Mehrere Studenten stellen der Pädagogischen
Hochschule ein katastrophales Zeugnis aus. «Miserabel» ist das Wort, das in
fast jedem Gespräch mehrmals fällt, wenn über die Qualität einiger Dozenten und
den Studienaufbau gesprochen wird.
"Miserabel" - Studenten schimpfen über ihre Ausbildung an der Fachhochschule, Schweiz am Wochenende, 20.1. von Leif Simonsen
Die Stimmung unter den angehenden Gymnasiallehrern
an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Muttenz ist im Keller. Die
Jobaussichten sind schlecht. In Basel-Stadt ist die Situation mit der
Umstellung von vier auf drei Gymnasialjahre besonders prekär. Im vergangenen
Jahr war keine einzige Stelle ausgeschrieben.
Richtig wütend macht die Studenten aber vor allem
der Ausbildungsgang an der Pädagogischen Hochschule (PH). Mehrere aktuelle
Studenten und solche, die jüngst abgeschlossen haben, stellen der PH ein katastrophales
Zeugnis aus. «Miserabel» ist das Wort, das in fast jedem Gespräch mehrmals
fällt, wenn über die Qualität einiger Dozenten und den Studienaufbau gesprochen
wird.
Falsche Versprechen
Die Sek-2-Ausbildung der PH ist dreigeteilt
(Praktika/Erziehungswissenschaften/Fachdidaktik) und gemäss Angaben der Schule
in einem Jahr zu absolvieren. Bereits das sei ein falsches Versprechen,
monieren viele. Mit den vorgeschriebenen Praktika dauere die Ausbildung im
Normalfall mindestens eineinhalb Jahre.
Ein Grossteil der Kritik betrifft die
Erziehungswissenschaften. In einem Kurs geht es beispielsweise um die
Integrationsschule ChaGALL, zwei Kurse behandeln das Thema «Beobachten und
Analysieren», wieder ein anderer das «Bildungssystem CH». Mehrere Studenten sagen,
das sei von allen Kursen der überflüssigste. «Wer selber zwölf Jahre zur Schule
ging und dann mit dem Ziel studiert, Gymnasiallehrer zu werden, der kennt das
Bildungssystem.» Dreimal sei ihm bei seiner Ausbildung an der PH beigebracht
worden, wie das schweizerische Bildungssystem aufgebaut sei, klagt ein anderer.
Unwesentlich bessere Noten erteilen die angehenden
Lehrer der Fachdidaktik. Die Beispiele des Unterrichts seien sehr häufig nicht
stufengerecht. Ein Absolvent erzählt, er habe sich mit der Berufswahl von
Schülern – so etwa der Suche nach der richtigen Lehrstelle beschäftigen müssen.
Entscheide, welche die Schüler auf der Sek 1 treffen. Oder noch schlimmer:
Probleme, die nur Primarlehrer etwas angingen, würden diskutiert.
Mehrere berichten über die fehlende Koordination
unter den Dozierenden. Auch in Fachdidaktik sei der Unterricht je nach
Fachrichtung sehr repetitiv. Vieles, was hier vermittelt würde, wüssten die
Studenten schon von der Universität. Zwei von rund zehn Auskunftspersonen sagen
immerhin, sie hätten viel gelernt. Einer gibt zu bedenken: «Wir haben es mit
angehenden Lehrern zu tun. Da wird oft genörgelt.»
PH hat Kenntnis vom Unmut
Es dominieren aber die Durchhalteparolen. Es gelte,
die Ausbildung einfach zu überstehen, sagen sich die Studenten. Das Bild, das
sich den Dozierenden in den Klassenzimmern präsentiert, dürfte auch für die
Dozierenden demotivierend sein. «Ich hab mal gezählt», erzählt ein Student aus
dem Unterricht in Erziehungswissenschaften. «Von den 26 anwesenden Studierenden
haben 24 auf ihrem Laptop während des Kurses persönliche Dinge erledigt. Zwei
haben aus Anstand zugehört.»
