Ein Aufschrei geht durch die
Bildungspolitik der Schweiz. Am 24. Mai wurden die Ergebnisse der nationalen
Leistungstests publiziert. Die Eidgenössische Erziehungsdirektoren Konferenz
(EDK), die ohne demokratische Legitimation das bisher erfolgreiche Bildungssystem
unseres Landes zur sogenannten "Kompetenzorientierung" zwingt,
zögerte die Veröffentlichung seit 2016/17 lange hinaus. Die schlechten
Ergebnisse der landesweiten Leistungserhebung stellen der EDK und ihrer
"Kompetenzorientierung" ein schlechtes Zeugnis aus. Letztere scheint
offenbar keine allzu grossen Kompetenzen hervorzubringen.
EDK, AVS, FHNW - das Bermudadreieck der Eigenmächtigkeit, 4.6. von Felix Hoffmann
Fragwürdige
Leistungstests
Mit den
nationalen Leistungstests wollte die EDK einen Vergleich zwischen den Kantonen.
Urs Kalberer1, Sprachdidaktiker und Sekundarlehrer
fragt sich, warum nun betont werde, dass die Kantone aufgrund unterschiedlicher
Stundenzahlen gar nicht zu vergleichen seien. Warum gab es dann aber eine solch
aufwändige Vergleichsuntersuchung? Bilinguale Kantone wie Wallis oder Freiburg
wiederum sind punkto Französischkenntnisse nicht vergleichbar mit Baselland, wo
die Schülerschaft kaum Berührungspunkte mit der zweiten Landessprache hat.
Warum, fragt Kalberer weiter, waren die Schülerleistungen in Mathematik und
beim Leseverständnis anlässlich der PISA-Prüfungen besser als bei den
nationalen Tests? Und warum herrscht bezüglich dieser Unstimmigkeiten völlige
Intransparenz? Prof. Dr. Walter Herzog2 hegt dazu eine Vermutung.
Pseudowissenschaftlichkeit
und Eigenmächtigkeit
Herzog erachtet
die Kompetenzbeschreibungen des Lehrplans 21 als viel zu vage zur Überprüfung
von Schülerleistungen. Ferner betont er, wird die Abgrenzung zwischen Kompetenz
und Inkompetenz von der EDK ausgehandelt, also nicht nach wissenschaftlichen
Kriterien bestimmt. Offenbar geht es hier nicht um eine ergebnisoffene
Auswertung von Prüfungsergebnissen, sondern darum, „(...) dass man nicht will,
dass zu viele oder zu wenige Schülerinnen und Schüler als inkompetent
bezeichnet werden.“ Damit wäre der Manipulation Tür und Tor geöffnet. Die EDK
könnte so ihren eigenwillig eingeschlagenen Reformkurs mittels frisierter
Testresultate rechtfertigen. Die Ergebnisse könnten also noch viel schlechter
sein. Die EDK legt nicht nur fest, „(...) wie unser Schulsystem zu reformieren
ist, sondern beschliesst auch gleich noch selber, wie gut ihr die Reform
gelungen ist.“ Diese Eigenmächtigkeit hat System, auch im Kanton Baselland.
Monopol
der Fachhochschulen
Der Lehrplan 21
wurde unter der Scheinbeteiligung von Lehrkräften von den Fachhochschulen (FH)
erstellt. In Anlehnung daran entwarfen sie ideologische Unterrichtskonzepte wie
das "Selbstorganisierte Lernen", das die Schülerschaft völlig
überfordert oder die gescheiterte "Mehrsprachigkeitsdidaktik", die im
Fremdsprachenunterricht ohne Vermittlung von Wortschatz, Grammatik und
Übungsmöglichkeiten auskommen will. Nach Vorgabe dieser Ideologien vergaben die
FH Aufträge an ausgewählte Verlage, die darauf basierende
Unterrichtsmaterialien schufen, z.B. Mathbu, Mille feuilles, Clin d'oeil, New
World. Wer die Vorgaben nicht erfüllte, bekam keine Aufträge. Die FH haben ergo
das Weisungsrecht, mit welchen Lehrmitteln an der öffentlichen Schule zu
unterrichtet ist. Im Baselbiet bestimmt diesbezüglich also weder die
Bildungsdirektion noch der Bildungsrat - dieser winkte die Bücher mangels
Alternativen einfach durch. Ausschlaggebend bei der Wahl von Unterrichtsmaterialien
sind folglich nicht die Bedürfnisse der Lernenden, sondern Ideologien. Im
Bemühen, ihren Einfluss nicht zu verlieren, bedient sich die FH Nordwestschweiz
(FHNW) einfallsreicher Methoden.
