Es war
eine verblüffende Basler Schulkonferenz vor einigen Wochen in der
St.Jakobshalle vor rund 3000 Lehrerinnen und Lehrern: Munter präsentierte Gaby
Hintermann, abtretende Präsidentin der Kantonalen Schulkonferenz Basel, ihre Kleider,
die sie während ihrer Amtsjahre auf dieser Bühne getragen hatte, der milde lächelnde
Erziehungsdirektor Conradin Cramer bekam ein afrikanisches Liedchen gesungen,
in dem um Wasser, beziehungsweise Geld, gebeten wurde, und Diskussionen über
die Klimabewegung wurden elegant umschifft.
Die erstaunliche Harmlosigkeit der Basler Lehrer-Gewerkschaft, Basler Zeitung, 4.6. von Franziska Laur
Friede, Freude,
Eierkuchen. So segeln die Basler Schulpädagogen durch den Schulalltag. Diese
Stimmigkeit ist in hohem Masse dem Umstand geschuldet, dass der leitende Ausschuss
der Kantonalen Schulkonferenz (KSBS)und die Geschäftsleitung der Freiwilligen
Schulsynode (FSS) aus denselben Personen bestehen. Eine unabhängige Gewerkschaft,
wie etwa in Baselland und in den meisten anderen Kantonen, haben die Lehrer
nicht. Auch wenn dies Vorstandsmitglied Jean-Michel Héritier in Abrede stellt. «Wir
sind nahe an den Informationen des Erziehungsdepartements, aber wir trennen die
staatlichen Geschäfte und die Lehrervertretung sauber», sagt er. Nur so komme
man stets an alle Informationen heran und gelte beim Kanton als solider Verhandlungspartner.
«Ein zahnloses
Gefüge»
«Der
Kanton Baselland macht vor, wie man auf Augenhöhemit dem Regierungsrat
verhandeln kann und den Mut zum Widerspruch hat», sagt indes der Basler
Gymnasiallehrer Georg Geiger. Er sieht die städtische Personalunion als
«zahnloses Gefüge», das sich selber blockiert.«An der jährlichen Schulkonferenz
ist man stets wahnsinnig bemüht, alles abzuklemmen, was für Ärger sorgen
könnte», sagt er. Tatsächlich sei an der Jahresversammlung in der
St.Jakobshalle sein Antrag lediglich verwässert präsentiert worden, damit man
politisch nicht auffällt. Georg Geiger hatte im Vorfeld der Versammlung einen
Antrag betreffend Unterstützung der Klimabewegung Basel eingereicht. Es sollte
darüber abgestimmt werden, ob die Basler Lehrerinnen und Lehrer die Ausrufung
des Klimanotstandes unterstützen oder nicht. «In zähen Verhandlungen weigerte
sich die Geschäftsleitung, diesen Antrag vors Plenum zu bringen», sagt er. Man
habe argumentiert, sie seien keine Gewerkschaft und auch keine klassische
Standesorganisation, sondern eine Art Vermittler zwischen Erziehungsdepartement
und Lehrpersonen. Nach Kompromissen im Wortlaut liess Gaby Hintermann im Plenum
dann nicht darüber abstimmen, sondern holte nur ein Stimmungsbild ein. Wenn
jedoch Erziehungsdirektor Conradin Cramer die Gymnasialquote mit unter Eltern
und Lehrern umstrittenen Massnahmen senken wolle, ziehe er diese mit aller
Konsequenz durch, und die Personalunion schweige öffentlich weiter, sagt
Geiger. Diese Beispiele zeigen die tief sitzende Angst der Kantonalen
Schulkonferenz, sich unbequem zu zeigen. Und da das Führungsgremium dasselbe ist
wie bei der Freiwilligen Schulsynode, fühlen sich viele Lehrer auch von dieser nicht
vertreten. So wurden die Lehrerinnen und Lehrer, die sich nach Absprache mit den
Eltern weigerten, mehrseitige Lernberichte über die kleinsten Schüler zu
verfassen, von der Nicht-Gewerkschaft im Stich gelassen. Sie wurden vom
Erziehungsdepartement für ihre Verweigerung dieser Bürokratie und Beurteilungsflut
abgekanzelt und mundtot gemacht, ohne dass sich jemand hinter sie gestellt
hätte. «Ich wünschte mir, dass es eine Lehrergewerkschaft gibt, die die Lehrer schützt»,
sagt Geiger. Besonders jetzt, da mit der Digitalisierung eine neue Reform
voller offener Fragen und Unsicherheiten auf die Schulen zukäme.
Historisch
gewachsen
Jean-Michel
Héritier sieht jedoch eine historische und bewährte Tradition in der
Personalunion. Diese zwei Verbände hätten schon vor über hundert Jahren existiert.
1928 habe jedoch der damalige Erziehungsdirektor Fritz Hauser, ein Sozialdemokrat,
die Freiwillige Schulsynode aufgelöst,
mit dem Argument, im Kantonalverband würden ja eh die Fäden zusammenlaufen, und
diese Organisation genüge. Nach einem Jahr gab es im Vorstand dagegen Widerstand,
und dieser gründete die
Freiwillige Schulsynode erneut. «Es waren damals wie heute die gleichen Leute. Das
macht uns als Verhandlungspartner solide», sagt Héritier. Doch vor jedem
Entscheid werde ein ausgeklügelter, basisdemokratischer Prozess in Gang gesetzt,
indem die Meinung der 4000 Mitglieder der Freiwilligen Schulsynode über die Standortdelegierten
eingeholt werde. Mittlerweile ist auch die Mehrheit der Pädagogen dermassen handzahm,
dass sie sich nicht ernstlich gegen die Obrigkeit auflehnen und die Wahl der Vorstände
der Personalunion jeweils absegnen.«Ich habe x Jahre daran gedacht, einen
Antrag zu stellen, damit die Personalunion auseinanderdividiert wird», sagt
Geiger. Doch dann hätte er eine neue Struktur aufbauen müssen, und dazu fehlten
ihm die Kapazitäten. So wirken weiterhin die Kräfte einer gut geölten Maschine
von Vernehmlassung und Kommissionen,die hauptsächlich Harmonie und Ausgleich statt
echter Auseinandersetzung bringen.
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