Die Geschäftsprüfungs- und Finanzkommission des Grossen Rates zitiert den Hochschulrat der PH Thurgau. Die Freistellung von Vizerektor Matthias Begemann soll durchleuchtet werden. Zwischenzeitlich hat ein Dozent aus Protest gekündigt, weitere könnten folgen.
Der Hochschulrat muss antraben, Thurgauer Zeitung, 7.2. von Silvan Meile
Die Freistellung des
Prorektors Matthias Begemann an der Pädagogischen Hochschule Thurgau (PH) soll
nun doch noch von der Politik unter die Lupe genommen werden. Die
Geschäftsprüfungs- und Finanzkommission des Grossen Rates (GFK) bietet den
PH-Hochschulrat auf. Das sagt GFK-Präsident Walter Hugentobler (SP, Matzingen)
auf Anfrage. Dabei sollen die Verfahrensakten offengelegt werden und die
Mitglieder des Hochschulrates der Kommission Rede und Antwort stehen.
«Das ist nicht mehr mein richtiger
Arbeitgeber»
An der PH
selber sind die Wogen noch lange nicht geglättet – im Gegenteil. Das zeigt eine
aktuelle Kündigung: «Eine Hochschule mit Rektorin Priska Sieber und Hochschulratspräsident
Hans Munz an der Spitze ist für mich nicht mehr der richtige Arbeitgeber »,
sagt Hans Amrhein. Dass er die Angelegenheit um Matthias Begemann nicht
akzeptieren kann, schrieb er dem Hochschulrat in einem Brief. «Ich wurde ja eigentlich
dazu aufgefordert. Denn die Rektorin hat gesagt, wer mit den Vorgängen zur
Freistellung von Begemann nicht einverstanden sei, müsse halt gehen », sagt
er.
Mit Amrheins
konsequentem Abgang verliert die PH im Sommer viel Fachwissen. Als Leiter des
Studiengangs Primarstufe verlässt er ausserdem eine Schlüsselposition. 31
Jahre war er in der Thurgauer Lehrerbildung tätig, zuerst am Lehrerseminar Kreuzlingen,
dann baute er die daraus entstandene PH mit auf. Er sei glücklich, in dieser
Zeit auch sehr viel Positives erlebt zu haben. Und ein besonderes Glück sei
es, mit 63 Jahren noch eine neue Stelle gefunden zu haben. «Ich freue mich sehr
auf die Arbeit als Schulleiter in Bottighofen und Lengwil.»
Weitere Abgänge dürften folgen
Amrheins
Kündigung könnte Signalwirkung haben. Er steht mit seinen Ansichten nicht
alleine da. Seit Begemanns Freistellung herrscht in Teilen der Belegschaft grosser
Unmut. «Leider muss damit gerechnet werden, dass aufgrund der jüngsten
Ereignisse weitere langjährige, hervorragende Fachleute die PH verlassen werden»,
sagt Matthias Fuchs, Gesamtleiter Studiengänge. Diese Befürchtung bestätigen
auch Recherchen dieser Zeitung. Mehrere PH-Dozenten sind demnach aktuell in
Bewerbungsverfahren an anderen Schulen. Ihre Kündigung ist aber erst per 31.
Januar 2020 möglich. Denn Dozenten können ihr Arbeitsverhältnis nur zweimal
jährlich auf Ende Semester beenden.
Wie gross der
Unmut innerhalb der einzigen Thurgauer Hochschule ist, zeigte anfangs Dezember
ein Schreiben an den Hochschulrat und die Hochschulleitung. 63 PH-Mitarbeiter
forderten darin, «diesen für uns nicht nachvollziehbaren Entscheid transparent
zu begründen ». Bis heute sei dies nicht geschehen, heisst es aus
Hochschulkreisen.
