2011 hat der Kanton Solothurn die Sek-Stufe komplett neu aufgestellt.
Beim Lehrerverband ist man mit der Reform noch immer nicht zu 100 Prozent
zufrieden. Und der Gewerbeverband trifft auf Eltern und Lehrbetriebe, die die
Schüler falsch einschätzen.
«Die Sek E verfügt heute nicht mehr über das gleiche Niveau wie früher die
Bez», kritisiert der höchste Solothurner Lehrer. Dies habe Folgen für die
Berufswahl: «Ein sehr guter ehemaliger Bez-Schüler ist jetzt eher in der Sek P
und überlegt sich den Gang ans Gymnasium. Früher hätte er sich nach der Bez
vielleicht als Polymech beworben".
Mit der 2011 eingeführten Reform wurde die Oberstufe neu gestaltet: Statt Bez, Sek,
Oberschule, Werkklasse und Untergymnasium gab es neu nur noch drei Stufen: die
Sek B, die Sek E (beide dreijährig) und die zweijährige Sek P, die auf den
gymnasialen Weg vorbereiten soll. Gerade bei der Sek P ortet Stricker bis heute
gewisse konzeptionelle Probleme. Mit der fixen gymnasialen Ausrichtung und mit
zwei Jahren Dauer sei sie eine kurze Zeit, um zu entscheiden, ob jemand ans
Gymnasium oder doch in einen Beruf einsteigen möchte. Tatsächlich entscheiden
sich am Ende der zweijährigen Sek P rund 90 Prozent der Schüler fürs Gymnasium.
Lediglich zehn Prozent wechseln in die Sek E.
Änderungen
sollen nun Verbesserungen bringen
Stricker betont, dass inzwischen vom Kanton
gewisse Justierungen vorgenommen worden seien, deren Ergebnis man abwarten
müsse. So gibt es zur Unterstützung einer allfälligen Berufswahl freiwillige
Kurse in der Sek P. Mit einem gewissen Schnitt können Schüler aus der dritten
Sek E prüfungsfrei ins Gymnasium wechseln, und in der Sek E gibt es im Rahmen
der Wahlpflichtfächer einen speziellen Unterricht, der auf die Mittelschule
vorbereitet. «Wir müssen 2020 schauen, ob sich dies bewährt. Vielleicht muss
man das ganze Konstrukt Sek P nochmals anschauen.»
Falsche
Vorstellungen bei Eltern und Betrieben
Auch Thomas Jenni ist nicht immer ganz
glücklich mit den Folgen der Sek-Reform. Der Günsberger ist beim Gewerbeverband
für die Berufsbildung zuständig. Wie die Sek-Stufen funktionieren, sei noch
immer nicht bis zu allen Eltern oder Lehrbetrieben durchgedrungen, erklärt
Jenni. «Man weiss zum Teil noch nicht wie mit der Reform umgehen.» So sei es
bis heute nicht gelungen, die Sek E für gute Schüler als Alternative zur Sek P
zu positionieren. Hartnäckig halte sich bei Eltern und breiten Teilen der
Bevölkerung die Vorstellung, dass die Sek P «die beste» der drei Abteilungen
sei. Dabei, so Jenni, gebe es keinen Königsweg. Es müsse schlicht darum gehen,
den besten Weg für jedes einzelne Kind zu finden und aufzuzeigen, mit welchem System
Schülerinnen und Schüler welche Möglichkeiten hätten. So habe, wer eine Lehre
abschliesst und eine Berufsmatur macht, unter Umständen fast die bessere
Perspektive auf dem Arbeitsmarkt als jemand, der das Gymnasium besucht.
Dass die Sek P von Eltern bevorzugt werde, hat auch Andreas Walter vom Volksschulamt festgestellt. Dies habe aber damit zu tun, dass in der Schweiz «die Attraktivität des berufsbildenden Wegs insgesamt abgenommen» habe. «Für viele Eltern ist deshalb der direkte Zugang zum Gymi für ihre Kinder eine wichtige Option.» Walter hält aber fest: «Der Kanton hat mit der Sek-I-Reform die Struktur geschaffen, diesem Trend entgegenzuwirken. Die Gespräche im Rahmen des veränderten Übertrittsverfahrens zeigen eine gewisse Wirkung, können aber nicht Gegensteuer zu gesellschaftlichen Trends geben.»
Kanton zieht insgesamt ein positives Fazit zur Reform
Nicht nur bei der Sek P, auch am anderen Ende der Skala ist Thomas Jenni vom Gewerbeverband auf falsche Vorstellungen gestossen. So ist ihm aufgefallen, dass Betriebe teils nicht Sek-B-Schüler rekrutieren möchten, weil sie Angst haben, diese würden den Ansprüchen nicht genügen. Eltern und Betriebe hätten das Gefühl, die Sek B entspreche der früheren Oberschule. Dabei sei die Spannweite der Sek B viel breiter – und viele Schüler könnten eine Lehre EFZ problemlos abschliessen.
«Absolut» überzeugt, dass Sek-B-Schüler
unterschätzt werden, ist auch Andreas Walter, Chef des kantonalen
Volksschulamtes. Man arbeite «intensiv» mit den Beteiligten daran, diese
Einschätzung zu ändern.
So skeptisch wie bei einigen Lehrern ist
man im kantonalen Bildungsdepartement nicht. «Insgesamt hat sich das neue
System bewährt und es entfaltet die beabsichtigte Wirkung», blickt Andreas
Walter, Chef des Volksschulamtes, auf die Sek-Reform. So hätten komplizierte
Strukturen vereinfacht werden können und die Vorbereitungen auf die berufliche
Ausbildung verbessert werden können. Ob es tatsächlich eine Nivellierung nach
unten gegeben habe, sei zudem schwierig einzuschätzen, so Walter.
Und eine Reform der Reform? Diese ist nicht
vorgesehen. Aber, so Walter: Die Schule passe sich laufend den Bedürfnissen der
Gesellschaft an. «Es ist deshalb nur logisch, dass sich auch die Sek I
dynamisch weiterentwickeln wird.»
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