Eine Gruppe von WEF-Teilnehmern besuchte diese Woche eine Primarschule
in Davos. Das Ziel der Stippvisite: Die Kinder sollten Gelegenheit erhalten,
den Managerinnen und Managern Fragen zu ihren Jobs zu stellen. Man wollte sich
aber auch einen Eindruck darüber verschaffen, ob die vierte industrielle
Revolution, welche die Arbeitswelt radikal verändern wird, bereits in
irgendeiner Form im Klassenzimmer angekommen ist.
Diskrepanz zwischen Berufswunsch und Realität
Der Befund lautet: Nein. Die Zeichnungen über ihre Berufswünsche, welche
die Kinder ablieferten, kommen nämlich so daher wie seit eh und je: Die Buben
wollen am liebsten Sportler oder Mechaniker werden, bei den Mädchen stand
Sportlerin auch ganz oben, gefolgt von Lehrerin. Programmierer? Softwareingenieurin?
Fehlanzeige.
Nun ist es zwar ziemlich normal und auch gut, dass Primarschüler Träume
haben. Doch die Zahlen der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit in
Europa OECD zeigen:
Auch junge Menschen im Alter von 17 bis 18 Jahren interessieren sich häufig für
Jobs, die in der modernen Arbeitswelt gar nicht gefragt sind. So streben etwa
mehr als 15 Prozent der Jugendlichen eine Karriere im Kultur-, Medien- und
Sportbereich an – obwohl sich die Zahl der in diesen Sektoren benötigten
Personen bis 2024 drastisch reduzieren wird. «Es existiert ein Missmatch
zwischen den Berufsvorstellungen der Jungen und der Realität», hält Andreas
Schleicher, Chef für den Bereich Bildung und Fähigkeiten bei der OECD, fest.
Beeinflusst werden die Jobbilder von Schülern unter anderem von ihrem
sozioökonomischen Hintergrund, aber auch von den Erwartungshaltungen der Eltern
und von Geschlechterstereotypen. Die Wahrscheinlichkeit etwa, dass Eltern
einem Sohn eine Ingenieurkarriere zutrauen, ist dreimal höher als bei einer
Tochter – selbst wenn beide über die gleichen Fähigkeiten verfügen.
Entsprechend hoch sind die Berührungsängste bei den Mädchen.
Dass Vertrautheit mit Technologie und Mathematik hilft, in der neuen
Arbeitswelt zu bestehen, ist schon seit längerem bekannt. Doch Zahlen, die am
Weltwirtschaftsforum präsentiert wurden, zeigen, dass die Schulen nicht
genügend auf das vorbereiten, was künftig gefragt ist: So verfügt im
OECD-Schnitt jeder zweite Mensch zwischen 16 und 24 Jahren nicht über genügend
Kompetenzen, um komplexe digitale Informationen zu managen. Am besten schneiden
im Ländervergleich Singapur, Korea und Finnland ab. Die Schweiz ist nicht
aufgeführt, hat aber laut OECD-Experte Schleicher Aufholbedarf in ihrem
Bildungswesen, was den Erwerb von Zukunftskompetenzen angeht.
Für Schleicher ist klar: Arbeitswelt und Schulen müssen früher
miteinander in Berührung kommen, um die Schüler, aber auch die traditionell
konservativen Lehrer mit den Jobs von morgen und den Umwälzungen im Markt in
Berührung zu bringen. Ein positives Beispiel ist für ihn die Organisation
Education and Employers, die am WEF zusammen mit der OECD auftrat. Die Stiftung
schickt in Zusammenarbeit mit Firmen Freiwillige in die britischen
Klassenzimmer, um jungen Menschen von ihren Karrieren zu erzählen und damit
gleichzeitig auch Geschlechterstereotype zu brechen.
Neue Initiative an Schweizer Schulen
Nach demselben Prinzip wird nun eine Schwesterorganisation in der
Schweiz aufgezogen, die unter dem Namen «Mod-elle» operiert. Sie ist seit
kurzem in der Westschweiz aktiv und arbeitet derzeit mit acht Schulen in
Lausanne zusammen. In den nächsten Monaten soll auch in die Deutschschweiz
expandiert werden. Hierfür werden noch Partner und Freiwillige gesucht.
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