14. Juli 2019

Respektlosigkeit statt Dialog


An der Sekundarschule im thurgauischen Wigoltingen eskalierte im Frühling ein Konflikt mit der Schulführung. Der nun vorliegende Bericht des Kantons liest sich wie das Protokoll eines Führungsversagens – und er sagt, was besser zu machen ist.
Anleitung, wie man eine Schule (nicht) führt, NZZ, 12.7. von Jörg Krummenacher


Konflikte an Schulen haben sich in letzter Zeit quer durch die Kantone gehäuft. Als ein Beispiel dafür steht die Sekundarschule Wigoltingen mitten im Thurgau, wo die Mehrzahl der Lehrkräfte diesen Frühling kündigte. Sie hatten die Nase voll vom eskalierenden Streit mit Schulleitung und Schulbehörde. Eltern reichten Beschwerde gegen die Schulführung beim Thurgauer Departement für Erziehung und Kultur (DEK) ein. Dieses hat nun, rechtzeitig vor dem Start des neuen Schuljahrs, sein aufsichtsrechtliches Verfahren abgeschlossen. Vordergründig wird die Schulführung entlastet: Es seien «keine schwerwiegenden Missstände ersichtlich, die Weisungen oder Ersatzanordnungen an die Schulbehörde nötig machen».

Verhärtete Fronten

Grund für dieses Fazit ist die in weiten Bereichen geltende Autonomie der Schulgemeinden. Massnahmen des Kantons wären gemäss DEK nur möglich, «wenn ein rechtswidriger Zustand besteht, übergeordnete Vorgaben nicht eingehalten werden oder wesentliche öffentliche Interessen verletzt werden». Dies war an der Sekundarschule Wigoltingen nicht der Fall. Vielmehr waren es – aus juristischer Sicht – weiche Faktoren, die zur Eskalation führten. Der 33-seitige DEK-Bericht liest sich nämlich wie das Protokoll eines fortgesetzten Führungs- und Kommunikationsversagens von Schulleitung und -behörde. Und er wird zur Anleitung, wie eine Schule (nicht) zu führen ist, indem er verschiedene Empfehlungen abgibt – Empfehlungen, die wohl nicht nur für Wigoltingen Gültigkeit haben. Der Bericht fusst auf umfangreichen Rückmeldungen von Schulführung, Lehrpersonen und knapp dreissig Eltern.

Mitwirkung der Lehrkräfte unerwünscht

Schon seit Jahren herrschte an der Sekundarschule in der Thurgauer Landgemeinde ein getrübtes Verhältnis zwischen Lehrerkollegium und Schulbehörde. Ende 2017 wurde dieses politische Führungsgremium fast vollständig erneuert. Neu ins Amt kam auch die Schulpräsidentin. Im Sommer 2018 wurden zwei neue Schulleiter eingestellt, die sich sogleich ans Werk machten: Schon im November präsentierten sie ein neues Schulmodell mit niveaudurchmischten Jahrgangsklassen, das aufs nächste Schuljahr eingeführt werden müsse. Die Mitwirkung der Lehrerschaft war dabei offensichtlich unerwünscht: Inputs der Lehrpersonen seien nicht vorgesehen gewesen, heisst es im Bericht, die Partizipation sei zeitweise ausser Kraft gesetzt worden. «Wer nicht mitzieht, kann gehen», so habe es geheissen.

Die Lehrerschaft rebellierte: Im Dezember reichte sie eine Petition «für einen echten Dialog» ein und verlangte mehr Zeit für die Prüfung verschiedener Schulmodelle, zumal das von der Schulleitung präsentierte Modell nicht ihren pädagogischen Grundsätzen entspreche. Der Konflikt eskalierte. Im März kritisierte der Lehrerkonvent den Führungsstil von Schulleitung und Schulbehörde, verlangte die Absetzung der Schulleitung, sieben Lehrkräfte kündigten, die Medien begannen über Wigoltingen zu schreiben.

Gedrängtes und chaotisches Vorgehen

Der Bericht des Departements für Erziehung und Kultur listet die «verschiedenen Mängel» durch Schulleitung und -behörde säuberlich auf. Die Einführung des neuen Schulmodells sei «sehr gedrängt» vorgenommen worden, dabei seien die Lehrpersonen nicht ausreichend einbezogen, über die entsprechenden Beschlüsse sei nicht transparent informiert worden. Hinzu komme, dass «das angestrebte Modell und der Prozess weitgehend nicht fassbar» gewesen und «gewisse Vorbereitungsschritte schlicht übersehen» worden seien. Insgesamt sei es fraglich, ob überhaupt «eine ausreichende Projektorganisation und Planung vorhanden» gewesen sei.

Das DEK verhehlt nicht, dass es der Schulführung zudem an grundlegendem Respekt gegenüber den Lehrkräften gefehlt habe. Das äusserte sich im Kommunikationsverhalten. Der Bericht benennt «gewisse Verfehlungen der Schulbehörde», indem diese etwa in einer Medienmitteilung Vorwürfe an die kündigenden Lehrkräfte kundgetan, eine «personenbezogene, herabsetzende Kommunikation» betrieben und damit «Persönlichkeitsrechte tangiert» habe. Im Laufe des Konflikts seien die arbeitsrechtlichen Pflichten beidseitig, also durch Schulführung wie Lehrerschaft, nicht durchgehend beachtet worden.

Vertrauen schaffen

Aus den Verfehlungen ergibt sich eine Reihe von Empfehlungen, wie eine Schule geführt werden sollte. In erster Linie, schreibt das DEK, sei «den Lehrpersonen der nötige Respekt entgegenzubringen». Dazu gehöre, dass bei Neuerungen in der Schulorganisation deren gebührender Einbezug wie auch jener der Eltern sicherzustellen sei. Für die Einführung eines neuen Schulmodells sei zudem ein «realistischer Zeitplan» zu erarbeiten, das Modell selbst sollte klar strukturiert und fassbar sein. Schliesslich rät das DEK, bei Problemen fachkundige Hilfe von Dritten einzuholen. Das gilt insbesondere für die Information und Kommunikation: Diese sollte Vertrauen schaffen, nicht zerstören.


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