Helikopter-,
Drohnen-, Problem-, Kampf- oder Nörgeleltern. Die Liste ist lang, wenn es um
die Beschreibung des Ehrgeizes von Mamas und Papas geht, welche gegen Noten,
Hausaufgaben, Selektionsentscheide oder Schulhauszuteilungen kämpfen. Oft
agieren sie nicht allein, sondern nehmen Kinderärztin oder Anwalt gleich mit zum
Elterngespräch. Das Hauptproblem ist ihre Sorge, das Kind könnte scheitern oder
unglücklich werden. Und das wäre für viele ein persönlicher Misserfolg.
Zu viel elterlicher Ehrgeiz, BZ Basel, 9.8. von Margrit Stamm
Die
Anzahl Rekurse, die jedes Jahr bei Schulleitungen und Behörden eintreffen,
sprechen eine deutliche Sprache. Administrativ müssen Schulen genau
dokumentieren, was sich wann weshalb ereignet hat und wie der Leistungsstand
jedes Kindes ist. Eine Prüfung lediglich zu korrigieren und zurückzugegeben,
liegt nicht mehr drin, sie muss auch kopiert und abgelegt werden. Zudem lassen
immer mehr Schulen Briefe, Prüfungsberichte oder Hausaufgaben unterschreiben,
und wenns ins Klassenlager geht, müssen mancherorts Eltern ihr Einverständnis
geben, dass die Tochter am offenen Feuer eine Wurst bräteln darf.
Der
Rekurs ist ein wichtiges Gegenmittel zur Macht der Schule. Darum ist es falsch,
die Schuld für Konflikte allein den Eltern zuzuschieben. Die meisten verhalten
sich so, wie dies die Bildungspolitik seit den Neunzigerjahren einfordert:
Eltern sollen sich für die Schule interessieren und sich ihrer wichtigen Rolle
bewusst werden. Heute ist Elternarbeit in den kantonalen Bildungsgesetzen
verbindlich festgelegt. In der Standesregel 6 des Dachverbandes der Lehrerinnen
und Lehrer Schweiz verpflichten sich Lehrpersonen, mit Erziehungsberechtigten
partnerschaftlich zusammenzuarbeiten, ihre Anliegen wahrzunehmen und sich offen
für Gespräche zu zeigen.
Doch der
Ehrgeiz mancher Eltern hat sich ins Gegenteil verkehrt. Ihr einst eher passives
Verhalten haben sie in ein aktives Engagement verwandelt, um den Nachwuchs mit
enormer Anstrengung verteidigen zu können, während die pädagogische Autorität
von Lehrerinnen und Lehrern dahinschwindet. Wie diese Autorität gestärkt werden
könnte und wann Elternengagement zu gross, genügend oder ungenügend ist – das
wären wichtige Fragen, die wegen der Konzentration auf Problemeltern in den
Hintergrund gerückt sind. Vergessen geht dabei, dass es nicht nur Problemeltern
gibt, sondern auch solche, die Angst haben, als solche etikettiert zu werden. In
unserer Familienstudie haben sich Mütter und Väter beklagt, in der Schule sei
von ihrem mangelnden Engagement die Rede, weil sie ihre Kinder «nur» versorgen,
im Sportverein oder der Musikschule anmelden, sie zur Schule schicken und ihnen
eine intakte Familie bieten würden – aber nicht mehr.
Ein gutes
Beispiel sind die Hausaufgaben. Zwar waren sie schon vor zwanzig Jahren ein
familiärer
Krisenherd, aber heute ist die Situation bizarr. Viele Eltern büffeln täglich,
damit der Sprössling mit fein herausgeputzten Hausaufgaben zur Schule kommt,
Mama oder Papa jedoch mehr als nur ein bisschen Hilfe geleistet haben.
Im
Lehrplan 21 steht zwar viel von Selbstverantwortung. Doch wie kann man Kindern
beibringen, dass die eigene Leistung zählt, wenn es selbstverständlich geworden
ist, ihnen permanent zur Seite zu stehen? Wo hört die Hilfe auf, und wo beginnt
das Schummeln? Möglicherweise werden Kinder, die ihre Hausaufgaben mit aktiver
Elternhilfe erledigen, später als Student oder Studentin kaum Probleme sehen,
wenn sie aus Wikipedia einfach abschreiben und ein solches Plagiieren als
normal empfinden.
Was
können wir daraus lernen? Dass den Kindern mehr Verantwortung übertragen werden
soll und die Schule den ersten Schritt tun muss. Eltern sollen nicht via
Hausaufgaben zu verordneten Paukern werden. Sie gehören als Auftrag der
Lehrperson in den Verantwortungsbereich des Kindes. Es gibt leider auch Kantone,
in denen Eltern gesetzlich verpflichtet sind, Hausaufgaben zu kontrollieren.
Das macht es schwierig mit der kindlichen Selbstverantwortung. Und es behindert
Lehrkräfte, die selbstverantwortetes Lernen im Unterrichtsalltag umsetzen
möchten.
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