12. Juli 2019

Neue Idee gegen Lehrermangel


Alarmstimmung an den Baselbieter Schulen: Kurz vor den Sommerferien waren noch immer Dutzende Stellen ausgeschrieben. Auch wenn diese bis zum Schulstart im August mit Müh und Not besetzt werden können: Der Lehrermangel wird sich in den kommenden Jahren schweizweit verschärfen; Ursachen sind zunehmende Schülerzahlen und ebenso zunehmende Lehrerpensionierungen. Zudem nimmt die Zahl der Berufsaussteiger zu, weil sich die Rahmenbedingungen in den Augen vieler laufend verschlechtern. 
SVP-Landrätin lanciert neue Idee gegen den Lehrermangel, BZ Basel, 11.7. von Hans-Martin Jermann


Satz des Pythagoras mündlich herleiten 
Was also tun gegen den Lehrermangel? Die Reinacher SVP-Landrätin Caroline Mall bringt im Baselbieter Parlament eine neue Idee ein: Demnach sollen die Zulassungsbedingungen für die Studiengänge Kindergarten und Primarstufe an der Pädagogischen Hochschule (PH) der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) gelockert werden. Insbesondere stört sich Mall daran, dass heute Sekundarstufe-II-Abgänger mit Berufsmaturität vor der Aufnahme eine Ergänzungsprüfung ablegen müssen. Kommt hinzu: Ohne vorgängigen, einjährigen Vorkurs ist diese Prüfung für Berufsmaturanden kaum zu schaffen. Im Rahmen der Mathematikprüfung müssten Anwärter zum Beispiel den Satz des Pythagoras mündlich herleiten können, führt Mall aus und kritisiert: «Das ist völlig überzogen, wenn man bedenkt, dass es um eine Ausbildung zur Kindergarten- oder Primarlehrperson geht.» 

Heute ist die Aufnahme an die PH für die Studiengänge Kindergarten/Unterstufe und Primarstufe so geregelt: Inhaber eines gymnasialen Maturitätszeugnisses haben einen prüfungsfreien Zugang, ebenso Absolventen einer Fachmittelschule (FMS) mit Schwerpunkt Pädagogik. Für Quereinsteiger mit Berufserfahrung, die mindestens 30 Jahre alt sind, ist vor einigen Jahren ein spezielles Verfahren aufgebaut worden: Sie werden im Rahmen eines zweitägigen Assessments auf kognitive Fähigkeiten und auf die Berufseignung geprüft. Caroline Mall schüttelt den Kopf: Das Assessment für Quereinsteiger sei ein Erfolgsmodell – doch weshalb lasse sich dieses nicht auf 20-Jährige mit Berufsmaturität übertragen? Dass Letztere gegenüber Anwärtern mit gymnasialer Maturität oder FMS-Abschluss in Pädagogik benachteiligt würden, sei nicht korrekt: «Wer sagt denn, dass ein Schreiner mit Berufsmatur der schlechtere angehende Pädagoge ist als ein Maturand mit Schwerpunkt Mathematik?» Für Mall ist die heutige Regel ungerecht und widerspricht unserem auf Durchlässigkeit angelegten Bildungssystem. 

Fachwissen geniesst zu hohen Stellenwert 
CVP-Landrat Pascal Ryf warnt davor, die Hürden für die Zulassung zur PH zu senken. Er fordert im Gegenteil strengere Selektionskriterien, damit die Ausbildung qualitativ besser und der Lehrerberuf somit insgesamt attraktiver wird. «Es wäre geradezu fatal, wenn wir wegen des Lehrermangels nun die Anforderungen generell nach unten schrauben würden.» Dennoch unterstützt Ryf, der lange als Schulleiter tätig war und seit dem 1. Juli als Präsident der landrätlichen Bildungskommission amtet, den Vorstoss. «Es ist nötig, die Zulassungsbedingungen unter die Lupe zu nehmen.» 

Auch Ryf ist der Auffassung, dass das Fachwissen einen zu grossen Stellenwert geniesst – sowohl bei der Zulassung als auch später in der Ausbildung: «Punkto Stoff werden immer höhere Anforderungen gestellt, die Ausbildung wird verakademisiert», kritisiert Ryf – und plädiert für einen Paradigmenwechsel: Komplexes Fachwissen bringe im Berufsalltag auf der Primarstufe oft sehr wenig; umso wichtiger seien Empathie und die Fähigkeit, Wissen zu vermitteln. Seine Schlussfolgerung: Bei der Zulassung sollten die Anwärter für eine PH-Ausbildung stärker auf ihre pädagogische Eignung geprüft werden. Er könnte sich vorstellen, das bereits heute für Quereinsteiger geltende Assessment auf alle Studienanwärter auszudehnen. 

Baselland kann nicht alleine entscheiden 
Dass Handlungsbedarf besteht, ist im Baselbiet wohl mehrheitsfähig. Allerdings können die Kantone hier nicht in Eigenregie Änderungen vornehmen. Zu den Zulassungsbedingungen fürs Lehrer-Studium hat die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren kürzlich eine Vernehmlassung für ein neues, schweizweit einheitliches Reglement durchgeführt. Eine Mehrheit der Kantone will an der Prüfung für Berufsmaturanden festhalten. Die Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind hat sich hingegen für eine prüfungsfreie Zulassung ausgesprochen. Zumindest sie müsste SVP-Landrätin Mall also nicht überzeugen. Ob der durch einen Landratsentscheid herbeigeführte Druck ausreicht, um die Diskussion auf nationaler Ebene neu zu lancieren, ist jedoch fraglich.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen