Thomas
Minder tritt im Sommer das Amt als oberster Schulleiter der Deutschschweiz an.
Der Hinterthurgauer steht für eine Schule, welche die Kinder im Miteinander
stärkt. Sorge bereiten teilweise die Eltern.
Thomas Minder folgt als Schulleiter-Präsident auf Bernard Gertsch, Bild: Reto Martin
Der oberste Schulleiter der Deutschschweiz ist ein Thurgauer, St. Galler Tagblatt, 20.2. von Ursula Ammann
Wie eine Mischung aus
Küche und Stube: So stellt sich Thomas Minder das ideale Schulzimmer vor. Wie
eine Stube, weil diese ein Ort ist, der anheimelt und zum Verweilen einlädt.
Wie eine Küche, weil dort alle um einen grossen Tisch sitzen – miteinander.
Die Sozialkompetenz der
Kinder zu fördern, erachtet der Schulleiter denn auch als eine der wichtigsten
Aufgaben, welche die Schule und das Elternhaus gemeinsam zu meistern haben.
«Soziales Verhalten ist im Leben ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger als Mathe
und Deutsch», sagt der 43-Jährige.
Die Kinder darin zu
stärken, selbstbewusst durchs Leben zu schreiten, ohne die Bedürfnisse der
anderen aus den Augen zu verlieren, ihnen nicht nur Wissen zu vermitteln,
sondern sie auch zum Handeln befähigen – das ist seine Vision von Schule.
Interessen auf nationaler Ebene vertreten
Mit der Schule beschäftigt
sich der Wallenwiler schon sein ganzes Berufsleben lang. Ursprünglich hat er
eine Ausbildung zum Sekundarlehrer gemacht. Seit elf Jahren leitet er die
Volksschulgemeinde Eschlikon auf Stufe Kindergarten und Primarschule. Künftig
muss er dort aber etwas kürzertreten, sein Pensum von 90 auf 50 Prozent
reduzieren. Denn Anfang dieses Jahres wurde Thomas Minder zum obersten
Schulleiter der Deutschschweiz gewählt.
Ab August präsidiert er
den Verband Schweizer Schulleiterinnen und Schulleiter, der 2200 Mitglieder
zählt. Sie auf nationaler Ebene zu repräsentieren, in verschiedenen Gremien
ihre Interessen zu vertreten, das ist seine Aufgabe im neuen Amt. Aber auch
innerhalb des Verbands steht Arbeit an.
Minder hat sich bereits
Ziele gesteckt. Er möchte Dienstleistungen forcieren, die insbesondere den
Schulen jener Kantone zugutekommen, die dafür wenig Ressourcen aufbringen
können. Etwa für die Website-Gestaltung. Auch ist es ihm ein Anliegen, den
Austausch zwischen den Mitgliedern zu fördern. Nicht zuletzt möchte er den
Verband neu stärker positionieren. «Er soll als wichtiger Gesprächspartner in
Sachen Bildung wahrgenommen werden», sagt Minder.
Wenn der Pausenstreit die Gerichte
beschäftigt
An der Volksschulgemeinde
Eschlikon hat sich Thomas Minder in den vergangenen Jahren unter anderem für
das altersdurchmischte Lernen eingesetzt. Aber auch die Kompetenzorientierung
war ihm immer wichtig – noch bevor der Lehrplan 21 aktuell wurde. Für dessen
Umsetzung im Thurgau hat sich Minder an vorderster Front stark gemacht. «Der
Lehrplan 21 ist nach vorne gerichtet», sagt er. In seinen Augen entwickelt sich
die Schule damit in die richtige Richtung.
Es gibt aber auch Dinge im
schulischen Umfeld, die der 43-Jährige mit Sorge beobachtet. «Eltern, die ihre
Kinder auf einen Sockel stellen, alles nur noch an deren Wünschen ausrichten,
sie aber damit überfordern», nennt er als Beispiel dafür. Nicht selten hat er
erlebt, dass ein alltäglicher Pausenplatzstreit unter Kindern sogar ein
juristisches Nachspiel hatte, weil die Eltern ihrem eigenen Kind bedingungslos
glauben und für dieses den Konflikt austragen.
«Meist wäre der Streit für
die Kinder selbst schon längst begraben», sagt der Schulleiter. Ein Kind
loszulassen, sei manchmal schwierig, aber notwendig, sagt Minder, der selbst
zwei Söhne und eine Tochter hat. Bei diesen sind ihm Eigenschaften wie Anstand,
Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft wichtig. «Sie sollen lernen, dass sich
nicht alles nur um sie dreht und dass sie ihre Bedürfnisse auch mal hinten
anstellen müssen.»
Früher galt ein preussischer Unterrichtsstil
Seine eigene Schulzeit hat
Minder, der in Münchwilen aufgewachsen ist, positiv erlebt. Nicht wegen des
preussischen Unterrichtsstils, der geprägt war von «still sitzen» und «nach
vorne schauen», sondern wegen der Freundschaften, die ihm bis heute geblieben
sind. Der Austausch mit Weggefährten ist dem Mitglied des FC Dussnang wichtig.
Auch zu ehemaligen
Arbeitskollegen pflegt er noch regelmässigen Kontakt. Einst als Flugbegleiter
tätig, war Thomas Minder nahe dran, «in der Airline-Branche zu landen», wie er
selbst sagt. Der Thurgauer hat dann aber doch eine andere Richtung angesteuert
– und begibt sich nun in seinem Amt als oberster Schulleiter der Deutschschweiz
auf eine ganz neue Flughöhe.
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