7. Februar 2019

Thurgauer Hochschulrat muss antraben

Die Geschäftsprüfungs- und Finanzkommission des Grossen Rates zitiert den Hochschulrat der PH Thurgau. Die Freistellung von Vizerektor Matthias Begemann soll durchleuchtet werden. Zwischenzeitlich hat ein Dozent aus Protest gekündigt, weitere könnten folgen.

Der Hochschulrat muss antraben, Thurgauer Zeitung, 7.2. von Silvan Meile



Die Freistellung des Prorektors Matthias Begemann an der Pädagogischen Hochschule Thurgau (PH) soll nun doch noch von der Politik unter die Lupe genommen werden. Die Geschäftsprüfungs- und Finanzkommission des Grossen Rates (GFK) bietet den PH-Hochschulrat auf. Das sagt GFK-Präsident Walter Hugentobler (SP, Matzingen) auf Anfrage. Dabei sollen die Verfahrensakten offengelegt werden und die Mitglieder des Hochschulrates der Kommission Rede und Antwort stehen.

«Das ist nicht mehr mein richtiger Arbeitgeber»
An der PH selber sind die Wogen noch lange nicht geglättet – im Gegenteil. Das zeigt eine aktuelle Kündigung: «Eine Hochschule mit Rektorin Priska Sieber und Hochschulratspräsident Hans Munz an der Spitze ist für mich nicht mehr der richtige Arbeitgeber », sagt Hans Amrhein. Dass er die Angelegenheit um Matthias Begemann nicht akzeptieren kann, schrieb er dem Hochschulrat in einem Brief. «Ich wurde ja eigentlich dazu aufgefordert. Denn die Rektorin hat gesagt, wer mit den Vorgängen zur Freistellung von Begemann nicht einverstanden sei, müsse halt gehen », sagt er.

Mit Amrheins konsequentem Abgang verliert die PH im Sommer viel Fachwissen. Als Leiter des Studiengangs Primarstufe verlässt er ausserdem eine Schlüsselposition. 31 Jahre war er in der Thurgauer Lehrerbildung tätig, zuerst am Lehrerseminar Kreuzlingen, dann baute er die daraus entstandene PH mit auf. Er sei glücklich, in dieser Zeit auch sehr viel Positives erlebt zu haben. Und ein besonderes Glück sei es, mit 63 Jahren noch eine neue Stelle gefunden zu haben. «Ich freue mich sehr auf die Arbeit als Schulleiter in Bottighofen und Lengwil.»

Weitere Abgänge dürften folgen
Amrheins Kündigung könnte Signalwirkung haben. Er steht mit seinen Ansichten nicht alleine da. Seit Begemanns Freistellung herrscht in Teilen der Belegschaft grosser Unmut. «Leider muss damit gerechnet werden, dass aufgrund der jüngsten Ereignisse weitere langjährige, hervorragende Fachleute die PH verlassen werden», sagt Matthias Fuchs, Gesamtleiter Studiengänge. Diese Befürchtung bestätigen auch Recherchen dieser Zeitung. Mehrere PH-Dozenten sind demnach aktuell in Bewerbungsverfahren an anderen Schulen. Ihre Kündigung ist aber erst per 31. Januar 2020 möglich. Denn Dozenten können ihr Arbeitsverhältnis nur zweimal jährlich auf Ende Semester beenden.

Wie gross der Unmut innerhalb der einzigen Thurgauer Hochschule ist, zeigte anfangs Dezember ein Schreiben an den Hochschulrat und die Hochschulleitung. 63 PH-Mitarbeiter forderten darin, «diesen für uns nicht nachvollziehbaren Entscheid transparent zu begründen ». Bis heute sei dies nicht geschehen, heisst es aus Hochschulkreisen.
In einem weiteren Brief im Januar, diesmal an den Gesamtregierungsrat, forderten 17 Personen, die alle unter dem freigestellten Prorektor eine leitende Funktion ausübten, vom Kanton eine unabhängige Untersuchungskommission, um die Umstände der Freistellung zu durchleuchten. Die Antwort darauf wurde in der Beantwortung einer Anfrage von Peter Dransfeld (GP, Ermatingen) öffentlich. Der Regierungsrat begrüsst darin zwar, dass die GFK eine ausserordentliche Sitzung zum Thema einberuft. Von einer externen Untersuchung will er aber nichts wissen.

