Der Brief
des Erziehungsdepartements kommt wenige Tage vor dem Schulbeginn nächste Woche.
Der Inhalt hat es in sich: Statt wie bisher ein Jahreszeugnis vor den
Sommerferien wird künftig auf der Sekundarstufe (siebtes bis neuntes Schuljahr)
jedes Semester ein Zeugnis ausgestellt. «Mit jedem Zeugnis ist ein Wechsel in
einen Leistungszug mit höheren oder tieferen Anforderungen möglich», schreibt
Dieter Baur, Leiter Volksschulen.
Keine zweite Chance für Sek-Schüler, BZ Basel, 8.8. von Jonas Hoskyn und Leif Simonsen
Konkret werden damit die Bedingungen für die
Basler Sek-Schülerinnen und -Schüler härter: Während bisher ein schlechtes
Semester durch ein gutes wieder ausgebügelt werden konnte, werden die Schüler
neu bei einem ungenügenden Zeugnis direkt einen Leistungszug heruntergestuft.
Gefordert ist ein Zeugnis mit einem 4erSchnitt und höchstens drei ungenügenden
Noten. Zudem muss jede Ungenügende doppelt kompensiert werden – für eine 3,5
braucht es einen 5er.
Seit der Schulreform Harmos folgen in Basel-Stadt nach
sechs Jahren Primarschule drei Jahre Sekundarschule. Dabei werden die Schüler
in drei Leistungszüge eingeteilt: A (allgemeine Anforderungen), E (erweiterte
Anforderungen) und P (hohe Anforderungen).
«So erhöht man den Druck auf die
Schüler»
Für einen Wechsel in ein höheres Bildungsniveau ist umgekehrt ein
Zeugnis mit einem Schnitt von 5,25 oder höher nötig. Dann war ein Stufenwechsel
bereits bisher auch im Winter möglich. «Das wollten wir angleichen», sagt Simon
Thiriet vom Erziehungsdepartement. Schliesslich sei eine verbesserte
Durchlässigkeit die Grundidee der Einführung der Sekundarschule gewesen.
Beschlossen hat die Basler Regierung diese Verschärfung an ihrer zweitletzten
Sitzung vor den Sommerferien, kommuniziert wurde sie nur verklausuliert. Umso
überraschender kam der Brief für die Eltern: «Ich wurde schon von vielen
wütenden Eltern kontaktiert», sagt GLP-Grossrätin Katja Christ. Die
Bildungspolitikerin ist klar gegen die Neuerung: «Schwächelt man in einem
halben Schuljahr, gehts gleich runter in das tiefere Niveau. Keine erste
Mahnung, keine gelbe Karte, keine Vorwarnung.» Gerade bei Jugendlichen in der
Pubertät könne es auch mal
schulisch schwächere Monate geben, sagt sie. «So erhöht man den Druck auf die
Schüler.»
Christ vermutet hinter der Verschärfung Kalkül: «Man will die hohe
Gymnasialquote runterbringen.» Statt über grundsätzliche, wichtige
Bildungsfragen zu sprechen, setze man einmal mehr das falsche Zeichen.
Tatsächlich dreht der Erziehungsdirektor Conradin Cramer nicht zum ersten Mal
an der Schraube, um die hohe Gymnasialquote in Basel-Stadt zu senken. Zuerst
wurde die Primarschule ins Visier genommen. In der 6. Klasse gelten seit einem
Jahr sowohl das Winter- als auch das Sommerzeugnis für jene, die ans
Progymnasium gehen wollen.
Zudem führte Cramer das sogenannte Notenband ein.
Der Zeugnisschnitt einer Schulklasse darf an der Sekundarschule nicht über 5,0
liegen – dies als Reaktion auf Lehrer, die allzu milde benoteten. Die
Massnahmen zeigten Wirkung: Im vergangenen Schuljahr schafften lediglich noch
38,62 Prozent der Primarschüler den Sprung in den Leistungszug P – fünf Prozent
weniger als im vergangenen Jahr. Das Notenband hatte zur Folge, dass statt 48
Prozent nur noch 43 Prozent der Progymnasiasten eine Beförderung ans Gymnasium
bekamen.
«Verschärfungen wenig sinnvoll»
Verschiedene Bildungspolitikerinnen
kritisieren die Verschärfungen: «Das bringt viel Unruhe ins System. Als Schüler
muss man die ganze Zeit fürchten, die Klasse wechseln zu müssen», sagt
SP-Grossrätin Franziska Reinhard. Und auch für die Lehrer werde es so
schwieriger, kontinuierlich zu arbeiten. Auch Basta-Grossrätin Messerli hält
wenig von der Neuerung: «So wird dauernd eine hohe Leistung verlangt, und das
in einem nicht gerade einfachen Lebensabschnitt der Schülerinnen und Schüler.»
Sie halte jede weitere Verschärfung der Laufbahnverordnung für wenig sinnvoll
und für nicht sehr pädagogisch, so Messerli.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen