Heiko Maas, der deutsche Aussenminister, sollte an der Pariser Sorbonne
einmal ein Grusswort halten. Wie bei solchen Anlässen üblich, ist es eine
schöne Geste, wenn der Gast aus dem Ausland ein paar Worte in der Landessprache
verliert. Heiko Maas glaubte, das toppen zu müssen, und las zwanzig Minuten
einen vermutlich in Lautschrift geschriebenen Text in einer Sprache ab, welche
die Zuhörer sich mit Phantasie als «irgendwie französisch klingend» erarbeiten
durften. «Hat er denn gar keine Berater?», flüsterte neben mir ein Professor.
Kurz: Die ganze Angelegenheit war jedem im Saal peinlich ausser vermutlich
Heiko Maas, der glaubte, nun mit Weltläufigkeit geglänzt zu haben. Immerhin:
Der Anzug sass gut.
Wer hat Angst vor der Meritokratie? Über Kompetenz-Vortäuschungskompetenz, NZZ, 22.1. von Milosz Matuschek
Wenn Unfähige Unfähige fördern
In der Rückschau sind wir Zuhörer die Zeugen eines verbreiteten
Phänomens geworden: der Kompetenz-Vortäuschungskompetenz. Es geht heute immer
mehr darum, so zu tun, als könne man etwas. Und manchen schadet es scheinbar
nicht einmal mehr, sich «schlecht zu verkaufen». Nach dem aus der
Management-Literatur bekannten «Peter-Prinzip» werden in komplexen Hierarchien die
Unfähigen systematisch befördert, wohl weil dies andere Unfähige darin
bestätigt, es ebenfalls an die Spitze schaffen zu können. Belohnte Unfähigkeit
ist also ein Incentive für Dumme, für das derzeit die Allgemeinheit zahlt.
Inkompetenz blüht am besten dort, wo andere die negativen Folgen tragen dürfen.
Das bittere Mittel dagegen heisst Meritokratie, die Herrschaft der
Verdienten und Fähigen. Da das in den Ohren der Unfähigen ähnlich viel
Enthusiasmus auslöst wie das Wort «Gesundheitsamt» für den
Gammelfleisch-Döner-Verkäufer, wird gerne versucht, Meritokratie mit dem
Vorwurf des Sozialdarwinismus und des Neoliberalismus zu Fall zu bringen. Dabei
ist es eher umgekehrt: In der Welt der inkompetenten Blender regiert der
Darwinismus der am besten angepassten Marketing-Menschen. Wer glatt genug,
relativ prinzipienfrei und mit den richtigen Leuten befreundet ist, für den
sind die Gesetze der Gravitation aufgehoben. – An dieser Stelle: Herzlichen
Glückwunsch zur Zuckmayer-Medaille, Robert Menasse! Genau diese Doppelstandards
sorgen kurzfristig für eine gefährliche Entfremdung und erodieren auf lange
Sicht das Fundament des gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Institutionen als Parodien ihrer
selbst
Kompetenz-Vortäuscher sind vor allem eines: teuer. Sie machen Fehler,
sind für die Folgenbeseitigung nicht haftbar und verringern den
Handlungsspielraum für kompetentere Nachfolger. Um mit ihrer Inkompetenz nicht
aufzufallen, umgeben sie sich zudem gerne mit anderen Inkompetenten.
Unfähigkeit zieht sich gegenseitig an, es kommt zu einer «Bozo-Explosion» an
der Spitze von Hierarchien, verstetigt durch lebenslange Verbeamtung. Nimmt man
dann noch den In-Group-Bias sowie die Inkompetenz dazu, die eigenen Inkompetenz
zu erkennen («Dunning-Kruger-Effekt») werden Institutionen zu Parodien ihrer
selbst.
Die Auswahl der Richtigen darf sich nicht mehr länger zwischen Amateuren
und Technokraten abspielen. Es braucht eine andere Form der Bestenauslese als
eine durch Kooptation, Proporz oder Loyalität. Unerfahrenheit muss dabei kein
Nachteil sein, schon gar nicht bei Menschen mit Phantasie. Doch es sollte nicht
der Eindruck entstehen, dass fast schon absichtlich nach Böcken gesucht wird,
die man zum Gärtner machen könnte. Deutschland leistet sich gerade eine
Hotelfachfrau als Bildungsministerin, eine bayrische Instagrammerin als Gute-Laune-Bär
im Amt der Staatsministerin für Digitalisierung, und kürzlich war die Tochter
des US-Präsidenten für das Amt des Weltbank-Präsidenten im Gespräch. Der Fisch
stinkt vom Kopf her.
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