Im Zug der jüngsten Reform wurden an der PH
zusätzliche unpopuläre Massnahmen getroffen. Im neuen System braucht es ein
einwöchiges Seminar um herauszufinden, ob die Studenten berufstauglich sind.
Dies zusätzlich zu einem Eignungstest, der anfangs Studium absolviert wird.
Dazu ersetzte die Studienleitung die für die Schlussnote entscheidende
Probelektion vor einem Experten. Neu dient ein Videoportfolio als Grundlage.
«Meist sind es wacklige Handykameraaufnahmen, die über die Note entscheiden. Da
kommt vom Unterricht gar nichts rüber», sagt ein Absolvent. Er kenne keinen,
der diese Neuerung begrüsst habe.
An der Schule ist der Unmut der Studenten bekannt.
Sprecher Christian lrgl sagt: «Die PH führt regelmässig Befragungen durch. Aus
der letzten ging hervor, dass die Studierenden des Studiengangs Sek II ihre
Zufriedenheit mit dem Studium tendenziell tiefer bewerten als die Studierenden
anderer Studiengänge der PH.» Unter anderem führt er diese Unzufriedenheit auf
die schlechten Jobaussichten zurück. «Viele sind besorgt, einige auch
frustriert über den aktuellen Arbeitsmarkt. Kommt hinzu, dass viele
Sek-II-Studierende parallel zum Studium beruflich tätig und nicht selten
zusätzlich familiäre Verpflichtungen haben.»
Auch sagt Irgl, dass die Erwartungen an die
PH-Ausbildung oft falsch seien. Die Studenten gingen von einer praxisbezogenen
Ausbildung mit direktem Bezug auf die Lehrertätigkeit aus. Die Vorgaben der
Erziehungsdirektorenkonferenz verlangten jedoch, dass pädagogische und
erziehungswissenschaftliche Zusammenhänge vermittelt würden. Hier beschäftigten
sich die Studierenden eben mit Themen wie Emotionen im Jugendalter, Migration
und Resilienz.
Kontrollmechanismen versagen
Kein Aufstand so kurz vor dem Abschluss
Allzu viel fürchten muss die Pädagogische
Hochschule ohnehin nicht. Einen Aufstand wollen die Studenten so kurz vor dem
Abschluss nicht riskieren. «Sicher schwingt da auch etwas die Angst mit, dass
man es auf der Zielgeraden versemmelt», sagt ein Student. Die üblichen
Kontrollmechanismen versagen ebenfalls. So ist kaum ein Bildungspolitiker über
die Zustände an der PH im Bild.
Mehrere Mitglieder der Interparlamentarischen
Geschäftsprüfungskommission der FHNW räumen ein, dass sie vom Unterricht an der
Pädagogischen Hochschule keine Ahnung hätten. Selbst der Präsident der
Kommission, der Solothurner Kantonsrat Hubert Bläsi, gibt zu, kaum etwas
darüber zu wissen. Und die kantonalen Lehrerverbände sind eher auf die
Volksschulstufen ausgerichtet.
Die vier Nordwestschweizer Trägerkantone wollen der
Schule auch nicht allzu stark dreinreden. «Sie steuern grundsätzlich nicht auf
der Ebene der einzelnen Studiengänge der FHNW», sagt Simon Thiriet, Sprecher
des Basler Erziehungsdepartements. «Die Ausgestaltung dieser liegt in der
Autonomie der Institution.» Es würden nur «auf sehr hoher Flughöhe» Vorgaben
gemacht.
Immerhin muss man sich zumindest kurzfristig keine
Sorgen machen um die Qualität der Gymnasiallehrer. Der ausgetrocknete
Arbeitsmarkt tut das Seinige zur Qualitätssicherung. Marc Rohner, Rektor am
Gymnasium in Oberwil, sagt: «Wir haben viele Bewerbungen und können daher die
Besten auswählen.»
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