Ein Zürcher Sekschüler macht im Unterricht anzügliche Gesten gegenüber
der Lehrerin, ahmt Selbstbefriedigung nach. Die Lehrerin toleriert das nicht –
und hat später eine Anzeige der Eltern am Hals. Das berichtete «20 Minuten»
diese Woche.
Schlechte Note - Anwalt am Hals, Blick, 23.3. von Dana Liechti
Dass Eltern rechtlich gegen Entscheidungen von Lehrpersonen vorgehen,
kommt immer häufiger vor. Das bestätigt die Zentralsekretärin des Dachverbandes
Lehrerinnen und Lehrer Schweiz, Franziska Peterhans. Zahlen gibt es zwar keine,
klar aber sei: «Anzeigen gegen Lehrpersonen häufen sich.»
Einzelne Prüfungen führen zu Kritik
Mal sind Eltern unzufrieden mit der Klasseneinteilung ihres Kindes, mal
passt eine Note nicht. Früher hätten vor allem Übertrittssituationen für
Debatten gesorgt, sagt Franziska Peterhans. Heute sei es möglich, dass schon
eine einzelne Prüfung stark kritisiert werde.
Das hat Konsequenzen für die Lehrer. Sie müssen heute viel stärker
belegen, dass sie alles richtig machen. Die Notengebung etwa wird detaillierter
dokumentiert und begründet, damit die Lehrpersonen bei Reklamationen durch Eltern
abgesichert sind. Franziska Peterhans betont zwar, «dass ein grosser Teil der
Eltern sehr gut mit der Schule zusammenarbeitet». Trotzdem seien die Drohungen
und Anzeigen ein grosses Problem.
Eltern korrigieren in Prüfungen rein
Auch die Lehrerin Madeleine Schwab* sah sich schon extremer Kritik durch
Eltern ausgesetzt. Ein Elternpaar etwa habe alles darangesetzt, dass die
Tochter den Übertritt in die Kantonsschule schafft: «Ab dem Moment, da ich
ihnen mitteilte, dass die Leistungen ihrer Tochter nicht reichen, haben sie
Druck gemacht. Sie haben in meine Prüfungen reinkorrigiert», sagt Schwab, «und
sie gingen mit falschen Anschuldigungen direkt zur Schulleitung, ohne mit mir
zu sprechen.» Damit nicht genug: «In einem Brief bezeichneten die Eltern meine
Bewertungen als nicht objektiv. Dafür sammelten sie bei anderen Eltern
Unterschriften.» Zwar habe die Schulleitung das Schreiben abgewiesen. Trotzdem:
«Das hat mir die Motivation und das Vertrauen in Eltern ein Stück weit genommen.»
Berufskollegen hätten Ähnliches erlebt, erzählt Madeleine Schwab.
«Manche Eltern drohen auch damit, dass sie Kontakte zu Politikern oder Anwälten
haben.» Häufig seien es zwar nur Einschüchterungsversuche. «Aber in solchen
Gesprächen sind auch schon Tränen geflossen, weil Lehrer dermassen angegriffen
wurden.»
Unabhängige Ombudsstelle könnte Eskalation verhindern
Damit Lehrpersonen wissen, wie sie in schwierigen Situationen reagieren
sollen, gibts vom Dachverband einen Leitfaden. Darin ist nicht nur
festgehalten, wie sie sich aus pädagogischer, sondern auch aus juristischer
Sicht richtig verhalten.
Dass Eltern kritischer sind als früher, sei per se nicht schlecht, sagt
Franziska Peterhans. «Wir finden es sogar gut und wichtig, dass man meldet,
wenn etwas nicht richtig abläuft. Aber es gibt geeignetere Möglichkeiten, als
mit dem Anwalt zu drohen.» Etwa mit der Lehrperson direkt zu sprechen. Oder,
wenn das nicht hilft, mit der Schulleitung.
Und: «Wir fordern schon lange eine unabhängige Ombudsstelle, an die sich
Eltern wenden können, wenn es Schwierigkeiten gibt. Das könnte Eskalationen
verhindern.»
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