Seit den
1990er-Jahren wird in der Volksschule gepröbelt. In allen Kantonen wird seither um
die Wette getüftelt. Baustelle um Baustelle wurde in und um die Schule
eröffnet. Aus den kantonalen Bildungsdirektionen hagelt(e) es Rezepte. Diese
landen im Übermass auf denTischen der Lehrpersonen. Die seither aufgeblasene
Bürokratie in den Departementsbüros nimmt willfährig die Flut «neuer» Ideen aus
den kantonalen pädagogischen Hochschulen zur Kenntnis und verordnet deren
Umsetzung in den Schulstuben.
Lehrer müssen sich in den Diskurs einbringen, Basler Zeitung, 16.8. von Toni Kleinmann
Gewann
die Volksschule dadurch an Qualität? Sind die Schüler seither tatsächlich
besser, wissender geworden? Sind sie gereiftere Persönlichkeiten mit einem
gewichtigeren Bildungsrucksack? Ich habe diesbezüglich so meine
Zweifel. Auffallend ist dieTatsache,dass die Flut der «Erneuerungen» mit den
inflationär wachsenden Professorenschaften in den pädagogischen Hochschulen
einherging. Da wird geforscht und da werden u.a.zur Rettung des
Schweizer Wirtschaftsstandortes Heilslehren aller Art verkündet (z. B.ohneTablet
ab Kindergarten geht nichts mehr, etc.).Ketzerisch stelle ich dabei fest: Je
lauter und vielfältiger Rezepte aus der Hochschulwarte verkündet werden, desto leiser,
ja unhörbarer werden die Praktiker, die Lehrpersonen.
Die
68er-Jahre hatten insofern ihr Gutes, als die damaligen Lehramtskandidatinnen
und -kandidaten sich hörbarin
den Diskurs «der guten Schule» eingemischt hatten.Inzwischen ist es still
geworden.Die mit viel Idealismus gestarteten 60er/70er Lehrpersonen räumen das
Schulfeld. Und der Nachwuchs in den Lehrerzimmern wird durch Schulleitungen und
Mitarbeiterbeurteilungen zu eingeschüchterten Subjekten in der Volksschule
getrimmt. Kritische Haltungen und Einschätzungen könnten sich ja schädlich
auswirken. Wo das nicht reicht, wird auch noch mit lohnwirksamen Beurteilungen
in Politkreisen gewedelt.
Verheerende Folgen Warum haben sich wohl die Männer
nach und nach aus diesem Berufsfeld verabschiedet? Neben den in vielen Kantonen
stagnierenden Lohngefügen ist diese Fernsteuerung aus den theoretischen und
politischen Zirkeln Ursache des Rückzuges.Und für Frauen (inzwischen 90 Prozent
der Unterrichtenden an Primarschulen) ist der Job insofern attraktiv, als er sich
als äusserst familienkompatibel erweist.Teilzeitarbeit ist das Zauberwort. Und
da findet der Einsatz für eine generelle Diskussion zur Zukunft der Volksschule
und für Verbesserungen des Berufsstandes der Lehrpersonen nur beschränkten Raum.
Mit verheerenden Folgen für die Volksschule.
Politik
und Bildungsforschung sind angewiesen auf die Praxiserfahrung von
selbstbewussten Lehrpersonen. Nur mit diesem Beitrag kann die Volksschule
gesunden.
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