Filz im
Getriebe
Im Amt für
Volksschulen arbeiten Angestellte, welche dort die Interessen der FHNW
vertreten. Es heisst allerdings nicht umsonst, "Niemand kann zwei Herren
dienen", was die Frage aufwirft, für wen diese Leute letztlich arbeiten.
Auffällig in diesem Zusammenhang ist der Auftritt einer AVS-Angestellten an
diversen Standorten der Sekundarschule. Sie pries dort vehement und
ausschliesslich die Kompetenzorientierung an, ohne die zuvor vom Parlament
beschlossenen Themen und Stoffziele im Baselbieter Lehrplan zu erwähnen, so als
gäbe es diese gar nicht. Eine weitere Angestellte bringt sich ohne Auftrag
fortlaufend in die Evaluation neuer Fremdsprachenlehrbücher ein. Dies im
Widerspruch zur vereinbarten Autonomie der hierfür geschaffenen Arbeitsgruppen.
Zufälligerweise macht sie sich immer wieder stark für Lehrmittel basierend auf
der gescheiterten Mehrsprachigkeitsdidaktik. Zuletzt erstellte sie Preislisten
zuhanden der Lehrmittelkommission. Dabei verteuerte sie die der FHNW nicht
genehmen Bücher künstlich und deklarierte sie als Einweglehrmittel, obwohl sie für
mehrere Jahrgänge einsetzbar sind.
Lehrmittelfreiheit
als Antifilzmittel
Die von der
Bildungsdirektion angestrebte Lehrmittelfreiheit beendet das Lehrmitteldiktat
der FHNW, das nicht zuletzt zu den verheerenden Resultaten bei den nationalen
Leitungstests führte. Mit der Lehrmittelfreiheit hat die Lehrkraft die
Möglichkeit, ein an die Bedürfnisse ihrer Klasse optimal angepasstes Lehrmittel
zu wählen. Die dank der Starken Schule beider Basel im Baselbieter Lehrplan
festgeschriebenen Stoffinhalte und Themen sichern dabei einen für alle
Lernenden standardisierten Stoffaufbau. Die Kombination von Stoffinhalten und
Themen mit der Lehrmittelfreiheit entspricht dem Grundsatz: Viele Wege führen
nach Rom. Den einzig richtigen Weg, wie ihn die FHNW in der Kompetenzorientierung
zu erkennen glaubt, gibt es nicht. Dies ist der Hauptirrtum dieser von der EDK
uniform und flächendeckend erzwungenen Schulreform. Aber auch andere Faktoren
spielen eine Rolle beim schlechten Abschneiden unseres Kantons bei den
nationalen Leistungstests.
Hauptursachen
der Bildungsmisere
Neben der
Kompetenzorientierung haben auch die unsägliche Menge anderer Reformen innert
weniger Jahre und deren quasi Gleichzeitigkeit ihren Anteil daran. Die
Umstellung der Lehrerausbildung, Frühfremdsprachen auf der Primarstufe, der
Wechsel von 5/4 auf 6/3 und die Projektarbeit, um nur wenige Beispiele zu
nennen, sind jede für sich aufwändig mit entsprechendem Ressourcenbedarf. Die
Ressourcen aber wurden aufgrund mehrerer Sparpakete verknappt, während die Arbeitsbelastung
der Lehrkräfte wegen der Umsetzung der Reformen und der Aufstockung der
Lektionenzahl zunahm. Zusätzlich gehen die Projektarbeit und Informatik
zulasten des Deutsch- bzw. Mathematikunterrichts. Das Erreichen von
Lehrplanzielen ist so nicht möglich. Der grösste Stolperstein im heutigen
Schulsystem ist allerdings die Integration. Dazu konnte man in der
Sonntagszeitung vom 28. April folgendes lesen: „Für 60 Prozent der
Klassenlehrer sind verhaltensauffällige Schüler der grösste Belastungsfaktor. Sie
werden als noch strapaziöser empfunden als Schulreformen.“ Die Behörden merken
erst jetzt, „(...) dass die Integration der kleinen Wutbürger für viele
Pädagogen das Problem Nummer eins ist."
1https://schuleschweiz.blogspot.com/2019/05/liebe-edk-es-waren-da-noch-ein-paar.html
2https://condorcet.ch/2019/05/geheimsache-schwellenwerte/
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen