16. August 2019

Lehrerinnen und Lehrer: Mischt euch ein!


Seit den 1990er-Jahren wird in der Volksschule gepröbelt. In allen Kantonen wird seither um die Wette getüftelt. Baustelle um Baustelle wurde in und um die Schule eröffnet. Aus den kantonalen Bildungsdirektionen hagelt(e) es Rezepte. Diese landen im Übermass auf denTischen der Lehrpersonen. Die seither aufgeblasene Bürokratie in den Departementsbüros nimmt willfährig die Flut «neuer» Ideen aus den kantonalen pädagogischen Hochschulen zur Kenntnis und verordnet deren Umsetzung in den Schulstuben.
Lehrer müssen sich in den Diskurs einbringen, Basler Zeitung, 16.8. von Toni Kleinmann


Gewann die Volksschule dadurch an Qualität? Sind die Schüler seither tatsächlich besser, wissender geworden? Sind sie gereiftere Persönlichkeiten mit einem gewichtigeren Bildungsrucksack? Ich habe diesbezüglich so meine Zweifel. Auffallend ist dieTatsache,dass die Flut der «Erneuerungen» mit den inflationär wachsenden Professorenschaften in den pädagogischen Hochschulen einherging. Da wird geforscht und da werden u.a.zur Rettung des Schweizer Wirtschaftsstandortes Heilslehren aller Art verkündet (z. B.ohneTablet ab Kindergarten geht nichts mehr, etc.).Ketzerisch stelle ich dabei fest: Je lauter und vielfältiger Rezepte aus der Hochschulwarte verkündet werden, desto leiser, ja unhörbarer werden die Praktiker, die Lehrpersonen.

Die 68er-Jahre hatten insofern ihr Gutes, als die damaligen Lehramtskandidatinnen und -kandidaten sich hörbarin den Diskurs «der guten Schule» eingemischt hatten.Inzwischen ist es still geworden.Die mit viel Idealismus gestarteten 60er/70er Lehrpersonen räumen das Schulfeld. Und der Nachwuchs in den Lehrerzimmern wird durch Schulleitungen und Mitarbeiterbeurteilungen zu eingeschüchterten Subjekten in der Volksschule getrimmt. Kritische Haltungen und Einschätzungen könnten sich ja schädlich auswirken. Wo das nicht reicht, wird auch noch mit lohnwirksamen Beurteilungen in Politkreisen gewedelt. 

Verheerende Folgen Warum haben sich wohl die Männer nach und nach aus diesem Berufsfeld verabschiedet? Neben den in vielen Kantonen stagnierenden Lohngefügen ist diese Fernsteuerung aus den theoretischen und politischen Zirkeln Ursache des Rückzuges.Und für Frauen (inzwischen 90 Prozent der Unterrichtenden an Primarschulen) ist der Job insofern attraktiv, als er sich als äusserst familienkompatibel erweist.Teilzeitarbeit ist das Zauberwort. Und da findet der Einsatz für eine generelle Diskussion zur Zukunft der Volksschule und für Verbesserungen des Berufsstandes der Lehrpersonen nur beschränkten Raum. Mit verheerenden Folgen für die Volksschule.

Politik und Bildungsforschung sind angewiesen auf die Praxiserfahrung von selbstbewussten Lehrpersonen. Nur mit diesem Beitrag kann die Volksschule gesunden.

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