In einem
weiteren Brief im Januar, diesmal an den Gesamtregierungsrat, forderten 17
Personen, die alle unter dem freigestellten Prorektor eine leitende Funktion
ausübten, vom Kanton eine unabhängige Untersuchungskommission, um die Umstände
der Freistellung zu durchleuchten. Die Antwort darauf wurde in der Beantwortung
einer Anfrage von Peter Dransfeld (GP, Ermatingen) öffentlich. Der
Regierungsrat begrüsst darin zwar, dass die GFK eine ausserordentliche Sitzung
zum Thema einberuft. Von einer externen Untersuchung will er aber nichts
wissen.
Die Regierungsrätin rechtfertigt die
Freistellung
Nun untersucht
die GFK um Präsident Hugentobler den Fall. Dass er auch noch als Präsident des
Fördervereins der PH amtet, sei kein Grund, um in den Ausstand zu treten, sagt
Hubentobler. Auch Regierungsrätin Monika Knill sieht dabei kein Problem. «Der
Förderverein hat nichts mit den personellen Entscheiden an der PH zu tun und
nahm dabei auch keine Rolle ein.» Hier den Anlass für einen Ausstand zu rechtfertigen,
wäre «konstruiert ». Knill ist selber auch Mitglied des Hochschulrates, wo der Entscheid
zur Freistellung Begemanns gefällt wurde. «Ich werde auch an der
ausserordentlichen GFK-Sitzung teilnehmen».
Die
Erziehungsdirektorin zeigt sich im Fall der Pädagogischen Hochschule besorgt
darüber, wie sich einzelne PH-Mitarbeiter zu Vermutungen und Aussagen rund um
die Freistellung hinreissen lassen würden. «Es ist zu einfach, nun alles der Rektorin
anzulasten.» Dieser personelle Entscheid sei im Hochschulrat gefällt worden,
und zwar einstimmig. «Dabei fühlte sich niemand bevormundet, alle im Gremium
waren umfassend dokumentiert.» Es sässen auch durchaus kritische Geister in
diesem Hochschulrat, die den Entscheid von allen Seiten hinterfragt hätten.
«Vor diesem Hintergrund wurden die Fakten gewichtet, was zum Entscheid
Ein beschämendes Spiel
«Mitarbeiter
fordern Untersuchung », Ausgabe vom 17. Januar
Warum muss
einer plötzlich gehen, nachdem er Jahrzehnte – weitum anerkannt – das Thurgauer
Bildungswesen prägte? Warum verlangt man von ihm lebenslanges Stillschweigen? Warum
zwingt man ihn, der gerne arbeitet, für eine halbe Million, nichts zu tun?
Warum gibt man Nachfolgern nur neun Arbeitstage Zeit, sich zu bewerben? Warum
versteckt man sich hinter dem Persönlichkeitsschutz, obwohl der Betroffene alles
offenlegt? Wir wissen es nicht und wir dürfen es offenbar auch nicht wissen.
Eines weiss der Regierungsrat ganz sicher: Die Sache darf auf keinen Fall von
unabhängiger Seite untersucht werden. Auch wenn ein Drittel der Belegschaft,
unter ihnen über 40 Dozenten, Abteilungsleiter und weitere Prorektoren, grösste
Sorgen zum Ausdruck bringen, ebenso weitere ausgewiesene Bildungsfachleute im
In- und Ausland. Dem Regierungsrat sei nichts Unlauteres unterstellt. Er geht aber
grobfahrlässig mit seiner im Gesetz verankerten Oberaufsicht um, wenn er weiter
abwiegelt, ausweicht und wegschaut. Lückenlose Transparenz, Rehabilitation
Begemanns und ein entschlossenes Bekenntnis zur Meinungsfreiheit: Das wären
Zeichen des Vertrauens, der Glaubwürdigkeit und der Weitsicht für die PH;
Zeichen des Respekts gegenüber unzähligen motivierten, qualifizierten und
engagierten Mitarbeitern. Auch wenn sich die Hinweise auf gezielte Täuschungen
und manipulierte Protokolle nicht bestätigen: Was hier im Namen unseres Kantons
gespielt wird, ist beschämend.
Peter Dransfeld, Kantonsrat Grüne, 8272 Ermatingen
Peter Dransfeld, Kantonsrat Grüne, 8272 Ermatingen
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