23. Februar 2019

Ende von Passepartout naht


In den Baselbieter Schulen werden die Lehrerinnen und Lehrer künftig die Lehrmittel auswählen können, mit denen sie unterrichten wollen. Die Regierung hat sich für die Lehrmittelfreiheit entschieden. Die vorgeschlagene Lösung des Lehrmittelstreits dürfte einen Schlusspunkt hinter den jahrelangen Kampf gegen die untauglichen obligatorischen Lehrmittel setzen. Stimmen der Landrat und das Volk im Verlauf dieses Jahres zu, wird namentlich das viel kritisierte Französischlehrmittel Mille feuilles aus den Schulzimmern verschwinden. Möglich gemacht hat dies die Starke Schule beider Basel mit ihrer Nichtformulierten Volksinitiative «Stopp dem Verheizen von Schüler/-innen: Ausstieg aus dem gescheiterten Passepartout-Fremdsprachenprojekt». Über das Gesetz zur Umsetzung dieser vom Landrat befürworteten Initiative wird es im November eine kantonale Abstimmung geben.
Der Abschied von Mille feuilles naht, Basler Zeitung, 23.2. von Thomas Dähler


Gesetzlich festschreiben möchte die Regierung damit «eine geleitete Lehrmittelfreiheit in allen Fächern» und «klare Vorgaben zu den Lehrplänen der Sprachenfächer». Gestärkt werden auf diese Weise die Lehrerinnen und Lehrer. Der Flop mit den umstrittenen Fremdsprachenlehrmitteln wird ihnen im Baselbiet eine Freiheit bescheren, die sie sich schon lange wünschten: Sie können den Unterricht so gestalten, wie sie es für sinnvoll erachten – auch mit Blick auf ihre Schulklassen, für welche sich je nach Zusammensetzung auch unterschiedliche Unterrichtsprogramme empfehlen.

Nicht umsetzbar
Baselland wird im Schuljahr 2020/21 der erste Kanton sein, der von der erfolglosen Mehrsprachendidaktik abrückt. Diese war seinerzeit von den sechs Kantonen Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Solothurn, Freiburg und Wallis gemeinsam unter dem Projektnamen Passepartout eingeführt worden. Die von den Pädagogischen Hochschulen empfohlene Didaktik stützte sich auf ein regelmässiges Sprachbad in der jeweiligen Fremdsprache, auch im Unterricht anderer Fächer. Gescheitert ist dies an den Stundentafeln in den einzelnen Kantonen. Eine genügend hohe wöchentliche Stundendotation für die Frühfremdsprachen liess sich in Anbetracht anderer fachlicher Begehrlichkeiten nirgends realisieren. Die Zeche bezahlten die Schülerinnen und Schüler, die mit den vorgeschriebenen Lehrmitteln nicht klar kamen. Alle Studien und Vergleichsarbeiten weisen inzwischen darauf hin, dass ihre Sprachkenntnisse trotz grossem Aufwand ungenügend sind.

Die kritisierten Sprachlehrmittel Mille feuilles, Clin d’Oeil und New World werden mit der neuen Lehrmittelfreiheit nicht ausdrücklich verboten. Es ist jedoch absehbar, dass diese nach und nach von den Lehrkräften durch neue, didaktisch bezüglich Wortschatz und Grammatik systematischer aufgebaute, abgelöst werden. Mille feuilles, Clin d’Oeil und New World werden auf der Liste der zugelassenen Lehrmittel verbleiben – auch, weil der Gesichtsverlust für jene zu gross wäre, welche die Lehrmittel seinerzeit empfohlen hatten – etwa die Amtliche Kantonalkonferenz oder der Bildungsrat. Das Bildungs-Establishment wird in Zukunft die neue Freiheit für ihre Lehrkräfte akzeptieren müssen.

Der Sprachenstreit wird damit auch Gewinner ausserhalb der Fremdsprachen erhalten. Die Lehrmittelauswahl, die zurzeit von einer beauftragten Arbeitsgruppe ausgearbeitet wird, garantiert, dass die einzelnen Schulbücher genau unter die Lupe genommen werden. Das kann für die Qualität nur förderlich sein, denn in vielen Fächern ist es angezeigt, die Ergebnisse der aktuellen Forschung zeitnah auch in den Volksschulunterricht einfliessen zu lassen. Sensible Fächer wie etwa Deutsch oder Geschichte dürften von den künftig periodischen Überprüfungen der Lehrmittellisten profitieren. Die Regierung wird die entsprechende Verordnung anpassen.

Es mag sein, dass der Kanton Basel-Landschaft mit seiner Abkehr von den Passepartout-Lehrmitteln den Gottesdienst der übrigen Passepartout-Kantone stört. Einigen dürfte dies gerade recht sein; im Wallis etwa wurde die Kritik in den vergangenen Jahren ebenfalls laut. Andere wiederum dürften ihre liebe Mühe damit haben: Basel-Stadt hat in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass eine Kursänderung für den Frühfremdsprachen-Unterricht nicht zur Debatte steht. Sollte sich jedoch das Konzept der Lehrmittelfreiheit im Kanton Basel-Landschaft als erfolgreich erweisen, dürfte dies in den Nachbarkantonen kaum verborgen bleiben. Diesen sei empfohlen, die Entwicklung im Baselbiet vorurteilslos zu verfolgen – und je nachdem das eigene System ebenfalls anzupassen.

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