9. August 2019

Nicht alle Kinder freuen sich auf den Schulstart


In Schulklassen gibt es immer mehr Kinder, die sich von anderen in irgendeiner Weise abheben und deshalb auf Unverständnis stossen. Wie die Schülerin Clara*.«Wir freuen uns gar nicht auf den Schulbeginn», sagt ihre Mutter. Das 14-jährige Mädchen hat eine milde Form der Autismus-Spektrums-Störung (ASS), auch Asperger-Syndrom genannt. Keine Krankheit im eigentlichen Sinne, sondern eine andere Art, das Leben zu sehen. 
"Jetzt geht dieser Wahnsinn wieder los", Basler Zeitung, 9.8. von Franziska Laur


Diese Kinder und auch Erwachsene zeichnen sich aus durch ihre offene, direkte Art zu sprechen und ihr starkes Gefühl für soziale Gerechtigkeit. Andererseits haben sie Schwierigkeiten, die sozialen Signale ihrer Mitmenschen zu erkennen und eigene Gefühle adäquat auszudrücken. Oft besitzen sie jedoch besondere Fähigkeiten auf einigen Gebieten, sogenannte Inselbegabungen. So sagt man von einigen grossen Persönlichkeiten, dass sie Asperger waren: Bill Gates beispielsweise oder auch der Physiker Albert Einstein. Auch Greta Thunberg ist eine bekannte Person mit Asperger.

Eine Behandlungsindustrie
Doch Clara ist nicht vergönnt, in aller Ruhe ihre Fähigkeiten entwickeln zu können. An ihr wird gezogen und gezerrt. «Wir haben schlimme Zeiten hinter uns», sagt die Mutter. Ihre Tochter wurde von Schule zu Schule weitergereicht; jedes Jahr muss sie verschiedene Abklärungen durchlaufen, und sie wird behandelt wie eine Behinderte, was sie nun mal ganz und gar nicht ist. Eine ganze Behandlungsindustrie wird in den Schulen aufgezogen. Nicht nur wegen Clara, sondern wegen all der anderen Kinder, die nicht ganz der Norm entsprechen. «Die Therapeuten müssen ihren Job rechtfertigen, indem sie eine ganze Maschinerie in Gang setzen», sagt die Mutter. Ihr graut vor dem Schulbeginn: «Dann geht dieser Wahnsinn wieder los.»

Wie viele Asperger-Kinder hatte Clara Mühe, Freunde zu finden und sich in eine Gruppe zu integrieren. Sie ist jetzt in einer Integrationsklasse, das heisst: in einer Klasse, in der «normale» Kinder und Kinder mit einer Diagnose gemeinsam geschult werden. Sie und die anderen Kinder mit einer Diagnose werden mehrere Male pro Woche aus der Klasse genommen und in einem kleinen Zimmer von einem Heer von Nicht-Pädagogen betreut. Dort müssten sie Spiele machen, die man ansonsten mit Sechsjährigen macht. Es ist der Stempel der Behinderung, der ihnen ganz offensichtlich aufgedrückt wird. Clara fühlt sich in dieser Klasse nicht integriert, sondern separiert. Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als dass sie nicht mehr zur Schule muss.
*Name von der Red. geändert.

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