19. August 2019

Rösler fordert mehr vorschulische Ausbildung


Ein Drittel aller Primarschüler spricht laut einem Bericht der «SonntagsZeitung» kein Deutsch zu Hause. Wie gross ist das Problem?
Es ist nicht überall gleich gross. Im städtischen Umfeld tritt das Problem verschärfter auf als in ländlichen Gebieten. Die vorschulische Ausbildung in der Schule wurde bisher vernachlässigt. Das zeigt sich jetzt, da die Einwohnerzahl und der Ausländeranteil in der Schweiz weiter wachsen. Das spürt die Schule.
Es braucht ein schweizweites Obligatorium für eine Frühförderung, Basler Zeitung, 19.8. von Philipp Loser



Was also tun?
Der Verband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) fordert schon lange mehr Unterstützung bei Kindern, die über wenige oder keine Deutschkenntnisse verfügen oder sozial vernachlässigt sind. Bereits 2013 hat der LCH dazu ein Positionspapier veröffentlicht. Das Basler Projekt hat Vorbildcharakter. Kinder, die zu Hause kein Deutsch sprechen, werden vor dem Kindergartenerfasst und ihre Sprachkenntnisse spielerisch verbessert.

Im Moment entscheidet jeder Kanton selber, wie er Kinder sprachlich fördert. Und das ist ein Teil des Problems. In der Frühförderung funktioniert der Föderalismus nur bedingt. Immer mehr Kantone merken, dass sie etwas unternehmen müssen, und dann beginnen oft die Schwierigkeiten. An vielen Orten ist nicht klar, ob das eine Aufgabe der Gemeinde oder des Kantons ist, man redet zu wenig oder gar nicht miteinander. Darum muss der Bund den Lead übernehmen. Es braucht ein schweizweites Obligatorium für eine Frühförderung analog dem Basler Modell, das sehr gute Resultate erzielt.

Soll der Staat Kinder schon ab dem Jahre 0 vermessen? 
Es geht nicht darum, «Staatskinder» zu schaffen. Es brauchen ja nicht alle Unterstützung, und nicht jedes Kind soll mit einem halben Jahr in die Tagesstätte. Wir müssen jedoch jene Kinder erreichen, die nicht die Möglichkeit haben, sich richtig auf unser Bildungssystem vorzubereiten. Je früher man bei Kindern investiert, die sozial vernachlässigt sind oder kein Deutsch sprechen, desto mehr spart man später. Natürlich gibt es auf Primarstufe die Möglichkeit, Kinder heilpädagogisch zu unterstützen oder sie in DAZ-Lektionen (Deutsch als
Zweitsprache) zu schicken. Doch dann ist es oft schon zu spät, und die Lücken können nicht mehr geschlossen werden.

Pünktlich zum Schulbeginn fordern die Zürcher Lehrer erneut kleinere Klassen. Sie wollen die Richtgrösse von 25 auf 20 senken. Macht das Sinn?
Das macht aus mehreren Gründen Sinn. Seit wir integrative Klassen haben, und mit der Zunahme von fremdsprachigen Schülern, ist die Spannweite in den einzelnen Klassen viel grösser geworden. Das heisst übersetzt: Lehrerinnen und Lehrer brauchen mehr Zeit für den einzelnen Schüler– und können darum bei den aktuellen Klassengrössen unmöglich allen Kindern gerecht werden. Nur weil die Klassen kleiner werden, arbeiten wir Lehrerinnen ja nicht weniger. Aber in kleineren Klassenhaben wir mehr Zeit für die einzelne Schülerin und den einzelnen Schüler.

Der Vorschlag würde bedeuten, dass es im Kanton Zürich 1000 zusätzliche Lehrer in 900 zusätzlichen Klassen brauchen würde.
Der Bildungsbericht sagt klar voraus, dass in den nächsten zehn Jahren die Zahl der Schüler in der Schweiz um über100000 ansteigen wird, da geburtenstarke Jahrgänge in die Schule kommen. Dazu braucht es mehr Lehrpersonen und Schulräume. Integrative Arbeit in der Schule braucht zusätzliche Lehrpersonen, da diese Arbeit nur im Teamgeleistet werden kann. Ich finde, der Gewinn an Unterrichtsqualität für die einzelnen Kinder sollte uns diese Investition wert sein.



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