16. August 2019

Romanisch braucht verstärkte Zusammenarbeit


Im Bündnerland studiere und lehre, das isch wie flattere inere Volière», meinte die Kabarettistin Patti Basler. Bunte Vögel, und jeder sehe sein Tal als Nabel und rede so wie ihm wachse ... der Schnabel. Die Slam-Poetin – bekannt vor allem aus der SRF-Polit-Sendung «Arena» – hat gestern für die Auflockerung im sonst doch recht trockenen Programmblock «Scola e furmaziun» gesorgt. In acht Kurzvorträgen wurde das für die Rumantschia existenzielle Thema beleuchtet. Mit dem Resultat, dass die gleichen Problematiken und Herausforderungen immer wieder erwähnt wurden, dies aber aus verschiedenen Perspektiven.
Kräfte bündeln für die romanische Schule, Südostschweiz, 16.8. von Fadrina Hofmann


Nicht jeder kehrt zurück
Wie sieht die romanische Bildungslandschaft aus und wie sollte sie sich weiterentwickeln? In der Rumantschia gibt es laut Moderator Otmar Seiler 29 romanische und sieben zweisprachige Schulen. Obwohl die Schulen verschiedene Modelle haben und in unterschiedlichen Idiomen oder Rumantsch Grischun unterrichtet wird, kämpfen die meisten von ihnen mit den gleichen Problemen: Schülerschwund, Lehrermangel, fehlende Lehrmittel, zu wenig Finanzen, Abwanderung.

Letzteres ist vor allem bei den Absolventen der Pädagogischen Hochschule Graubünden zu beobachten. Die Stellenangebote in der Deutschschweiz sind für romanische Lehrer attraktiv, und nicht jeder kehrt nach ein paar Jahren doch wieder in die Heimat zurück. Dabei meinte auch Rektor Gian-Paolo Curcio: «Lehrer tradieren die Kultur unserer Gesellschaft und sind wichtig für die folgenden Generationen.» Sandra Locher-Benguerel, Präsidentin Lehrpersonen Graubünden (Legr), benutzte noch deutlichere Worte in Bezug auf den Fachkräftemangel: «Schwindet die Sprachkompetenz bei Lehrpersonen, hat dies einen qualitativen Einfluss auf die Sprachkompetenz der Schüler.» Die Schule sei die Basis für die Sprachkompetenz künftiger Generationen.

Kulturelle Identität vs. Kosten
Laut Alexi Nay, Vize-Leiter des kantonalen Schulinspektorats, ist die Schule nach der Familie die zweitwichtigste Stütze für den Erhalt der Sprache. Die romanische Schule befinde sich in einer Umbruchphase, beeinflusst durch den Lehrplan 21, die Gemeindefusionen, die Digitalisierung und den Schülerschwund. «Neue Lehrmittel zu schaffen ist eine grosse Herausforderung, sowohl finanziell als auch was geeignete Fachpersonen betrifft. Es braucht die Vereinigung aller romanischen Kräfte, um diese Herausforderung zu meistern», meinte Nay.

Etwas kritischere Töne kamen von Gaby Ulber, Mitglied des Schulbehördenverbands Graubünden. Sie meinte, der Unterricht auf Romanisch sollte in allen «emotionalen und kreativen» Fächern durchgeführt werden, während bei technischen Fächern mit Fachbegriffen «der Umweg über das Romanische keinen Sinn» mache. Bildung verursache hohe Kosten, und auch in der Sprachenfrage dürfe man kritisch hinterfragen, wie gross der Aufwand für eine kleine Minderheit sein dürfe.

Zweisprachige Maturität in Zuoz
Christoph Wittmer, Rektor des Lyceum Alpinum Zuoz, hingegen schlug vor, gemeinsam mit den Kräften von Politik und Wirtschaft das Romanische im Bildungsbereich zu stärken. Er kündigte sogar an, auf das nächste Schuljahr hin in Zuoz die zweisprachige Maturität Deutsch/Romanisch einführen zu wollen. Einen pragmatischen Ansatz verfolgt die Gewerbeschule Samedan. Laut Rektor George Voneschen gibt es keine Romanischstunde, doch im Unterricht selber wird die Muttersprache je nach Aufgabe und Klassenkonstellation aktiv gebraucht. «Das funktioniert aber nur, wenn die Lehrer Romanisch können», betonte Voneschen. In Samedan sprechen 21 von 31 Lehrern Romanisch – ein Glücksfall.
Gemäss Silvio Dietrich vom Verband Schulleiterinnen und Schulleiter Graubünden ist es nicht einfach, romanische Schulleiter zu finden. Er zeigte sich überzeugt: «Es lohnt sich, in die Schuldirektion zu investieren.» Attraktivere Anstellungsbedingungen und neue Arbeitsmodelle brauche es in Zukunft, um konkurrenzfähig zu sein, meinten die Podiumsteilnehmer zum Fachkräfteproblem.

Einen neuen Blickwinkel brachte Jürg Michel, Direktor des Bündner Gewerbeverbands, ins Spiel. «Randregionen müssen sich mit neuen Modellen für die Arbeitswelt beschäftigen», sagte er. Wer das Romanische fördern wolle, müsse die Wirtschaft in den Randregionen, zu denen die romanischen Täler gehörten, fördern. Mehr Innovation sei dringend nötig, um das Ausbluten der Peripherie zu stoppen. «Sonst muss man sich die Frage nach dem Romanischen bald auch nicht mehr stellen.»

Einen kreativen Vorschlag zum Erhalt der romanischen Schulen hätte übrigens Patti Basler, die erneut mit Beispielen aus der Vogelwelt die Veranstaltung schloss: «D’Singvögel singend, d’Tube tubend und d’Bündner Vögel ... (Pause. Gelächter.) ... söttend halt meh völlig uneigenützig ihre Art erhalte.»


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