22. Januar 2019

Unzufriedene Lehrerstudenten


Mehrere Studenten stellen der Pädagogischen Hochschule ein katastrophales Zeugnis aus. «Miserabel» ist das Wort, das in fast jedem Gespräch mehrmals fällt, wenn über die Qualität einiger Dozenten und den Studienaufbau gesprochen wird.
"Miserabel" - Studenten schimpfen über ihre Ausbildung an der Fachhochschule, Schweiz am Wochenende, 20.1. von Leif Simonsen


Die Stimmung unter den angehenden Gymnasiallehrern an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Muttenz ist im Keller. Die Jobaussichten sind schlecht. In Basel-Stadt ist die Situation mit der Umstellung von vier auf drei Gymnasialjahre besonders prekär. Im vergangenen Jahr war keine einzige Stelle ausgeschrieben.

Richtig wütend macht die Studenten aber vor allem der Ausbildungsgang an der Pädagogischen Hochschule (PH). Mehrere aktuelle Studenten und solche, die jüngst abgeschlossen haben, stellen der PH ein katastrophales Zeugnis aus. «Miserabel» ist das Wort, das in fast jedem Gespräch mehrmals fällt, wenn über die Qualität einiger Dozenten und den Studienaufbau gesprochen wird.

Falsche Versprechen
Die Sek-2-Ausbildung der PH ist dreigeteilt (Praktika/Erziehungswissenschaften/Fachdidaktik) und gemäss Angaben der Schule in einem Jahr zu absolvieren. Bereits das sei ein falsches Versprechen, monieren viele. Mit den vorgeschriebenen Praktika dauere die Ausbildung im Normalfall mindestens eineinhalb Jahre.

Ein Grossteil der Kritik betrifft die Erziehungswissenschaften. In einem Kurs geht es beispielsweise um die Integrationsschule ChaGALL, zwei Kurse behandeln das Thema «Beobachten und Analysieren», wieder ein anderer das «Bildungssystem CH». Mehrere Studenten sagen, das sei von allen Kursen der überflüssigste. «Wer selber zwölf Jahre zur Schule ging und dann mit dem Ziel studiert, Gymnasiallehrer zu werden, der kennt das Bildungssystem.» Dreimal sei ihm bei seiner Ausbildung an der PH beigebracht worden, wie das schweizerische Bildungssystem aufgebaut sei, klagt ein anderer.
Unwesentlich bessere Noten erteilen die angehenden Lehrer der Fachdidaktik. Die Beispiele des Unterrichts seien sehr häufig nicht stufengerecht. Ein Absolvent erzählt, er habe sich mit der Berufswahl von Schülern – so etwa der Suche nach der richtigen Lehrstelle beschäftigen müssen. Entscheide, welche die Schüler auf der Sek 1 treffen. Oder noch schlimmer: Probleme, die nur Primarlehrer etwas angingen, würden diskutiert.

Mehrere berichten über die fehlende Koordination unter den Dozierenden. Auch in Fachdidaktik sei der Unterricht je nach Fachrichtung sehr repetitiv. Vieles, was hier vermittelt würde, wüssten die Studenten schon von der Universität. Zwei von rund zehn Auskunftspersonen sagen immerhin, sie hätten viel gelernt. Einer gibt zu bedenken: «Wir haben es mit angehenden Lehrern zu tun. Da wird oft genörgelt.»

PH hat Kenntnis vom Unmut
Es dominieren aber die Durchhalteparolen. Es gelte, die Ausbildung einfach zu überstehen, sagen sich die Studenten. Das Bild, das sich den Dozierenden in den Klassenzimmern präsentiert, dürfte auch für die Dozierenden demotivierend sein. «Ich hab mal gezählt», erzählt ein Student aus dem Unterricht in Erziehungswissenschaften. «Von den 26 anwesenden Studierenden haben 24 auf ihrem Laptop während des Kurses persönliche Dinge erledigt. Zwei haben aus Anstand zugehört.»

Im Zug der jüngsten Reform wurden an der PH zusätzliche unpopuläre Massnahmen getroffen. Im neuen System braucht es ein einwöchiges Seminar um herauszufinden, ob die Studenten berufstauglich sind. Dies zusätzlich zu einem Eignungstest, der anfangs Studium absolviert wird. Dazu ersetzte die Studienleitung die für die Schlussnote entscheidende Probelektion vor einem Experten. Neu dient ein Videoportfolio als Grundlage. «Meist sind es wacklige Handykameraaufnahmen, die über die Note entscheiden. Da kommt vom Unterricht gar nichts rüber», sagt ein Absolvent. Er kenne keinen, der diese Neuerung begrüsst habe.

An der Schule ist der Unmut der Studenten bekannt. Sprecher Christian lrgl sagt: «Die PH führt regelmässig Befragungen durch. Aus der letzten ging hervor, dass die Studierenden des Studiengangs Sek II ihre Zufriedenheit mit dem Studium tendenziell tiefer bewerten als die Studierenden anderer Studiengänge der PH.» Unter anderem führt er diese Unzufriedenheit auf die schlechten Jobaussichten zurück. «Viele sind besorgt, einige auch frustriert über den aktuellen Arbeitsmarkt. Kommt hinzu, dass viele Sek-II-Studierende parallel zum Studium beruflich tätig und nicht selten zusätzlich familiäre Verpflichtungen haben.»

Auch sagt Irgl, dass die Erwartungen an die PH-Ausbildung oft falsch seien. Die Studenten gingen von einer praxisbezogenen Ausbildung mit direktem Bezug auf die Lehrertätigkeit aus. Die Vorgaben der Erziehungsdirektorenkonferenz verlangten jedoch, dass pädagogische und erziehungswissenschaftliche Zusammenhänge vermittelt würden. Hier beschäftigten sich die Studierenden eben mit Themen wie Emotionen im Jugendalter, Migration und Resilienz.

Kontrollmechanismen versagen
Kein Aufstand so kurz vor dem Abschluss
Allzu viel fürchten muss die Pädagogische Hochschule ohnehin nicht. Einen Aufstand wollen die Studenten so kurz vor dem Abschluss nicht riskieren. «Sicher schwingt da auch etwas die Angst mit, dass man es auf der Zielgeraden versemmelt», sagt ein Student. Die üblichen Kontrollmechanismen versagen ebenfalls. So ist kaum ein Bildungspolitiker über die Zustände an der PH im Bild.

Mehrere Mitglieder der Interparlamentarischen Geschäftsprüfungskommission der FHNW räumen ein, dass sie vom Unterricht an der Pädagogischen Hochschule keine Ahnung hätten. Selbst der Präsident der Kommission, der Solothurner Kantonsrat Hubert Bläsi, gibt zu, kaum etwas darüber zu wissen. Und die kantonalen Lehrerverbände sind eher auf die Volksschulstufen ausgerichtet.

Die vier Nordwestschweizer Trägerkantone wollen der Schule auch nicht allzu stark dreinreden. «Sie steuern grundsätzlich nicht auf der Ebene der einzelnen Studiengänge der FHNW», sagt Simon Thiriet, Sprecher des Basler Erziehungsdepartements. «Die Ausgestaltung dieser liegt in der Autonomie der Institution.» Es würden nur «auf sehr hoher Flughöhe» Vorgaben gemacht.

Immerhin muss man sich zumindest kurzfristig keine Sorgen machen um die Qualität der Gymnasiallehrer. Der ausgetrocknete Arbeitsmarkt tut das Seinige zur Qualitätssicherung. Marc Rohner, Rektor am Gymnasium in Oberwil, sagt: «Wir haben viele Bewerbungen und können daher die Besten auswählen.»


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