In
Schulklassen gibt es immer mehr Kinder, die sich von anderen in irgendeiner Weise
abheben und deshalb auf Unverständnis stossen. Wie die Schülerin Clara*.«Wir freuen
uns gar nicht auf den Schulbeginn», sagt ihre Mutter. Das 14-jährige Mädchen
hat eine milde Form der Autismus-Spektrums-Störung (ASS), auch Asperger-Syndrom
genannt. Keine Krankheit im eigentlichen Sinne, sondern eine andere Art, das
Leben zu sehen.
"Jetzt geht dieser Wahnsinn wieder los", Basler Zeitung, 9.8. von Franziska Laur
Diese Kinder und auch Erwachsene zeichnen sich aus durch ihre offene,
direkte Art zu sprechen und ihr starkes Gefühl für soziale Gerechtigkeit. Andererseits
haben sie Schwierigkeiten, die sozialen Signale ihrer Mitmenschen zu erkennen
und eigene Gefühle adäquat auszudrücken. Oft besitzen sie jedoch besondere
Fähigkeiten auf einigen Gebieten, sogenannte Inselbegabungen. So sagt man von einigen
grossen Persönlichkeiten, dass sie Asperger waren: Bill Gates beispielsweise
oder auch der Physiker Albert Einstein. Auch Greta Thunberg ist eine bekannte
Person mit Asperger.
Eine Behandlungsindustrie
Doch Clara
ist nicht vergönnt, in aller Ruhe ihre Fähigkeiten entwickeln zu können. An ihr
wird gezogen und gezerrt. «Wir haben schlimme Zeiten hinter uns», sagt die
Mutter. Ihre Tochter wurde von Schule zu Schule weitergereicht; jedes Jahr muss
sie verschiedene Abklärungen durchlaufen, und sie wird behandelt wie eine Behinderte,
was sie nun mal ganz und gar nicht ist. Eine ganze Behandlungsindustrie wird in
den Schulen aufgezogen. Nicht nur wegen Clara, sondern wegen all der anderen Kinder,
die nicht ganz der Norm entsprechen. «Die Therapeuten müssen
ihren Job rechtfertigen, indem sie eine ganze Maschinerie in Gang setzen», sagt
die Mutter. Ihr graut vor dem Schulbeginn: «Dann geht dieser Wahnsinn wieder
los.»
Wie viele
Asperger-Kinder hatte Clara Mühe, Freunde zu finden und sich in eine Gruppe zu integrieren.
Sie ist jetzt in einer Integrationsklasse, das heisst: in einer Klasse, in der
«normale» Kinder und Kinder mit einer Diagnose gemeinsam geschult werden. Sie und
die anderen Kinder mit einer Diagnose werden mehrere Male pro Woche aus der Klasse
genommen und in einem kleinen Zimmer von einem Heer von Nicht-Pädagogen
betreut. Dort müssten sie Spiele machen, die man ansonsten mit Sechsjährigen macht.
Es ist der Stempel der Behinderung, der ihnen ganz offensichtlich aufgedrückt wird.
Clara fühlt sich in dieser Klasse nicht integriert, sondern separiert. Sie
wünscht sich nichts sehnlicher, als dass sie nicht mehr zur Schule muss.
*Name von
der Red. geändert.
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