Wie gut lernen die Kinder hierzulande lesen,
schreiben und rechnen? Die Kantone sind dieser Frage erstmals in einem
gemeinsamen nationalen Test nachgegangen. Die Ergebnisse liegen schon lange
vor, publiziert sind sie immer noch nicht.
Was lernen unsere Kinder? Der grosse Schultest der Kantone hat Verspätung. Schweiz am Wochenende, 7.4. von Kari Kälin
Erbaulich war das letzte Ergebnis der Pisa-Studie
nicht. Rund 20 Prozent der Schüler verlassen die Schulstuben hierzulande als
funktionale Analphabeten. Immer wieder berichten Lehrbetriebe über mangelnde
Deutschkenntnisse. Ein Sprecher der Stadtpolizei St. Gallen sagte vor gut zwei
Jahren gegenüber der «Ostschweiz am Sonntag», bis zu 50 Prozent der Bewerber
würden den Eignungstest wegen zu schlechtem Deutsch nicht bestehen.
Wie gut die Kinder lesen, schreiben und rechnen
lernen, will die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) dank einer
eigenen Erhebung erfahren. Dafür lösten die Schüler im Jahr 2016 am Ende der
obligatorischen Schulzeit Mathematikaufgaben. Ein Jahr später taten
Sechstklässler dasselbe in der Muttersprache und der ersten Fremdsprache. An
beiden Erhebungen nahmen je rund 23'000 Schüler aus allen Kantonen teil. Für
das gesamte Projekt sind rund 6,75 Millionen Franken budgetiert. Der
Hintergrund der sogenannten «Überprüfung der Grundkompetenzen» ist der
Bildungsartikel, den das Volk im Jahr 2006 annahm. Er verlangt eine
Harmonisierung der Volksschule. Die EDK hat Grundkompetenzen definiert und
überprüft jetzt, inwieweit sie erreicht werden.
Im Mai wird der Schleier gelüftet
Die Resultate der Erhebung wollte die EDK
ursprünglich im Bildungsbericht 2018 bekannt geben. Stattdessen wartet die
Öffentlichkeit immer noch auf die Ergebnisse, obwohl sie schon seit mehr als
einem Jahr vorliegen. Die EDK-Plenarversammlung entschied dann aber, die
Publikation zu verschieben, «damit bei der Erstpublikation eine differenzierte
Interpretation unter erweitertem Einbezug von Kontextvariablen auf kantonaler
Ebene möglich wird».
Zugleich setzte die EDK eine Task-Force unter der
Leitung des St. Galler Bildungsdirektors Stefan Kölliker (SVP) ein. Sie erhielt
unter anderem die Aufgabe, einen Vorschlag für den Publikationszeitpunkt zu
unterbreiten. Unterdessen steht fest, dass die Ergebnisse am 24. Mai
veröffentlicht werden. Einige Kantone äusserten Unmut über den schleppenden
Prozess.
Bericht aus Luxemburg für 37'000 Franken
Gemäss Recherchen unserer Zeitung förderten die
Tests kantonal unterschiedliche Resultate zu Tage. Bevor sie offiziell
vorgestellt werden, mag sie die EDK nicht kommentieren. Generalsekretärin
Susanne Hardmeier sagt aber, man werde sie sorgfältig interpretieren müssen.
«Wir wollen nicht einfach ein Ranking nach Kantonen erstellen. Wir wollen die
Ergebnisse gut einbetten können.» Sind die Unterschiede zwischen den Kantonen
der Grund für die Verzögerung? Hardmeier antwortet: «Zu den Ergebnissen kann
ich keine Stellung nehmen. Bei erstmalig durchgeführten Projekten dieser
Grössenordnung kann selbstverständlich nicht ausgeschlossen werden, dass es zu
Verspätungen kommt.»
Klar ist: Nachdem die Schüler die Tests absolviert
hatten, kamen bei der EDK offenbar Zweifel auf, ob die von ihr gewählte
Übungsanlage zur Messung der Grundkompetenzen taugt. Im Auftrag einer
EDK-Kommission erstellte das Luxemburger Zentrum für Bildungstests für 37'000
Franken deshalb einen Bericht. Die ausländischen Experten bestätigten die Wissenschaftlichkeit
der Arbeiten.
Schwellenwert aufgrund der Ergebnisse festgelegt
Auf Kritik stösst nicht nur die Verspätung, sondern
auch folgende Tatsache: Die EDK hat zuerst geschaut, wie die Schüler beim Lösen
der Aufgaben abschneiden. Erst danach hat sie die Schwellenwerte bestimmt, auf
denen jeweils das Leistungsniveau erfüllt ist. Dieses Vorgehen erlaubt es,
unbefriedigende Ergebnisse zu beschönigen, indem man die Anforderungen nach
unten schraubt. Walter Herzog, emeritierter Professor für Pädagogische
Psychologie an der Universität Bern, kritisiert dieses Vorgehen.
«Massstab zur Beurteilung, was unsere Schulen
leisten sollen, muss sein, welche Bildung notwendig ist, um in unserer
Gesellschaft zu reüssieren, und nicht, was die Schulen aktuell zustande
bringen», sagt er. Wenn man die Grundkompetenzen überprüfen wolle, müsse man
sich vor dem Test überlegen, über welche Fähigkeiten die Schüler mindestens
verfügen sollten. EDK-Generalsekretärin Susanne Hardmeier kann die Kritik nicht
nachvollziehen. «Die EDK hat im Jahr 2011 Grundkompetenzen für vier
Fachbereiche festgelegt. Diese beschreiben sehr genau, welche Fähigkeiten die
Schüler mindestens erwerben sollen.»
Die Schwellenwertsetzung sei eine zweite
Qualitätsschlaufe. Lehrpersonen und Fachdidaktiker würden die Angemessenheit
der Aufgaben beurteilen. Dabei gehe es nicht darum, das Niveau zu verändern,
«denn dieses ist ja eben genau durch die Grundkompetenzen definiert».
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