Die Uni-Professoren sorgen sich wegen der mangelnden Französisch-Kenntnisse der
Schüler. «Das beunruhigt uns sehr, denn es bedeutet, dass die in der Sek II
gesetzten Lernziele nicht erreicht werden können, wenn gleichzeitig ein
zweijähriger Lernrückstand aufgeholt werden muss», steht in einem Brief,
gezeichnet von den Professoren Lorenza Mandada, Hugues Machal und Dominique
Brancher. Sie haben ihn im Februar an das Erziehungsdepartement gesandt.
Universitäts-Professoren sind tief besorgt, Basler Zeitung, 26.3. von Franziska Laur
Die
von den Reformen betroffenen Schüler würden mit diesem schlechten Wissensstand
kaum mehr die Möglichkeit haben, an frankophonen Unis zu studieren oder ein
Französisch-Studium an der Uni Basel zu beginnen.
Baselland
zieht Konsequenzen
Das
Passepartout-Projekt, seit August 2011 in Kraft, hat zur Folge, dass viele
Kinder noch nach zwei, drei Jahren Französisch-Unterricht Schwierigkeiten mit
dem Sprechen und der Grammatik haben. Unterrichtet wird in der Primarstufe mit
Mille feuilles und in der Sekundarstufe mit Clin d’oeil. Diese Lehrmittel seien
absolut ungeeignet, argumentieren Lehrer. Aufgrund des massiven Widerstands hat
die Baselbieter Regierung eingelenkt und gibt die Wahl des Lehrmittels frei.
Im
Kanton Solothurn müssen nicht mehr alle Lehrer Weiterbildungen dazu besuchen
und es sollen alternative Lehrmittel gesucht werden. Doch Basel-Stadt hält
unvermindert am Passepartout-Projekt und an den dazugehörigen Lehrmitteln fest.
Ein
neues Lehrmittel gebe immer zu Diskussionen Anlass. Das sei auch beim
vorherigen Lehrmittel Bonne Chance so gewesen, sagt Simon Thiriet,
Pressesprecher des Erziehungsdepartements. Ein allgemeines Missbehagen wegen
Passepartout könne man nicht feststellen. Allerdings kommt auch er ins
Sinnieren: «Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass der Austausch zwischen
Sekundarschule und Gymnasium intensiviert werden kann», sagt Thiriet. Es
befinde sich eine Expertengruppe aus Lehrpersonen im Aufbau. Diese solle
zentrale Themen wie Hilfestellungen bearbeiten.
Probleme
auf allen Ebenen
Neben
den Professoren machen sich auch die Gymnasiallehrer, die ungenügend geschulte
Schüler aus der Sekundarschule übernehmen müssen, Sorgen. Der BaZ wurde ein
Protokoll der Fachkonferenz der Sekundarstufe, Fremdsprachen, zugespielt. Unter
anderen stellte darin Marco Bischofsberger, Lehrer am Gymnasium Leonhard und
zentraler Fachpräsident der Gymnasien, fest, dass er von vier Gymnasien
unaufgefordert Rückmeldungen erhalten hat. «Es zeigen sich Probleme auf allen
Ebenen: Schülerinnen und Schüler verstehen die Lehrpersonen nicht; mündlicher
spontaner Austausch geht nicht; wenig Wortschatz ...» Die Gymnasial-Lehrer
seien alarmiert, da sie im Französischunterricht momentan Basics repetieren
müssen. Und sie hätten mit sehr verunsicherten Schülern zu tun.
Daniel
Goepfert ist ehemaliger Französisch-Gymnasiallehrer und SP-Grossrat. «Eines
gilt es zu sagen», sagt er. «Die Sek-I-Lehrer leisten gute, grosse Arbeit.» An
der Misere mit den schlechten Französisch-Kenntnissen der Schüler seien sie
nicht schuld.
