetzt: Lehrerinnen und Lehrer
brauchen mehr Zeit für den einzelnen Schüler– und können darum bei den
aktuellen Klassengrössen unmöglich allen Kindern gerecht werden. Nur weil die
Klassen kleiner werden, arbeiten wir Lehrerinnen ja nicht weniger. Aber in kleineren
Klassenhaben wir mehr Zeit für die einzelne Schülerin und den einzelnen
Schüler.
Der Vorschlag würde bedeuten, dass es im
Kanton Zürich 1000 zusätzliche Lehrer in 900 zusätzlichen Klassen brauchen
würde.
Der Bildungsbericht sagt klar voraus, dass in den nächsten zehn Jahren die
Zahl der Schüler in der Schweiz um über100000 ansteigen wird, da geburtenstarke
Jahrgänge in die Schule kommen. Dazu braucht es mehr Lehrpersonen und Schulräume.
Integrative Arbeit in der Schule braucht zusätzliche Lehrpersonen, da diese Arbeit
nur im Teamgeleistet werden kann. Ich finde, der Gewinn an Unterrichtsqualität
für die einzelnen Kinder sollte uns diese Investition wert sein.
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