An der
Sekundarschule im thurgauischen Wigoltingen eskalierte im Frühling ein Konflikt
mit der Schulführung. Der nun vorliegende Bericht des Kantons liest sich wie
das Protokoll eines Führungsversagens – und er sagt, was besser zu machen ist.
Anleitung, wie man eine Schule (nicht) führt, NZZ, 12.7. von Jörg Krummenacher
Konflikte an Schulen haben
sich in letzter Zeit quer durch die Kantone gehäuft. Als ein Beispiel dafür
steht die Sekundarschule Wigoltingen mitten im Thurgau, wo die Mehrzahl der
Lehrkräfte diesen Frühling kündigte. Sie hatten die Nase voll vom eskalierenden
Streit mit Schulleitung und Schulbehörde. Eltern reichten Beschwerde gegen die
Schulführung beim Thurgauer Departement für Erziehung und Kultur (DEK) ein.
Dieses hat nun, rechtzeitig vor dem Start des neuen Schuljahrs, sein
aufsichtsrechtliches Verfahren abgeschlossen. Vordergründig wird die
Schulführung entlastet: Es seien «keine schwerwiegenden Missstände ersichtlich,
die Weisungen oder Ersatzanordnungen an die Schulbehörde nötig machen».
Verhärtete Fronten
Grund für dieses Fazit ist
die in weiten Bereichen geltende Autonomie der Schulgemeinden. Massnahmen des
Kantons wären gemäss DEK nur möglich, «wenn ein rechtswidriger Zustand besteht,
übergeordnete Vorgaben nicht eingehalten werden oder wesentliche öffentliche
Interessen verletzt werden». Dies war an der Sekundarschule Wigoltingen nicht
der Fall. Vielmehr waren es – aus juristischer Sicht – weiche Faktoren, die zur
Eskalation führten. Der
33-seitige DEK-Bericht liest sich nämlich wie das Protokoll
eines fortgesetzten Führungs- und Kommunikationsversagens von Schulleitung und
-behörde. Und er wird zur Anleitung, wie eine Schule (nicht) zu führen ist,
indem er verschiedene Empfehlungen abgibt – Empfehlungen, die wohl nicht nur
für Wigoltingen Gültigkeit haben. Der Bericht fusst auf umfangreichen
Rückmeldungen von Schulführung, Lehrpersonen und knapp dreissig Eltern.
Mitwirkung der Lehrkräfte unerwünscht
Schon seit Jahren
herrschte an der Sekundarschule in der Thurgauer Landgemeinde ein getrübtes
Verhältnis zwischen Lehrerkollegium und Schulbehörde. Ende 2017 wurde dieses
politische Führungsgremium fast vollständig erneuert. Neu ins Amt kam auch die
Schulpräsidentin. Im Sommer 2018 wurden zwei neue Schulleiter eingestellt, die
sich sogleich ans Werk machten: Schon im November präsentierten sie ein neues
Schulmodell mit niveaudurchmischten Jahrgangsklassen, das aufs nächste
Schuljahr eingeführt werden müsse. Die Mitwirkung der Lehrerschaft war dabei
offensichtlich unerwünscht: Inputs der Lehrpersonen seien nicht vorgesehen
gewesen, heisst es im Bericht, die Partizipation sei zeitweise ausser Kraft
gesetzt worden. «Wer nicht mitzieht, kann gehen», so habe es geheissen.
Die Lehrerschaft
rebellierte: Im Dezember reichte sie eine Petition «für einen echten Dialog»
ein und verlangte mehr Zeit für die Prüfung verschiedener Schulmodelle, zumal
das von der Schulleitung präsentierte Modell nicht ihren pädagogischen
Grundsätzen entspreche. Der Konflikt eskalierte. Im März kritisierte der
Lehrerkonvent den Führungsstil von Schulleitung und Schulbehörde, verlangte die
Absetzung der Schulleitung, sieben Lehrkräfte kündigten, die Medien begannen
über Wigoltingen zu schreiben.
Gedrängtes und chaotisches Vorgehen
Der Bericht des
Departements für Erziehung und Kultur listet die «verschiedenen Mängel» durch
Schulleitung und -behörde säuberlich auf. Die Einführung des neuen Schulmodells
sei «sehr gedrängt» vorgenommen worden, dabei seien die Lehrpersonen nicht
ausreichend einbezogen, über die entsprechenden Beschlüsse sei nicht
transparent informiert worden. Hinzu komme, dass «das angestrebte Modell und
der Prozess weitgehend nicht fassbar» gewesen und «gewisse
Vorbereitungsschritte schlicht übersehen» worden seien. Insgesamt sei es
fraglich, ob überhaupt «eine ausreichende Projektorganisation und Planung
vorhanden» gewesen sei.
Das DEK verhehlt nicht,
dass es der Schulführung zudem an grundlegendem Respekt gegenüber den
Lehrkräften gefehlt habe. Das äusserte sich im Kommunikationsverhalten. Der
Bericht benennt «gewisse Verfehlungen der Schulbehörde», indem diese etwa in
einer Medienmitteilung Vorwürfe an die kündigenden Lehrkräfte kundgetan, eine
«personenbezogene, herabsetzende Kommunikation» betrieben und damit
«Persönlichkeitsrechte tangiert» habe. Im Laufe des Konflikts seien die
arbeitsrechtlichen Pflichten beidseitig, also durch Schulführung wie
Lehrerschaft, nicht durchgehend beachtet worden.
Vertrauen schaffen
Aus den Verfehlungen
ergibt sich eine Reihe von Empfehlungen, wie eine Schule geführt werden sollte.
In erster Linie, schreibt das DEK, sei «den Lehrpersonen der nötige Respekt
entgegenzubringen». Dazu gehöre, dass bei Neuerungen in der Schulorganisation
deren gebührender Einbezug wie auch jener der Eltern sicherzustellen sei. Für
die Einführung eines neuen Schulmodells sei zudem ein «realistischer Zeitplan»
zu erarbeiten, das Modell selbst sollte klar strukturiert und fassbar sein.
Schliesslich rät das DEK, bei Problemen fachkundige Hilfe von Dritten
einzuholen. Das gilt insbesondere für die Information und Kommunikation: Diese
sollte Vertrauen schaffen, nicht zerstören.
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