In den Baselbieter Schulen werden die
Lehrerinnen und Lehrer künftig die Lehrmittel auswählen können, mit denen sie
unterrichten wollen. Die Regierung hat sich für die Lehrmittelfreiheit
entschieden. Die vorgeschlagene Lösung des Lehrmittelstreits dürfte einen
Schlusspunkt hinter den jahrelangen Kampf gegen die untauglichen
obligatorischen Lehrmittel setzen. Stimmen der Landrat und das Volk im Verlauf
dieses Jahres zu, wird namentlich das viel kritisierte Französischlehrmittel
Mille feuilles aus den Schulzimmern verschwinden. Möglich gemacht hat dies die
Starke Schule beider Basel mit ihrer Nichtformulierten Volksinitiative «Stopp
dem Verheizen von Schüler/-innen: Ausstieg aus dem gescheiterten
Passepartout-Fremdsprachenprojekt». Über das Gesetz zur Umsetzung dieser vom
Landrat befürworteten Initiative wird es im November eine kantonale Abstimmung
geben.
Der Abschied von Mille feuilles naht, Basler Zeitung, 23.2. von Thomas Dähler
Gesetzlich
festschreiben möchte die Regierung damit «eine geleitete Lehrmittelfreiheit in
allen Fächern» und «klare Vorgaben zu den Lehrplänen der Sprachenfächer».
Gestärkt werden auf diese Weise die Lehrerinnen und Lehrer. Der Flop mit den
umstrittenen Fremdsprachenlehrmitteln wird ihnen im Baselbiet eine Freiheit
bescheren, die sie sich schon lange wünschten: Sie können den Unterricht so
gestalten, wie sie es für sinnvoll erachten – auch mit Blick auf ihre
Schulklassen, für welche sich je nach Zusammensetzung auch unterschiedliche
Unterrichtsprogramme empfehlen.
Nicht
umsetzbar
Baselland
wird im Schuljahr 2020/21 der erste Kanton sein, der von der erfolglosen
Mehrsprachendidaktik abrückt. Diese war seinerzeit von den sechs Kantonen
Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Solothurn, Freiburg und Wallis gemeinsam
unter dem Projektnamen Passepartout eingeführt worden. Die von den
Pädagogischen Hochschulen empfohlene Didaktik stützte sich auf ein
regelmässiges Sprachbad in der jeweiligen Fremdsprache, auch im Unterricht
anderer Fächer. Gescheitert ist dies an den Stundentafeln in den einzelnen
Kantonen. Eine genügend hohe wöchentliche Stundendotation für die Frühfremdsprachen
liess sich in Anbetracht anderer fachlicher Begehrlichkeiten nirgends
realisieren. Die Zeche bezahlten die Schülerinnen und Schüler, die mit den
vorgeschriebenen Lehrmitteln nicht klar kamen. Alle Studien und
Vergleichsarbeiten weisen inzwischen darauf hin, dass ihre Sprachkenntnisse
trotz grossem Aufwand ungenügend sind.
Die
kritisierten Sprachlehrmittel Mille feuilles, Clin d’Oeil und New World werden
mit der neuen Lehrmittelfreiheit nicht ausdrücklich verboten. Es ist jedoch
absehbar, dass diese nach und nach von den Lehrkräften durch neue, didaktisch
bezüglich Wortschatz und Grammatik systematischer aufgebaute, abgelöst werden.
Mille feuilles, Clin d’Oeil und New World werden auf der Liste der zugelassenen
Lehrmittel verbleiben – auch, weil der Gesichtsverlust für jene zu gross wäre,
welche die Lehrmittel seinerzeit empfohlen hatten – etwa die Amtliche
Kantonalkonferenz oder der Bildungsrat. Das Bildungs-Establishment wird in
Zukunft die neue Freiheit für ihre Lehrkräfte akzeptieren müssen.
Der
Sprachenstreit wird damit auch Gewinner ausserhalb der Fremdsprachen erhalten.
Die Lehrmittelauswahl, die zurzeit von einer beauftragten Arbeitsgruppe
ausgearbeitet wird, garantiert, dass die einzelnen Schulbücher genau unter die
Lupe genommen werden. Das kann für die Qualität nur förderlich sein, denn in
vielen Fächern ist es angezeigt, die Ergebnisse der aktuellen Forschung zeitnah
auch in den Volksschulunterricht einfliessen zu lassen. Sensible Fächer wie
etwa Deutsch oder Geschichte dürften von den künftig periodischen Überprüfungen
der Lehrmittellisten profitieren. Die Regierung wird die entsprechende
Verordnung anpassen.
Es
mag sein, dass der Kanton Basel-Landschaft mit seiner Abkehr von den
Passepartout-Lehrmitteln den Gottesdienst der übrigen Passepartout-Kantone
stört. Einigen dürfte dies gerade recht sein; im Wallis etwa wurde die Kritik
in den vergangenen Jahren ebenfalls laut. Andere wiederum dürften ihre liebe
Mühe damit haben: Basel-Stadt hat in der Vergangenheit wiederholt darauf
hingewiesen, dass eine Kursänderung für den Frühfremdsprachen-Unterricht nicht
zur Debatte steht. Sollte sich jedoch das Konzept der Lehrmittelfreiheit im
Kanton Basel-Landschaft als erfolgreich erweisen, dürfte dies in den
Nachbarkantonen kaum verborgen bleiben. Diesen sei empfohlen, die Entwicklung
im Baselbiet vorurteilslos zu verfolgen – und je nachdem das eigene System
ebenfalls anzupassen.
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