26. Januar 2019

Wenn Unfähige Unfähige fördern


Heiko Maas, der deutsche Aussenminister, sollte an der Pariser Sorbonne einmal ein Grusswort halten. Wie bei solchen Anlässen üblich, ist es eine schöne Geste, wenn der Gast aus dem Ausland ein paar Worte in der Landessprache verliert. Heiko Maas glaubte, das toppen zu müssen, und las zwanzig Minuten einen vermutlich in Lautschrift geschriebenen Text in einer Sprache ab, welche die Zuhörer sich mit Phantasie als «irgendwie französisch klingend» erarbeiten durften. «Hat er denn gar keine Berater?», flüsterte neben mir ein Professor. Kurz: Die ganze Angelegenheit war jedem im Saal peinlich ausser vermutlich Heiko Maas, der glaubte, nun mit Weltläufigkeit geglänzt zu haben. Immerhin: Der Anzug sass gut.
Wer hat Angst vor der Meritokratie? Über Kompetenz-Vortäuschungskompetenz, NZZ, 22.1. von Milosz Matuschek


Wenn Unfähige Unfähige fördern
In der Rückschau sind wir Zuhörer die Zeugen eines verbreiteten Phänomens geworden: der Kompetenz-Vortäuschungskompetenz. Es geht heute immer mehr darum, so zu tun, als könne man etwas. Und manchen schadet es scheinbar nicht einmal mehr, sich «schlecht zu verkaufen». Nach dem aus der Management-Literatur bekannten «Peter-Prinzip» werden in komplexen Hierarchien die Unfähigen systematisch befördert, wohl weil dies andere Unfähige darin bestätigt, es ebenfalls an die Spitze schaffen zu können. Belohnte Unfähigkeit ist also ein Incentive für Dumme, für das derzeit die Allgemeinheit zahlt. Inkompetenz blüht am besten dort, wo andere die negativen Folgen tragen dürfen.
Das bittere Mittel dagegen heisst Meritokratie, die Herrschaft der Verdienten und Fähigen. Da das in den Ohren der Unfähigen ähnlich viel Enthusiasmus auslöst wie das Wort «Gesundheitsamt» für den Gammelfleisch-Döner-Verkäufer, wird gerne versucht, Meritokratie mit dem Vorwurf des Sozialdarwinismus und des Neoliberalismus zu Fall zu bringen. Dabei ist es eher umgekehrt: In der Welt der inkompetenten Blender regiert der Darwinismus der am besten angepassten Marketing-Menschen. Wer glatt genug, relativ prinzipienfrei und mit den richtigen Leuten befreundet ist, für den sind die Gesetze der Gravitation aufgehoben. – An dieser Stelle: Herzlichen Glückwunsch zur Zuckmayer-Medaille, Robert Menasse! Genau diese Doppelstandards sorgen kurzfristig für eine gefährliche Entfremdung und erodieren auf lange Sicht das Fundament des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Institutionen als Parodien ihrer selbst
Kompetenz-Vortäuscher sind vor allem eines: teuer. Sie machen Fehler, sind für die Folgenbeseitigung nicht haftbar und verringern den Handlungsspielraum für kompetentere Nachfolger. Um mit ihrer Inkompetenz nicht aufzufallen, umgeben sie sich zudem gerne mit anderen Inkompetenten. Unfähigkeit zieht sich gegenseitig an, es kommt zu einer «Bozo-Explosion» an der Spitze von Hierarchien, verstetigt durch lebenslange Verbeamtung. Nimmt man dann noch den In-Group-Bias sowie die Inkompetenz dazu, die eigenen Inkompetenz zu erkennen («Dunning-Kruger-Effekt») werden Institutionen zu Parodien ihrer selbst.

Die Auswahl der Richtigen darf sich nicht mehr länger zwischen Amateuren und Technokraten abspielen. Es braucht eine andere Form der Bestenauslese als eine durch Kooptation, Proporz oder Loyalität. Unerfahrenheit muss dabei kein Nachteil sein, schon gar nicht bei Menschen mit Phantasie. Doch es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass fast schon absichtlich nach Böcken gesucht wird, die man zum Gärtner machen könnte. Deutschland leistet sich gerade eine Hotelfachfrau als Bildungsministerin, eine bayrische Instagrammerin als Gute-Laune-Bär im Amt der Staatsministerin für Digitalisierung, und kürzlich war die Tochter des US-Präsidenten für das Amt des Weltbank-Präsidenten im Gespräch. Der Fisch stinkt vom Kopf her.


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