Das
Problem liege am Passepartout-Konzept, am Lehrmittel und an der frühen
Einführung des Fachs Französisch. «Schon in der dritten Klasse mit Französisch
zu beginnen und diese Stunden dann weiter oben im Wochenplan abzuzwacken geht
gar nicht.» Das zweite Problem sei das Sprachenbad, das gar keines sei.
Mit
zwei, drei Stunden Fremdsprachen-Unterricht pro Woche könne man nicht von einem
Sprachenbad sprechen. Ein solches sei es erst, wenn ein Kind von früh bis spät
von der Fremdsprache berieselt werde. «Ich kam im Alter von fünf Jahren von der
Deutschschweiz nach Lausanne. Kein Mensch konnte Deutsch.» Das sei ein
Sprachbad, doch das könne man mit zwei bis drei Stunden Französisch pro Woche
nicht imitieren.
«Man
darf sich ruhig eingestehen, wenn etwas falsch läuft», sagt er und spricht
damit die Basler Behörden an. Vielleicht würde es seiner Meinung nach eher Sinn
machen, mit der ersten Fremdsprache zuzuwarten und das Gewicht zunächst auf
sattelfestes Erlernen der deutschen Sprache zu legen. «Gerade die Sek-I-Lehrer
haben schon viel zu tun mit der Integration von Schülern, deren Muttersprache
eine Fremdsprache ist», sagt er. Solange aber das Frühfranzösisch gesetzlich
festgelegt sei, müsse auf das Lehrmittel Mille Feuilles verzichtet werden. Es
habe die Schwäche, dass mit Originaltexten, also Texten aus französischen
Zeitungen, gearbeitet wird. «Das ist vor allem für schwache Schüler ein grosses
Problem.» Auch beinhalte es keine grammatikalischen Strukturen. «Ich weiss von
Rückmeldungen, dass diejenigen, die jetzt ans Wirtschaftsgymnasium kommen, in
der Regel keine Verben konjugieren können.» Und wenn sie die Konjugationen doch
beherrschen würden, seien sie ihnen von ihren Lehrern heimlich beigebracht
worden. Die alarmierenden Rückmeldungen der Gym-Lehrer kämen wenig
überraschend, sagt der Baselbieter Fremdsprachenlehrer auf Sek-I-Stufe, Philipp
Loretz: «Schon vor über einem Jahr bestätigten flächendeckende Hearings die
seit Jahren geübte Kritik an Mille Feuilles und Clin d’oeil.» Kein aufbauender
Alltagswortschatz; kein systematischer Aufbau von Strukturen, stattdessen
oberflächliche Sight-Seeing-Didaktik, sei schon damals das Fazit gewesen.
Vorsichtig
optimistisch
«Dass
der Französischmisere auch auf der Gymnasialstufe kaum beizukommen ist, ist die
logische Folge dieses verfehlten Fremdsprachenkonzepts», sagt Loretz, der auch
Mitglied der Geschäftsleitung des Lehrerverbandes Baselland ist. Das Ausmass
dieses realitätsfremden Konzepts sei jetzt eben, dass den jetzigen Gym-Schülern
nach sieben Jahren Passepartout-Französisch elementare Basics beigebracht
werden müssen. Auch er kommt zum selben Schluss wie die Professoren: In
zweieinhalb Jahren werden sich die Unis unweigerlich mit angehenden
Romanistik-Studenten konfrontiert sehen, die nicht über die für das Studium
notwendigen Kompetenzen verfügen. «Studenten also, die nach elf Jahren
Französischunterricht nicht studierfähig sind.» Vorsichtig optimistisch stimme
ihn lediglich, dass die baselstädtischen Gymnasien jetzt gemeinsam mit der Uni
Basel die Initiative ergriffen haben und die Situation mit Nachdruck zur
Debatte stellen. Die vom Erziehungsdepartement aufgegleiste Arbeitsgruppe
dürfte ein erster Schritt zu einer künftigen Lösung sein.
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