15. Juni 2019

Pseudowissenschaftlichkeit gepaart mit Eigenmächtigkeit


Ein Aufschrei geht durch die Bildungspolitik der Schweiz. Am 24. Mai wurden die Ergebnisse der nationalen Leistungstests publiziert. Die Eidgenössische Erziehungsdirektoren Konferenz (EDK), die ohne demokratische Legitimation das bisher erfolgreiche Bildungssystem unseres Landes zur sogenannten "Kompetenzorientierung" zwingt, zögerte die Veröffentlichung seit 2016/17 lange hinaus. Die schlechten Ergebnisse der landesweiten Leistungserhebung stellen der EDK und ihrer "Kompetenzorientierung" ein schlechtes Zeugnis aus. Letztere scheint offenbar keine allzu grossen Kompetenzen hervorzubringen.


Fragwürdige Leistungstests
Mit den nationalen Leistungstests wollte die EDK einen Vergleich zwischen den Kantonen. Urs Kalberer1, Sprachdidaktiker und Sekundarlehrer fragt sich, warum nun betont werde, dass die Kantone aufgrund unterschiedlicher Stundenzahlen gar nicht zu vergleichen seien. Warum gab es dann aber eine solch aufwändige Vergleichsuntersuchung? Bilinguale Kantone wie Wallis oder Freiburg wiederum sind punkto Französischkenntnisse nicht vergleichbar mit Baselland, wo die Schülerschaft kaum Berührungspunkte mit der zweiten Landessprache hat. Warum, fragt Kalberer weiter, waren die Schülerleistungen in Mathematik und beim Leseverständnis anlässlich der PISA-Prüfungen besser als bei den nationalen Tests? Und warum herrscht bezüglich dieser Unstimmigkeiten völlige Intransparenz? Prof. Dr. Walter Herzog2 hegt dazu eine Vermutung.

Pseudowissenschaftlichkeit und Eigenmächtigkeit
Herzog erachtet die Kompetenzbeschreibungen des Lehrplans 21 als viel zu vage zur Überprüfung von Schülerleistungen. Ferner betont er, wird die Abgrenzung zwischen Kompetenz und Inkompetenz von der EDK ausgehandelt, also nicht nach wissenschaftlichen Kriterien bestimmt. Offenbar geht es hier nicht um eine ergebnisoffene Auswertung von Prüfungsergebnissen, sondern darum, „(...) dass man nicht will, dass zu viele oder zu wenige Schülerinnen und Schüler als inkompetent bezeichnet werden.“ Damit wäre der Manipulation Tür und Tor geöffnet. Die EDK könnte so ihren eigenwillig eingeschlagenen Reformkurs mittels frisierter Testresultate rechtfertigen. Die Ergebnisse könnten also noch viel schlechter sein. Die EDK legt nicht nur fest, „(...) wie unser Schulsystem zu reformieren ist, sondern beschliesst auch gleich noch selber, wie gut ihr die Reform gelungen ist.“ Diese Eigenmächtigkeit hat System, auch im Kanton Baselland.

Monopol der Fachhochschulen
Der Lehrplan 21 wurde unter der Scheinbeteiligung von Lehrkräften von den Fachhochschulen (FH) erstellt. In Anlehnung daran entwarfen sie ideologische Unterrichtskonzepte wie das "Selbstorganisierte Lernen", das die Schülerschaft völlig überfordert oder die gescheiterte "Mehrsprachigkeitsdidaktik", die im Fremdsprachenunterricht ohne Vermittlung von Wortschatz, Grammatik und Übungsmöglichkeiten auskommen will. Nach Vorgabe dieser Ideologien vergaben die FH Aufträge an ausgewählte Verlage, die darauf basierende Unterrichtsmaterialien schufen, z.B. Mathbu, Mille feuilles, Clin d'oeil, New World. Wer die Vorgaben nicht erfüllte, bekam keine Aufträge. Die FH haben ergo das Weisungsrecht, mit welchen Lehrmitteln an der öffentlichen Schule zu unterrichtet ist. Im Baselbiet bestimmt diesbezüglich also weder die Bildungsdirektion noch der Bildungsrat - dieser winkte die Bücher mangels Alternativen einfach durch. Ausschlaggebend bei der Wahl von Unterrichtsmaterialien sind folglich nicht die Bedürfnisse der Lernenden, sondern Ideologien. Im Bemühen, ihren Einfluss nicht zu verlieren, bedient sich die FH Nordwestschweiz (FHNW) einfallsreicher Methoden.

