Am Montag
ist Schulbeginn. Sechs Tage vor dem ersten Schultag erhielten die Eltern aller Basler
Sekundarschüler einen Brief des Erziehungsdepartementes (ED). Darin steht in
fünf knappen Sätzen, dass sich die Bedingungen für den Abstieg in tiefere Leistungszüge
ab Schulbeginn verändern. Der Text klingt harmlos:«Es werden in allen drei Sekundarschuljahren
zwei gleichwertige Zeugnisse ausgestellt. Mit jedem Zeugnis ist ein Wechsel in einen
Leistungszug mit höheren oder tieferen Anforderungen möglich.»Konkret heisst das
jedoch: Schwächelt ein Kind in einem Semester, fällt es neu sofort in ein tieferes
Niveau. Bisher hatten Schüler noch die Möglichkeit, sich im zweiten Semester zu
fangen.
Schüler fallen direkt in tieferes Niveau, Basler Zeitung, 9.8. von Dina Sambar
«Ich finde es schon ein starkes Stück, dass ein solch einschneidender Wechsel
eines bewährten Systems einfach sang und klanglos
vom Regierungsrat beschlossen wird, ohne dass jemand die Tragweite mitbekommt.
Und dass man dies den Eltern dann erst kurz vor Schulbeginn mitteilt», sagt GLP-Grossrätin
Katja Christ.
Schwieriges
Alter
Es ist
die zweite Änderung in kurzer Zeit. Bereits vor einem Jahr hat das ED die Anforderungen
für den Übertritt in die höheren Sekundarschulniveaus und später fürs Gymnasium
massiv erhöht. Dies mit dem Ziel, die Gymnasialquote zu senken. Katja Christ
ist überzeugt, dass auch die neue Massnahme dazu dient, diese Quote zu drücken:
«Die Pubertät ist ein schwieriges Alter. Da kann es wirklich vorkommen, dass
ein Kind für ein halbes Jahr abhängt. Aber so kann man natürlich möglichst
schnell möglichst viele Kinder in den unteren Leistungszügen verteilen.»Ob diese
Schüler danach die Motivation aufbringen, sich hochzuarbeiten
und wieder die Klasse zu wechseln, ist für Christ fraglich.
Volksschulleiter
Dieter Baur verneint einen Zusammenhang mit der Gymnasialquote. «Diese
Zwischenzeugnisse, die nicht richtig zählten, dank denen man zwar in ein höheres
Niveau auf-, aber nicht in ein tieferes absteigen konnte, standen quer in der
Landschaft.» Zu diesem fast einhelligen Schluss sei eine Arbeitsgruppe
gekommen, in der auch Lehrer- und Schulleiter vertreten waren.
Seiner Ansicht
nach sei die Massnahme keine Verschärfung und schade den Kindern nicht. Sie
werde mehr oder weniger jene Schüler treffen, die auch vor dieser Änderung in
ein tieferes Niveau versetzt worden wären– in manchen Fällen einfach ein
halbes Jahr früher als zuvor.«Es macht keinen Sinn, einen Schüler sechs Monate in
einem Leistungszug sitzen zu lassen, inden er nicht gehört. Das schadet dem Kind.» Wenn
es ein Schüler nicht schaffe, in einem Semester die geforderten Leistungen zu bringen,
werde es im zweiten Semester extrem schwierig. Denn der Stoff sei
anspruchsvoller und baue auf dem ersten Semester auf.
Mehr als kleine Ausreisser
«Schüler
fallen nicht bei einem kleinen Ausreisser in ein tieferes Niveau. Sie müssen
schon mehr als drei ungenügende Zeugnisnoten haben oder ihre ungenügenden Noten
nicht doppelt kompensieren können», sagt Baur. Wenn ein Kind tatsächlich erst danach
den Knopf aufmache, tue ihm das halbe Jahr in einem tieferen Zug trotzdem gut.
Das komme, so Baur, jedoch äusserst selten vor. Aus diesem Grund geht er nicht
von einem ständigen Auf und Ab von Schülern aus: «Natürlich ist es theoretisch
möglich, dass ein Kind fünfmal die Klasse wechseln muss. Unsere Erfahrung hat
jedoch gezeigt: Die meisten Wechsel finden in der Sekundarstufe nach dem ersten
halben Jahr oder nach einem Jahr statt. Im zweiten Jahrwechseln nur noch wenige
und im dritten Jahr fast gar keine mehr», sagt Baur. Auch dass der Druck auf
die Kinder steigt, verneint Baur: «Ein Schüler weiss genau, wenn seine Leistung
für sein Niveau nicht reicht. Ist der Druck auf ein Kind geringer, wenn es in
diesem Wissen Zeit im höheren Leistungszug absitzen muss?»
Baurs Argumente
überzeugen Katja Christ nicht. «Wenn ein Kind bemerkt, dass seine Noten im ersten
Semester nicht reichen, konnte es bisher selber entscheiden, ob es in einen
unteren Zug gehen oder sich dem Stress im höheren Zug aussetzen will. Es wird
immer mehr von oben bestimmt.» Mit dieser Massnahme werde wieder nur an der
Quote geschraubt. Am schlechten Bildungsniveau der Basler Schüler ändere das
nichts.
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