«Wir haben Dankesschreiben erhalten», Thurgauer Zeitung, 24.6. von Daniel Wirth
Die Direktion
Bildung und Freizeit und die Dienststelle Schule und Musik durchleben gerade
unruhige Zeiten. Von verschiedenen Seiten werden Stadtrat Markus Buschor und
Dienststellenleiterin Marlis Angehrn kritisiert. Lehrer trauten sich nicht,
ihre Meinung zu sagen. Der kantonale Lehrerverband will die Ursache dafür
kennen: Es herrsche ein Klima der Angst. Zuletzt haben drei ehemalige Lehrer
zum zweiten Mal die gleiche Aufsichtsbeschwerde gegen die Dienststelle Schule
und Musik eingereicht. Grund: Die Stadt hatte gemäss dem kantonalen
Verwaltungsgericht zu Unrecht zwei Lehrer fristlos entlassen.
Markus Buschor,
woher rührt die Kritik des Verbandes, in der Stadt St.Gallen hätten die Lehrer
Angst und kuschten vor der Verwaltung?
Markus Buschor:
Wir werden von einer Minderheit kritisiert und das ist alles andere als neu.
Schon vor zehn Jahren übte der Verband Kritik, wie Protokolle früherer
Hauptversammlungen es belegen. Damals gab es weder den Schuldirektor Markus
Buschor noch die Dienststellenleiterin Marlis Angehrn. Ich habe das Ganze auch
schon als Kesseltreiben gegen die Dienststelle Schule und Mu-sik und gegen die
Direktion Bildung und Freizeit bezeichnet.
Das klingt
abenteuerlich, demnach ist die Kritik des Lehrerverbandes an den Haaren
herbeigezogen?
Kritik gilt es
immer ernst zu nehmen. Das Bild des angeblichen Klimas der Angst wird von
einigen seit Jahren bewirtschaftet. Mir ist die Motivation dafür nicht bekannt.
Der Lehrerverband versucht damit wohl seiner Rolle als Gewerkschaft gerecht zu
werden. Teile des Verbandes lassen auch eine Wunschvorstellung erkennen, wie
die Vorgesetzten Lehrerinnen und Lehrer führen sollten.
Wie sieht diese
Wunschvorstellung aus?
Vermutlich
Vorgesetzte, die nicht führen. Das Gros der Lehrerinnen und Lehrer sieht jedoch
die Vorzüge pädagogisch geleiteter Schulen und bring sich engagiert mit
kritischer Stimme ein.
Es gibt auch
Stadtparlamentarier und Kommissionsmitglieder, die behaupten, die Stimmung
zwischen den Lehrern und der Verwaltung sei «hochtoxisch».
Die Ergebnisse,
eine Mitarbeitendenbefragung, die wir unlängst durchführten, sprechen deutlich
eine andere Sprache. Sie zeigen: Die Lehrerinnen und Lehrer in der Stadt
St.Gallen haben eine hohe Arbeitszufriedenheit. Kritisiert wurde die fehlende
Nähe der Dienststellenleitung zum Lehrkörper.
Wird diese
Kritik ernst genommen?
Ja, die
Dienststellenleitung versucht mit viel Einsatz in einem Betrieb mit ungefähr
900 Lehrpersonen mehr Nähe zu schaffen.
Wie?
Mit dem
pädagogischen Dialog. Das sind Arbeitsbesuche in den 20 Schulhäusern, die
einmal im Jahr durchgeführt werden, und mit Workshops zur Schulentwicklung, die
vier Mal im Jahr stattfinden. Wir stehen auch im ständigen Austausch sowohl mit
unseren Lehrerinnen und Lehrern, als auch mit dem kleinen Vorstand des
städtischen Lehrerverbandes.
Es gibt Lehrer,
die trauen sich nicht, in diesem Kreis ihre Meinung kundzutun. Sie befürchten
Repressionen.
Ich möchte alle
einladen, ihre Meinung kundzutun. Mir ist kein Fall bekannt, wonach eine blosse
Meinungskundgabe zu einer Repression geführt hätte. Auch wurde mir noch nie ein
konkretes Beispiel genannt von einer Lehrperson, die Angst gehabt haben soll
vor der Verwaltung der Schule. Und was mich befremdet an diesen nicht enden
wollenden Vorhaltungen: Im Schulhaus Buchental herrschte vor einigen Jahren
noch ein Klima der Angst, ausgelöst von Lehrpersonen. Das war mit ein Grund für
eine der ausgesprochenen Kündigungen.