Die Regierungsrätin rechtfertigt die Freistellung
Nun untersucht die GFK um Präsident Hugentobler den Fall. Dass er auch noch als Präsident des Fördervereins der PH amtet, sei kein Grund, um in den Ausstand zu treten, sagt Hubentobler. Auch Regierungsrätin Monika Knill sieht dabei kein Problem. «Der Förderverein hat nichts mit den personellen Entscheiden an der PH zu tun und nahm dabei auch keine Rolle ein.» Hier den Anlass für einen Ausstand zu rechtfertigen, wäre «konstruiert ». Knill ist selber auch Mitglied des Hochschulrates, wo der Entscheid zur Freistellung Begemanns gefällt wurde. «Ich werde auch an der ausserordentlichen GFK-Sitzung teilnehmen».

Die Erziehungsdirektorin zeigt sich im Fall der Pädagogischen Hochschule besorgt darüber, wie sich einzelne PH-Mitarbeiter zu Vermutungen und Aussagen rund um die Freistellung hinreissen lassen würden. «Es ist zu einfach, nun alles der Rektorin anzulasten.» Dieser personelle Entscheid sei im Hochschulrat gefällt worden, und zwar einstimmig. «Dabei fühlte sich niemand bevormundet, alle im Gremium waren umfassend dokumentiert.» Es sässen auch durchaus kritische Geister in diesem Hochschulrat, die den Entscheid von allen Seiten hinterfragt hätten. «Vor diesem Hintergrund wurden die Fakten gewichtet, was zum Entscheid




Ein beschämendes Spiel

«Mitarbeiter fordern Untersuchung », Ausgabe vom 17. Januar

Warum muss einer plötzlich gehen, nachdem er Jahrzehnte – weitum anerkannt – das Thurgauer Bildungswesen prägte? Warum verlangt man von ihm lebenslanges Stillschweigen? Warum zwingt man ihn, der gerne arbeitet, für eine halbe Million, nichts zu tun? Warum gibt man Nachfolgern nur neun Arbeitstage Zeit, sich zu bewerben? Warum versteckt man sich hinter dem Persönlichkeitsschutz, obwohl der Betroffene alles offenlegt? Wir wissen es nicht und wir dürfen es offenbar auch nicht wissen. Eines weiss der Regierungsrat ganz sicher: Die Sache darf auf keinen Fall von unabhängiger Seite untersucht werden. Auch wenn ein Drittel der Belegschaft, unter ihnen über 40 Dozenten, Abteilungsleiter und weitere Prorektoren, grösste Sorgen zum Ausdruck bringen, ebenso weitere ausgewiesene Bildungsfachleute im In- und Ausland. Dem Regierungsrat sei nichts Unlauteres unterstellt. Er geht aber grobfahrlässig mit seiner im Gesetz verankerten Oberaufsicht um, wenn er weiter abwiegelt, ausweicht und wegschaut. Lückenlose Transparenz, Rehabilitation Begemanns und ein entschlossenes Bekenntnis zur Meinungsfreiheit: Das wären Zeichen des Vertrauens, der Glaubwürdigkeit und der Weitsicht für die PH; Zeichen des Respekts gegenüber unzähligen motivierten, qualifizierten und engagierten Mitarbeitern. Auch wenn sich die Hinweise auf gezielte Täuschungen und manipulierte Protokolle nicht bestätigen: Was hier im Namen unseres Kantons gespielt wird, ist beschämend.
Peter Dransfeld, Kantonsrat Grüne, 8272 Ermatingen 

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