25. Februar 2019

Neuer Schulblog in Planung


Der ehemalige Bieler GLP-Stadtrat Alain Pichard war ein früher Kritiker der Schulreform. Dabei betonte er immer, dass er kein Lehrplangegner, sondern ein Lehrplankritiker sei. Nicht der Lehrplan 21 an sich sei das Problem, sondern dieser sei Teil einer Entwicklung, die ihm und anderen Lehrern Sorge bereite, weil sich die Volksschule ihrer Meinung nach in die falsche Richtung entwickle.
Der Blog der Schulreformgegner, Bieler Tagblatt, 25.2. von Deborah Balmer

Was stört die Schulreformgegner genau? Der Lehrplan 21 basiere vor allem auf Fähigkeiten, die die Schülerinnen und Schüler beherrschen müssen. Dies im Gegensatz zu früher, als das Wissen noch im Zentrum stand. Das führe zu einer Art Vermessung der Schüler. Als Beispiel für «die  Vermessungsproblematik» nennt er den Kanton St.Gallen, wo Kindergärtler mit einem zwölf Seiten langen Beobachtungsbogen beurteilt werden. «Im Kanton Bern sind wir glücklicherweise von solchen Entwicklungen noch verschont», sagt Pichard.

Startkapital: 20000 Franken
Der Kampf gegen den Lehrplan 21 haben die Gegner schon länger verloren. In verschiedenen Kantonen wurde darüber abgestimmt, die Gegner unterlagen überall. Auch die Harmonisierung der Schulen wurde per Volksentscheid gutgeheissen. Und doch geben die Gegner der Schulreform nicht auf, wie die «NZZ am Sonntag» schreibt. «Wir wollen die Kritik bündeln», sagte Pichard gegenüber der gleichen Zeitung.

Pichard, der über 40 Jahre Erfahrung als Oberstufenlehrer hat, publiziert die reformkritischen Magazine «Einspruch», das linken und linksliberalen Kritikern des Lehrplans 21 eine Stimme gibt. Die erste Auflage sei praktisch ausverkauft. Vor Kurzem ist das zweite Heft von «Einspruch» erschienen. Darin berichten unter anderem Eltern davon, wie das individualisierte Lernen der Kinder auf ihre Kosten geht. Etwa dann, wenn sie mit den überforderten Kindern daheim nachholen müssen, was diese in der Schule im individualisierten Unterricht nicht mehr lernen.

Nun schaffen sich verschiedene Schulkritiker rund um Alain Pichard ein gemeinsames Dach. «Wir sind eine Gruppe von neun Personen, welche die Vorbereitung des Blogs vorantreibt», sagt der Bieler. Dazu gehören neben den Herausgebern von  «Einspruch» unter anderen auch der Betreiber des Blogs «Schule-schweiz.blogspot», Urs Kalberer, mehrere Gymnasiallehrer und zwei frühere SP-Grossräte aus dem Kanton Baselstadt. «Am 11. März findet die nächste Sitzung statt, die Stimmung ist ausserordentlich», sagt Pichard. Am 18. Mai soll der Blog online gehen. Das Startkapital von 20000 Franken ist gesammelt.

Dabei betont Pichard, dass es keinesfalls nur um den Lehrplan 21 geht. «Wir werden einen Blog betreiben, der möglichst viele Entwicklungen in der Bildungspolitik behandelt», sagt er. Dazu gehören laut Pichard auch Fragen zur Demokratie, zur Pädagogik und zur Chancengerechtigkeit. «Schon über 30 Personen haben ihre feste Mitarbeit als Autorinnen und Autoren zugesagt», sagt Pichard. Etwa der Genfer Pädagogikprofessor Bernhard Schneuwly, der Kinderarzt Remo Largo, der Psychologe Allan Guggenbühl und die Publizistin Regula Stämpfli.

«Wir versuchen, einen möglichst hochstehenden Diskurs über Bildungsfragen in Gang zu bringen, suchen und begrüssen aber auch entgegengesetzte Meinungen, die wir gemeinsam diskutieren wollen.» Man misstraue gewissen Entwicklungen und stelle grundsätzlich die Frage:«Stimmt das überhaupt?»

Die Idee einer solchen Plattform, die Pichard nach einem französischen Philosophen und Politiker namens Concordet benennen möchte, ist den Betreibern bei einem Treffen in Olten gekommen. Ein Grund war die Meinung, dass die Medien reformkritische Stimmen zu wenig aufnähmen, wie die «NZZ am Sonntag» schreibt.

Ein Dilemma
Auch an Pichards Schule in Orpund wird der Lehrplan 21 bereits umgesetzt. Es gibt neue Fächer, neue Lektionenzuteilungen und neue Begriffe. «Für viele von uns bleibt dieser Lehrplan 21 aber fremd und in weiten Teilen ein ‹albernes Geschwafel›, der sich ob seiner Detailliertheit quasi selbst erledigt», sagt der Lehrer. Allerdings müsse man sich als Angestellte des Kantons an die gesetzlichen Vorgaben halten. «Wir machen das nach bestem Wissen und Gewissen.» Man sei aber als öffentlich rechtlich angestellte Lehrperson nicht nur dem Staat verpflichtet, sondern auch den Interessen der Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern. «Wenn wir also erkennen, dass Reformen und vor allem Methodenvorschriften den Lernerfolg unserer Schüler behindern, entsteht ein Dilemma, das in den Schulen sehr individuell gehandhabt wird.» Pichard: «Wir versuchen, die Standards zu erfüllen. Wie wir das machen, muss uns überlassen werden. Deswegen ist die Lehrmittelfreiheit eine unserer zentralen Forderungen.»

Und wie geht es den Schülern mit dem Lehrplan 21? «Die klagen vor allem über die zu vielen Lektionen», sagt der Oberstufenlehrer. Für eine Bilanz sei es aber noch viel zu früh

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