Es heisst, die
Dienststelle Schule und Musik mahne ihre Lehrer bei einem Fehlverhalten sehr
schnell ab.
Die Stadt
St.Gallen beschäftigt rund 900 Lehrerinnen und Lehrer. Es kommt in einem Jahr
im Durchschnitt zu weniger als fünf Fällen, bei denen eine Schulleitung an die
Dienststelle gelangt, um das Fehlverhalten einer Lehrperson zu besprechen. Zu
einer tatsächlichen Verwarnung kommt es längst nicht in jedem dieser ohnehin
schon seltenen Fälle.
Im «Fall
Buchental» kam es zu einer fristlosen Kündigung ohne vorherige Verwarnung.
Dafür wurden Sie vom Verwaltungsgericht gerügt. Gibt es auch Lehrer, die
Verständnis haben, dass die Stadt zwei ihrer Kollegen fristlos entliess?
Öffentlich wurde jedenfalls nur laute Kritik.
Wir haben
Dutzende von Dankesschreiben erhalten, von Lehrpersonen und Schulleitern. Sie
dankten uns dafür, dass wir genau hinschauen und für unsere Entscheide danach
auch hinstehen.
Beim
Lehrerverband steht die Stadt St.Gallen im Ruf, unzimperlich mit Lehrern
umzugehen. Die Folge davon: Der Lehrermangel sei in der Stadt ausgeprägter als
andernorts.
Die Statistik
zeigt ein etwas anderes Bild. Die Stadt St.Gallen ist unter den grösseren
Schulgemeinden im Kanton diejenige mit der geringsten Fluktuation. Im
vergangenen Jahr gaben gerade einmal zwei Lehrkräfte an, sie gingen wegen der
Arbeitgeberin. Der Lehrermangel ist in der Stadt erst in Ansätzen spürbar. Der
Lehrermangel ist gemäss Angaben des Schweizerischen Lehrerverbandes eine
Herausforderung in der ganzen Schweiz.
Gibt es Lehrer,
die sich als kleine Könige im Schulzimmer verstehen?
Die gibt es.
Ich würde aber nicht von Königen sprechen, sondern von Einzelkämpferinnen und -kämpfern.
Es sind wenige, die an sich selbst den Anspruch stellen, die grossen
Herausforderungen nach wie vor alleine und nicht im geleiteten Team anzugehen.
Dabei hat dieser Wandel nicht erst gestern eingesetzt.
Wie hat sich
die Kultur in den Schulen der Stadt St.Gallen gewandelt?
Ich erinnere
mich noch gut an Zeiten, da konnte folgendes geschehen: Wenn ein Kind daheim
erzählte, die Lehrperson habe ihm eins an die Ohren gegeben, gab es zu Hause
nochmals eins drauf. Diese Zeiten sind vorbei. Zum Glück sind sie vorbei. Heute
sind Respekt und Wertschätzung Teil der Schulkultur. Wertschätzung gegenüber
Schülerinnen und Schülern, den Eltern, den Kolleginnen und Kollegen sowie den
Vorgesetzten.
Mangelnde
Wertschätzung, das reklamiert auch der Lehrerverband. Und die Lehrer meinen
damit ganz konkret Marlis Angehrn, die seit rund fünf Jahren die Leiterin der
Dienststelle Schule und Musik ist.
Für einen
Betrieb mit rund 1000 Mitarbeitenden ist es für die oberste Leitung nicht
einfach, die Wertschätzung über mehrere Führungsstufen hinweg wirkungsvoll zu
vermitteln. In den wenigen Fällen von Fehlverhalten braucht es aber auch eine
klare Linie.
Über ihre
wichtigste Mitarbeiterin lassen Sie offenbar nichts kommen.
Marlis Angehrn ist
eine erfahrene, kompetente und korrekte Dienststellenleiterin. Sie verfolgt die
Weiterentwicklung der Schulen unter Einbezug der Basis konsequent und
aufmerksam. Aufgrund ihrer bisherigen Arbeit würde ich sie als Geschenk für die
Schulen der Stadt bezeichnen. Ich habe Marlis Angehrn angestellt, weil sie
Führungsverantwortung wahrnimmt und hinschaut, obwohl Hinschauen ein
anspruchsvoller Weg ist.
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