15. Januar 2019

Uneinigkeit über Zeugnisse


Wie die Thurgauer Volksschulzeugnisse künftig aussehen werden, ist noch nicht klar. Eine Umfrage zeigt nun, dass sich nicht einmal die Lehrer und Schulleiter einig sind, was sie wollen.
Neue Erkenntnisse zu Zeugnissen, Thurgauer Zeitung, 12.1. von Larissa Flammer


Thurgauer Lehrer und Schulleiter konnten in einer Umfrage dem Amt für Volksschule ihre Bedürfnisse bezüglich Beurteilung und Zeugnisse mitteilen. Hintergrund sind die Neuerungen bei den Thurgauer Volksschulzeugnisse, die bereits passiert sind und die noch passieren werden (siehe Kasten).

1210 Personen haben an der Umfrage teilgenommen, was einer Rücklaufquote von 43,1 Prozent entspricht. Die wichtigsten Ergebnisse wurden im aktuellen Schulblatt des Kantons veröffentlicht. Allgemein betrachtet ist es für die Mehrheit der Lehrpersonen wichtig, auch die Leistungen ihrer Schützlinge in Handlungen wie Vorträgen, Spielen oder Experimenten bewerten zu können.

Was die Beurteilung auf den einzelnen Stufen betrifft, so wollen zum Beispiel Kindergärtnerinnen keinen einheitlichen Einschätzungsbogen. Zwei Drittel der Schulleitungen wünschen dagegen einen solchen. In der 1. und 2. Klasse, wo es noch keine Zeugnisnoten gibt, wünschen sich fast alle die vierstufige Einschätzungsskala zurück. Sowohl die Lehrer als auch die Schulleiter finden mehrheitlich, dass sich die neue dreistufige Skala nicht bewährt hat.

Zeugnisse müssen einheitlich sein
Ein besonders umstrittener Punkt, den auch schon sechs Kantonsräte kritisch angesprochen haben, betrifft Sammelnoten. Wie die Umfrage zeigt, befürwortet die Mehrheit der Teilnehmer die Einzelnoten Bildnerisches, Textiles und Technisches Gestalten.
Bei den Fächern Physik, Chemie und Biologie wird es komplizierter. Je 50 Prozent der Schulleiter und der Lehrer sprechen sich für Einzel- beziehungsweise Sammelnote aus. Etwas mehr als 60 Prozent der Schulleiter wollen bei Geografie und Geschichte lieber eine Sammelnote, die Lehrer sind nur zur Hälfte dafür. Die Schulleiter sind eindeutig dafür, dass der Kanton eine Vorgabe macht, die Lehrer sind sich darüber uneins.

«Es läuft darauf hinaus, dass der Kanton eine Entscheidung treffen und damit nicht alle Erwartungen erfüllen wird», sagt Beat Brüllmann, Chef des Amts für Volksschule. «Unbestritten ist aber, dass die Zeugnisse im ganzen Kanton gleich aussehen müssen.» Für die weiterführenden Schulen und die Lehrbetriebe seien die Zeugnisse mit den verschiedenen Niveaus auf Sekundarschulstufe so schon schwierig zu lesen. Brüllmann sagt: «Wir nehmen ihre Bedürfnisse ernst.» Bei den Workshops, die im Herbst zu diesem Zweck durchgeführt wurden, sei die Stimmung sehr wohlwollend gewesen. «Wir haben festgestellt, die Leute sind sehr engagiert und wollen sich einbringen.»

Lehrer und Schulleiter haben verschiedene Rollen
Dass Lehrer und Schulleiter nicht immer gleicher Meinung sind, zeigen auch die Aussagen zu Standortgesprächen. Ein grosser Teil der Kindergarten- und Primarschulleiter spricht sich dafür aus, dass es ein einheitliches Instrument für die Vorbereitung und Durchführung von Standortgesprächen gibt und dass dieses obligatorisch wird. Zwei Drittel der Lehrer ab der 3. Klasse wollen kein solches Instrument und wenn es eines gäbe, soll es gemäss allen nicht obligatorisch werden.

Den Grund dafür sieht Brüllmann in den unterschiedlichen Rollen: «Die Lehrer wollen einen hohen Freiheitsgrad, auf Stufe Schule ist aber eine gewisse Einheitlichkeit gewünscht.»
Regierung erhält im Juni Bericht
Thurgau Mit der Einführung des neuen Lehrplans Volksschule Thurgau gab es im Sommer 2017 auch neue Formulare für die Schulzeugnisse. Unter anderem gibt es seither in der Sekundarschule keine mündlichen Zeugnisnoten mehr und Lehrer können in Eigenregie die Fächer Physik, Chemie und Biologie zu «Natur und Technik» zusammenfassen, Geografie und Geschichte zu «Räume, Zeiten, Gesellschaften» sowie Bildnerisches, Textiles und Technisches Gestalten zu «Gestalten».
Neben der Präsidentin von Bildung Thurgau haben auch sechs Kantonsräte mit ihrer Interpellation «Thurgauer Schulzeugnisse – aussagekräftig und vergleichbar?» schon Kritik an den Neuerungen geübt. Der Kanton betonte, die verschiedenen Interessengruppen anzuhören und sieht auch in der Interpellation eine Chance, die Meinung der Politik abzuholen. Der Grosse Rat wird am 23.   Januar über den Vorstoss diskutieren.
Im vergangenen halben Jahr gab es eine Umfrage bei Lehrern und Schulleitern sowie Workshops mit Bildungsverbänden, der PHTG und mit dem Gewerbe sowie weiterführenden Schulen. Ende Januar wird zudem ein Schulversuch abgeschlossen, in dem Neuerungen im Zeugnis erprobt wurden. Das Amt für Volksschule hat auch ein Monitoring durchgeführt, um zu vergleichen, wie andere Kantone die Herausforderung lösen.
Alle Ergebnisse fliessen in einen Bericht, den der Regierungsrat im Juni erhält. Die Anpassungen, die der Regierungsrat daraufhin eventuell noch vornehmen wird, kommen in eine weitere Vernehmlassung. Im Sommer 2020 wird die Regierung entscheiden, wie die Beurteilungsgrundlage ab dem Schuljahr 2021/2022 aussehen wird. Die Schulen erhalten für die Umsetzung ein Handbuch. (lsf)


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