Im Bündnerland studiere und lehre, das isch wie flattere inere Volière»,
meinte die Kabarettistin Patti Basler. Bunte Vögel, und jeder sehe sein Tal als
Nabel und rede so wie ihm wachse ... der Schnabel. Die Slam-Poetin – bekannt
vor allem aus der SRF-Polit-Sendung «Arena» – hat gestern für die Auflockerung
im sonst doch recht trockenen Programmblock «Scola e furmaziun» gesorgt. In
acht Kurzvorträgen wurde das für die Rumantschia existenzielle Thema
beleuchtet. Mit dem Resultat, dass die gleichen Problematiken und
Herausforderungen immer wieder erwähnt wurden, dies aber aus verschiedenen
Perspektiven.
Kräfte bündeln für die romanische Schule, Südostschweiz, 16.8. von Fadrina Hofmann
Nicht jeder kehrt zurück
Wie sieht die romanische Bildungslandschaft aus und wie sollte sie sich
weiterentwickeln? In der Rumantschia gibt es laut Moderator Otmar Seiler 29
romanische und sieben zweisprachige Schulen. Obwohl die Schulen verschiedene
Modelle haben und in unterschiedlichen Idiomen oder Rumantsch Grischun
unterrichtet wird, kämpfen die meisten von ihnen mit den gleichen Problemen:
Schülerschwund, Lehrermangel, fehlende Lehrmittel, zu wenig Finanzen,
Abwanderung.
Letzteres ist vor allem bei den Absolventen der Pädagogischen Hochschule
Graubünden zu beobachten. Die Stellenangebote in der Deutschschweiz sind für
romanische Lehrer attraktiv, und nicht jeder kehrt nach ein paar Jahren doch
wieder in die Heimat zurück. Dabei meinte auch Rektor Gian-Paolo Curcio:
«Lehrer tradieren die Kultur unserer Gesellschaft und sind wichtig für die
folgenden Generationen.» Sandra Locher-Benguerel, Präsidentin Lehrpersonen
Graubünden (Legr), benutzte noch deutlichere Worte in Bezug auf den
Fachkräftemangel: «Schwindet die Sprachkompetenz bei Lehrpersonen, hat dies
einen qualitativen Einfluss auf die Sprachkompetenz der Schüler.» Die Schule
sei die Basis für die Sprachkompetenz künftiger Generationen.
Kulturelle Identität vs. Kosten
Laut Alexi Nay, Vize-Leiter des kantonalen Schulinspektorats, ist die
Schule nach der Familie die zweitwichtigste Stütze für den Erhalt der Sprache.
Die romanische Schule befinde sich in einer Umbruchphase, beeinflusst durch den
Lehrplan 21, die Gemeindefusionen, die Digitalisierung und den Schülerschwund.
«Neue Lehrmittel zu schaffen ist eine grosse Herausforderung, sowohl finanziell
als auch was geeignete Fachpersonen betrifft. Es braucht die Vereinigung aller
romanischen Kräfte, um diese Herausforderung zu meistern», meinte Nay.
Etwas kritischere Töne kamen von Gaby Ulber, Mitglied des
Schulbehördenverbands Graubünden. Sie meinte, der Unterricht auf Romanisch
sollte in allen «emotionalen und kreativen» Fächern durchgeführt werden,
während bei technischen Fächern mit Fachbegriffen «der Umweg über das
Romanische keinen Sinn» mache. Bildung verursache hohe Kosten, und auch in der
Sprachenfrage dürfe man kritisch hinterfragen, wie gross der Aufwand für eine
kleine Minderheit sein dürfe.
Zweisprachige Maturität in Zuoz
Christoph Wittmer, Rektor des Lyceum Alpinum Zuoz, hingegen schlug vor,
gemeinsam mit den Kräften von Politik und Wirtschaft das Romanische im
Bildungsbereich zu stärken. Er kündigte sogar an, auf das nächste Schuljahr hin
in Zuoz die zweisprachige Maturität Deutsch/Romanisch einführen zu wollen.
Einen pragmatischen Ansatz verfolgt die Gewerbeschule Samedan. Laut Rektor
George Voneschen gibt es keine Romanischstunde, doch im Unterricht selber wird
die Muttersprache je nach Aufgabe und Klassenkonstellation aktiv gebraucht.
«Das funktioniert aber nur, wenn die Lehrer Romanisch können», betonte
Voneschen. In Samedan sprechen 21 von 31 Lehrern Romanisch – ein Glücksfall.
Gemäss Silvio Dietrich vom Verband Schulleiterinnen und Schulleiter
Graubünden ist es nicht einfach, romanische Schulleiter zu finden. Er zeigte
sich überzeugt: «Es lohnt sich, in die Schuldirektion zu investieren.»
Attraktivere Anstellungsbedingungen und neue Arbeitsmodelle brauche es in
Zukunft, um konkurrenzfähig zu sein, meinten die Podiumsteilnehmer zum
Fachkräfteproblem.
Einen neuen Blickwinkel brachte Jürg Michel, Direktor des Bündner
Gewerbeverbands, ins Spiel. «Randregionen müssen sich mit neuen Modellen für
die Arbeitswelt beschäftigen», sagte er. Wer das Romanische fördern wolle,
müsse die Wirtschaft in den Randregionen, zu denen die romanischen Täler
gehörten, fördern. Mehr Innovation sei dringend nötig, um das Ausbluten der
Peripherie zu stoppen. «Sonst muss man sich die Frage nach dem Romanischen bald
auch nicht mehr stellen.»
Einen kreativen Vorschlag zum Erhalt der romanischen Schulen hätte
übrigens Patti Basler, die erneut mit Beispielen aus der Vogelwelt die
Veranstaltung schloss: «D’Singvögel singend, d’Tube tubend und d’Bündner Vögel
... (Pause. Gelächter.) ... söttend halt meh völlig uneigenützig ihre Art
erhalte.»
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