9. August 2019

Amtsleiter begründet neue Promotionsordnung


Am Montag ist Schulbeginn. Sechs Tage vor dem ersten Schultag erhielten die Eltern aller Basler Sekundarschüler einen Brief des Erziehungsdepartementes (ED). Darin steht in fünf knappen Sätzen, dass sich die Bedingungen für den Abstieg in tiefere Leistungszüge ab Schulbeginn verändern. Der Text klingt harmlos:«Es werden in allen drei Sekundarschuljahren zwei gleichwertige Zeugnisse ausgestellt. Mit jedem Zeugnis ist ein Wechsel in einen Leistungszug mit höheren oder tieferen Anforderungen möglich.»Konkret heisst das jedoch: Schwächelt ein Kind in einem Semester, fällt es neu sofort in ein tieferes Niveau. Bisher hatten Schüler noch die Möglichkeit, sich im zweiten Semester zu fangen. 
Schüler fallen direkt in tieferes Niveau, Basler Zeitung, 9.8. von Dina Sambar

«Ich finde es schon ein starkes Stück, dass ein solch einschneidender Wechsel eines bewährten Systems einfach sang und klanglos vom Regierungsrat beschlossen wird, ohne dass jemand die Tragweite mitbekommt. Und dass man dies den Eltern dann erst kurz vor Schulbeginn mitteilt», sagt GLP-Grossrätin Katja Christ.

Schwieriges Alter
Es ist die zweite Änderung in kurzer Zeit. Bereits vor einem Jahr hat das ED die Anforderungen für den Übertritt in die höheren Sekundarschulniveaus und später fürs Gymnasium massiv erhöht. Dies mit dem Ziel, die Gymnasialquote zu senken. Katja Christ ist überzeugt, dass auch die neue Massnahme dazu dient, diese Quote zu drücken: «Die Pubertät ist ein schwieriges Alter. Da kann es wirklich vorkommen, dass ein Kind für ein halbes Jahr abhängt. Aber so kann man natürlich möglichst schnell möglichst viele Kinder in den unteren Leistungszügen verteilen.»Ob diese Schüler danach die Motivation aufbringen, sich hochzuarbeiten und wieder die Klasse zu wechseln, ist für Christ fraglich. 

Volksschulleiter Dieter Baur verneint einen Zusammenhang mit der Gymnasialquote. «Diese Zwischenzeugnisse, die nicht richtig zählten, dank denen man zwar in ein höheres Niveau auf-, aber nicht in ein tieferes absteigen konnte, standen quer in der Landschaft.» Zu diesem fast einhelligen Schluss sei eine Arbeitsgruppe gekommen, in der auch Lehrer- und Schulleiter vertreten waren. 

Seiner Ansicht nach sei die Massnahme keine Verschärfung und schade den Kindern nicht. Sie werde mehr oder weniger jene Schüler treffen, die auch vor dieser Änderung in ein tieferes Niveau versetzt worden wären– in manchen Fällen einfach ein halbes Jahr früher als zuvor.«Es macht keinen Sinn, einen Schüler sechs Monate in einem Leistungszug sitzen zu lassen, inden er nicht gehört. Das schadet dem Kind.» Wenn es ein Schüler nicht schaffe, in einem Semester die geforderten Leistungen zu bringen, werde es im zweiten Semester extrem schwierig. Denn der Stoff sei anspruchsvoller und baue auf dem ersten Semester auf.

Mehr als kleine Ausreisser
«Schüler fallen nicht bei einem kleinen Ausreisser in ein tieferes Niveau. Sie müssen schon mehr als drei ungenügende Zeugnisnoten haben oder ihre ungenügenden Noten nicht doppelt kompensieren können», sagt Baur. Wenn ein Kind tatsächlich erst danach den Knopf aufmache, tue ihm das halbe Jahr in einem tieferen Zug trotzdem gut. Das komme, so Baur, jedoch äusserst selten vor. Aus diesem Grund geht er nicht von einem ständigen Auf und Ab von Schülern aus: «Natürlich ist es theoretisch möglich, dass ein Kind fünfmal die Klasse wechseln muss. Unsere Erfahrung hat jedoch gezeigt: Die meisten Wechsel finden in der Sekundarstufe nach dem ersten halben Jahr oder nach einem Jahr statt. Im zweiten Jahrwechseln nur noch wenige und im dritten Jahr fast gar keine mehr», sagt Baur. Auch dass der Druck auf die Kinder steigt, verneint Baur: «Ein Schüler weiss genau, wenn seine Leistung für sein Niveau nicht reicht. Ist der Druck auf ein Kind geringer, wenn es in diesem Wissen Zeit im höheren Leistungszug absitzen muss?»

Baurs Argumente überzeugen Katja Christ nicht. «Wenn ein Kind bemerkt, dass seine Noten im ersten Semester nicht reichen, konnte es bisher selber entscheiden, ob es in einen unteren Zug gehen oder sich dem Stress im höheren Zug aussetzen will. Es wird immer mehr von oben bestimmt.» Mit dieser Massnahme werde wieder nur an der Quote geschraubt. Am schlechten Bildungsniveau der Basler Schüler ändere das nichts.

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