Da diese
Kolumne mir vermutlich viel Kritik einbringen wird, muss ich hier eine
Vorerklärung abgeben. Ich besitze keinen Führerschein, fahre meine acht
Kilometer nach Orpund meistens mit dem Velo, haben einen erheblichen Teil
meines Lebens im Kampf gegen eine umweltbelastende Autobahn gewidmet, engagiere
mich für den Vogelschutz und lebe in einem Minergie-Haus.
Wissenschaft ist immer der letzte Stand des Irrtums, Biel-Bienne, 6.2. von Alain Pichard
Wer, wenn
nicht ich, müsste den Bieler und Seeländer Schülerinnen und Schülern, die vor
zwei Wochen den Unterricht «für das Klima» schwänzten nicht gratulieren und
sich in den Chor der Claqueure einreihen? Und von denen gab es bekanntlich
viele: Die meisten Politiker, Lehrer, Eltern und Journalisten waren entzückt
über diese Aktion. Aber es scheint irgendwie zu meinem Wesen zu gehören, dass
ich immer misstrauisch werde, wenn politischen Aktionen ein derart
paternalistisch, wohlwollender Wärmeschwall entgegenweht.
Von
Streik mag ich ehrlich gesagt nicht reden. Das verbietet mir der Respekt vor
historischen Schulstreiks wie beispielsweise in Südafrika. Die Bieler
«Streikenden» haben nicht viel zu befürchten, nicht mal eine Ermahnung wegen
Schulschwänzens. Streik war nie so einfach. Einer der vielen Sätze, die im
Vorfeld dieser Demonstration geäussert wurden, bleibt mir in Erinnerung: «Wir durchlöchern die Erde auf der Suche nach
Metallen für Handys und Co., verheizen klimaschädliche Kohle und schmeißen
tonnenweise Plastikmüll ins Meer.»(BUND-Jugendorganisation).
Abgesehen
von der reichlich überplakativen Alarmistik enthält dieser Satz ein auffälliges
Personalpronomen. Es ist von «wir» die Rede! Und dieses «Wir» offenbart eine bemerkenswerte
Einsicht.
Ich sehe
ja die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums immer am Morgen in die Schule
laufen, breit verteilt über den Unteren Quai, so dass ich als Velofahrer kaum
an ihnen vorbeikomme. Sie sind meistens gut gelaunt und noch besser gekleidet, kommen
aus geheizten Wohnungen und nicht wenige hören Musik aus Ihren Smartphones.
Die
deutsche Journalistin Kathrin Spoerr formulierte es in der WELT (25.1.19)
folgendermassen: «Der Feind, den sie bekämpfen, ist nicht der Staat. Ihr Feind
sind die Trends und Moden, die Shopping-Verabredungen, die One-Day-Outfits, die
Geburtstagslisten, die Weihnachtswünsche. Ihr Feind sind sie selbst. Ich, du,
er, sie, es. Wir.»
Ein
weiterer kluger Satz kam aus dem Munde des Bieler Gymnasialdirektors Leonhard
Cadetg. Er mahnte die «Streikenden»: Bestraft nicht die Schule! Da spricht
nicht nur der Lehrer, sondern auch der ausgebildete Naturwissenschaftler. Vor
allem der Mathematik- und Physikunterricht würde es den Gymnasiastinnen und
Gymnasiasten erlauben, sich etwas von den Experten unabhängiger zu machen,
welche in der Lage sind, Kerneisbohrungen zu interpretieren. Und ein solider
Geschichtsunterricht könnte auch erkennen lassen, wo ernsthafte Diskussionen
angebracht sind und wann Hysterie durch aufgeregtes Nachplappern beginnt. Und er
würde auch helfen, die Aussage des grünen Europaabgeordneten Cramer
einzuordnen, der am Holocaust-Gedenktag (28.1.19) meinte: «Es gibt
Holocaust-Leugner und es gibt Klimaleugner.»
Als Gymnasiast habe ich sowohl die
Horrorszenarien des Club of Rome aus den 60er-Jahren wie auch das Waldsterben mitdramatisiert.
Seitdem ist mir als Lehrer naturwissenschaftlicher Fächer bewusst: Wissenschaft
ist immer der letzte Stand des Irrtums. Immerhin notierte ich auch von Seiten
der «Schulschwänzer» einen vernünftigen Satz: «Viele von uns können dieses Jahr
wählen!». Das ist immerhin ein Versprechen.
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