Wie die Thurgauer Volksschulzeugnisse künftig
aussehen werden, ist noch nicht klar. Eine Umfrage zeigt nun, dass sich nicht
einmal die Lehrer und Schulleiter einig sind, was sie wollen.
Neue Erkenntnisse zu Zeugnissen, Thurgauer Zeitung, 12.1. von Larissa Flammer
Thurgauer
Lehrer und Schulleiter konnten in einer Umfrage dem Amt für Volksschule ihre
Bedürfnisse bezüglich Beurteilung und Zeugnisse mitteilen. Hintergrund sind die
Neuerungen bei den Thurgauer Volksschulzeugnisse, die bereits passiert sind und
die noch passieren werden (siehe Kasten).
1210
Personen haben an der Umfrage teilgenommen, was einer Rücklaufquote von 43,1
Prozent entspricht. Die wichtigsten Ergebnisse wurden im aktuellen Schulblatt
des Kantons veröffentlicht. Allgemein betrachtet ist es für die Mehrheit der
Lehrpersonen wichtig, auch die Leistungen ihrer Schützlinge in Handlungen wie
Vorträgen, Spielen oder Experimenten bewerten zu können.
Was die
Beurteilung auf den einzelnen Stufen betrifft, so wollen zum Beispiel
Kindergärtnerinnen keinen einheitlichen Einschätzungsbogen. Zwei Drittel der Schulleitungen
wünschen dagegen einen solchen. In der 1. und 2. Klasse, wo es noch keine
Zeugnisnoten gibt, wünschen sich fast alle die vierstufige Einschätzungsskala
zurück. Sowohl die Lehrer als auch die Schulleiter finden mehrheitlich, dass
sich die neue dreistufige Skala nicht bewährt hat.
Zeugnisse müssen einheitlich sein
Ein
besonders umstrittener Punkt, den auch schon sechs Kantonsräte kritisch
angesprochen haben, betrifft Sammelnoten. Wie die Umfrage zeigt, befürwortet
die Mehrheit der Teilnehmer die Einzelnoten Bildnerisches, Textiles und
Technisches Gestalten.
Bei den
Fächern Physik, Chemie und Biologie wird es komplizierter. Je 50 Prozent der
Schulleiter und der Lehrer sprechen sich für Einzel- beziehungsweise Sammelnote
aus. Etwas mehr als 60 Prozent der Schulleiter wollen bei Geografie und
Geschichte lieber eine Sammelnote, die Lehrer sind nur zur Hälfte dafür. Die
Schulleiter sind eindeutig dafür, dass der Kanton eine Vorgabe macht, die
Lehrer sind sich darüber uneins.
«Es läuft
darauf hinaus, dass der Kanton eine Entscheidung treffen und damit nicht alle
Erwartungen erfüllen wird», sagt Beat Brüllmann, Chef des Amts für Volksschule.
«Unbestritten ist aber, dass die Zeugnisse im ganzen Kanton gleich aussehen
müssen.» Für die weiterführenden Schulen und die Lehrbetriebe seien die
Zeugnisse mit den verschiedenen Niveaus auf Sekundarschulstufe so schon
schwierig zu lesen. Brüllmann sagt: «Wir nehmen ihre Bedürfnisse ernst.» Bei
den Workshops, die im Herbst zu diesem Zweck durchgeführt wurden, sei die
Stimmung sehr wohlwollend gewesen. «Wir haben festgestellt, die Leute sind sehr
engagiert und wollen sich einbringen.»
Lehrer und Schulleiter haben verschiedene Rollen
Dass
Lehrer und Schulleiter nicht immer gleicher Meinung sind, zeigen auch die
Aussagen zu Standortgesprächen. Ein grosser Teil der Kindergarten- und Primarschulleiter
spricht sich dafür aus, dass es ein einheitliches Instrument für die
Vorbereitung und Durchführung von Standortgesprächen gibt und dass dieses
obligatorisch wird. Zwei Drittel der Lehrer ab der 3. Klasse wollen kein
solches Instrument und wenn es eines gäbe, soll es gemäss allen nicht
obligatorisch werden.
Den Grund
dafür sieht Brüllmann in den unterschiedlichen Rollen: «Die Lehrer wollen einen
hohen Freiheitsgrad, auf Stufe Schule ist aber eine gewisse Einheitlichkeit
gewünscht.»
Regierung erhält im Juni Bericht
Thurgau
Mit der Einführung des neuen Lehrplans Volksschule Thurgau gab es im Sommer
2017 auch neue Formulare für die Schulzeugnisse. Unter anderem gibt es seither
in der Sekundarschule keine mündlichen Zeugnisnoten mehr und Lehrer können in
Eigenregie die Fächer Physik, Chemie und Biologie zu «Natur und Technik»
zusammenfassen, Geografie und Geschichte zu «Räume, Zeiten, Gesellschaften»
sowie Bildnerisches, Textiles und Technisches Gestalten zu «Gestalten».
Neben der
Präsidentin von Bildung Thurgau haben auch sechs Kantonsräte mit ihrer
Interpellation «Thurgauer Schulzeugnisse – aussagekräftig und vergleichbar?»
schon Kritik an den Neuerungen geübt. Der Kanton betonte, die verschiedenen
Interessengruppen anzuhören und sieht auch in der Interpellation eine Chance,
die Meinung der Politik abzuholen. Der Grosse Rat wird am 23. Januar
über den Vorstoss diskutieren.
Im
vergangenen halben Jahr gab es eine Umfrage bei Lehrern und Schulleitern sowie
Workshops mit Bildungsverbänden, der PHTG und mit dem Gewerbe sowie
weiterführenden Schulen. Ende Januar wird zudem ein Schulversuch abgeschlossen,
in dem Neuerungen im Zeugnis erprobt wurden. Das Amt für Volksschule hat auch
ein Monitoring durchgeführt, um zu vergleichen, wie andere Kantone die
Herausforderung lösen.
Alle
Ergebnisse fliessen in einen Bericht, den der Regierungsrat im Juni erhält. Die
Anpassungen, die der Regierungsrat daraufhin eventuell noch vornehmen wird,
kommen in eine weitere Vernehmlassung. Im Sommer 2020 wird die Regierung
entscheiden, wie die Beurteilungsgrundlage ab dem Schuljahr 2021/2022 aussehen
wird. Die Schulen erhalten für die Umsetzung ein Handbuch. (lsf)
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