Filz im Getriebe
Im Amt für Volksschulen arbeiten Angestellte, welche dort die Interessen der FHNW vertreten. Es heisst allerdings nicht umsonst, "Niemand kann zwei Herren dienen", was die Frage aufwirft, für wen diese Leute letztlich arbeiten. Auffällig in diesem Zusammenhang ist der Auftritt einer AVS-Angestellten an diversen Standorten der Sekundarschule. Sie pries dort vehement und ausschliesslich die Kompetenzorientierung an, ohne die zuvor vom Parlament beschlossenen Themen und Stoffziele im Baselbieter Lehrplan zu erwähnen, so als gäbe es diese gar nicht. Eine weitere Angestellte bringt sich ohne Auftrag fortlaufend in die Evaluation neuer Fremdsprachenlehrbücher ein. Dies im Widerspruch zur vereinbarten Autonomie der hierfür geschaffenen Arbeitsgruppen. Zufälligerweise macht sie sich immer wieder stark für Lehrmittel basierend auf der gescheiterten Mehrsprachigkeitsdidaktik. Zuletzt erstellte sie Preislisten zuhanden der Lehrmittelkommission. Dabei verteuerte sie die der FHNW nicht genehmen Bücher künstlich und deklarierte sie als Einweglehrmittel, obwohl sie für mehrere Jahrgänge einsetzbar sind.

Lehrmittelfreiheit als Antifilzmittel
Die von der Bildungsdirektion angestrebte Lehrmittelfreiheit beendet das Lehrmitteldiktat der FHNW, das nicht zuletzt zu den verheerenden Resultaten bei den nationalen Leitungstests führte. Mit der Lehrmittelfreiheit hat die Lehrkraft die Möglichkeit, ein an die Bedürfnisse ihrer Klasse optimal angepasstes Lehrmittel zu wählen. Die dank der Starken Schule beider Basel im Baselbieter Lehrplan festgeschriebenen Stoffinhalte und Themen sichern dabei einen für alle Lernenden standardisierten Stoffaufbau. Die Kombination von Stoffinhalten und Themen mit der Lehrmittelfreiheit entspricht dem Grundsatz: Viele Wege führen nach Rom. Den einzig richtigen Weg, wie ihn die FHNW in der Kompetenzorientierung zu erkennen glaubt, gibt es nicht. Dies ist der Hauptirrtum dieser von der EDK uniform und flächendeckend erzwungenen Schulreform. Aber auch andere Faktoren spielen eine Rolle beim schlechten Abschneiden unseres Kantons bei den nationalen Leistungstests.

Hauptursachen der Bildungsmisere
Neben der Kompetenzorientierung haben auch die unsägliche Menge anderer Reformen innert weniger Jahre und deren quasi Gleichzeitigkeit ihren Anteil daran. Die Umstellung der Lehrerausbildung, Frühfremdsprachen auf der Primarstufe, der Wechsel von 5/4 auf 6/3 und die Projektarbeit, um nur wenige Beispiele zu nennen, sind jede für sich aufwändig mit entsprechendem Ressourcenbedarf. Die Ressourcen aber wurden aufgrund mehrerer Sparpakete verknappt, während die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte wegen der Umsetzung der Reformen und der Aufstockung der Lektionenzahl zunahm. Zusätzlich gehen die Projektarbeit und Informatik zulasten des Deutsch- bzw. Mathematikunterrichts. Das Erreichen von Lehrplanzielen ist so nicht möglich. Der grösste Stolperstein im heutigen Schulsystem ist allerdings die Integration. Dazu konnte man in der Sonntagszeitung vom 28. April folgendes lesen: „Für 60 Prozent der Klassenlehrer sind verhaltensauffällige Schüler der grösste Belastungsfaktor. Sie werden als noch strapaziöser empfunden als Schulreformen.“ Die Behörden merken erst jetzt, „(...) dass die Integration der kleinen Wutbürger für viele Pädagogen das Problem Nummer eins ist."


1https://schuleschweiz.blogspot.com/2019/05/liebe-edk-es-waren-da-noch-ein-paar.html
2https://condorcet.ch/2019/05/geheimsache-schwellenwerte/


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