Gestern war in vielen Kantonen der erste Schultag –
für Tausende kleine Mädchen und Jungen wurde es ernst. Im Klassenzimmer dürften
sich erstere deutlich wohler fühlen als letztere: Denn für viele Jungs ist der
klassische Unterricht, mit Stillsitzen und Zuhören, nichts. Entsprechend sind
Mädchen in der Schule tendenziell auch erfolgreicher unterwegs. Doch das muss nicht sein, sagen Bildungsexperten
jetzt. Geschlechtergetrennte Klassen würden den Jungs helfen. Quasi Schule wie
zu Grossmutters Zeiten.
Allan Guggenbühl: "Der heutige Lehrplan fokussiert auf Anforderungen, die vor allem den Mädchen zugutekommen", Screenshot SRF
Braucht es reine Buben-Klassen? SRF 10vor10, 12.8.
Praktiziert wird dieses Modell bereits an der
Katholischen Kantonssekundarschule «Flade» in St. Gallen. Die dritte Oberstufe
besteht hier aus elf reinen Buben-Klassen. Ihr Lehrer, Pascal Hanselmann, hat
auch schon gemischte Klassen unterrichtet. Er ist jedoch der Meinung, dass
reine Buben-Klassen den Bildungserfolg seiner Jungs fördern.
So sei es für die Jungs viel einfacher, sich auf
den Schulstoff zu konzentrieren, wenn nicht links und rechts das andere
Geschlecht sitze. Denn das sei durchaus spannend, und man müsse sich nicht
störend verhalten, um als «cool» zu gelten.
Fokus auf soziale und emotionale
Kompetenzen
Die elf Buben-Klassen der Sekundarschule «Flade» in
St. Gallen sind in der Schweiz ein pädagogischer Sonderfall. Sie sind ein
Relikt der ehemaligen Klosterschule, gegründet vor 210 Jahren. Auch hier gilt
heute der Lehrplan 21, er wird aber anders umgesetzt.
Statt auf Frontalunterricht fokussiert der heutige
Lehrplan auf selbstorganisiertes Lernen, auf soziale und emotionale
Kompetenzen. Anforderungen, die vor allem den Mädchen zugutekämen. Viele Buben
würden abgehängt, sagt der Jugendpsychologe Allan Guggenbühl, und schlägt zum
ersten Schultag Alarm.
Denn wenn eine Lehrerin versuche, eine Beziehung
mit ihren Schülern aufzubauen, irritiere dies viele Knaben. Es interessiere sie
nicht und sie wollten stattdessen lieber wissen, was sie wo machen müssten.
Mädchen an höheren Schulen besser
vertreten
Fest steht: Mädchen sind heute in der Schule
erfolgreicher. Buben werden häufig später eingeschult, die Maturitätsquote der
jungen Männer liegt acht Prozent tiefer als jene der Mädchen. Und an den
Universitäten ist das weibliche Geschlecht in Überzahl. Allan Guggenbühl
spricht von einer Buben-Krise in der Volksschule.
Mögliche Auswege aus der Buben-Krise sieht er in
geschlechtergetrennten Klassen oder separatem Fach-Unterricht. Elsbeth Stern,
Leiterin des Instituts für Verhaltensforschung an der ETH, sieht es anders. Die
Volksschule sei nicht bubenfeindlich, sagt sie.
So gebe es keinerlei Beweise, dass eine
getrenntgeschlechtliche Unterrichtsform für beide Geschlechter gut sei.
Wir leben in einer Welt, in der man
zusammenarbeiten muss. Es wäre völlig unnatürlich, wenn man sagte, es gäbe eine
Mathematik für Mädchen und Junge.
An der Kantonssekundarschule «Flade» in St. Gallen
gibt es zwar auch gemischte Klassen. Am geschlechtergetrennten Unterricht für
Buben und Mädchen will man jedoch festhalten – und dies nicht nur wegen der
Tradition.
"Elsbeth Stern, Leiterin des Instituts für Verhaltensforschung an der ETH, sieht es anders. Die Volksschule sei nicht bubenfeindlich, sagt sie.
AntwortenLöschenSo gebe es keinerlei Beweise, dass eine getrenntgeschlechtliche Unterrichtsform für beide Geschlechter gut sei."
Sehr geehrte Frau Stern
Ich masse mir einmal an, zu behaupten, dass Sie in Ihrer Forschungsprofession dies nicht beurteilen können.
Gerade heute erhielt ich, nach einer geschlechtergetrennten Turnstunde von 27 5./6.-KlässlerInnen die Rückmeldung, dass sie in dieser Unterrichtsform mehr aus sich heraus kommen konnten (Knaben) oder mehr zum Zuge kamen (Mädchen).
Ich bin seit 35 Jahren Lehrer und seit 14 Jahren Schulleiter. Ich kann die Erkenntnisse von Guggenbühl unterstreichen.