12. Januar 2019

PH Thurgau entlässt Prorektor


Weil er sich mit der Rektorin überworfen hat, wurde Matthias Begemann an der Pädagogischen Hochschule in Kreuzlingen per sofort freigestellt. Seinen Lohn bezieht er noch mehr als zwei Jahre. Einen Maulkorb akzeptiert er aber trotzdem nicht.

Differenzen mit der Rektorin führten zum Rauswurf des Prorektors, Bild: PHTG
«Ich war der unbequeme Prorektor», Thurgauer Zeitung, 11.1. von Silvan Meile


Ende November 2018 gab die PH Thurgau bekannt, dass sie sich per sofort von ihrem Vizerektor trennt. Nun nimmt der Mann, der seit 1989 in der Institution arbeite, dazu Stellung.

Matthias Begemann, Ihre Freistellung an der PH sorgt für Wirbel. Weshalb wurden Sie freigestellt?
Im Entscheid des Hochschulrates heisst es, es handle sich um einen innerbetrieblichen Konflikt, der die Funktionsfähigkeit der Hochschulleitung in Frage stelle.

Das heisst, sie waren so zerstritten, dass nicht mehr zusammengearbeitet werden konnte?
Aus meiner Sicht hat die Hochschulleitung professionell und gut funktioniert. Der Konflikt ist eher zwischen der Rektorin Priska Sieber und mir zu sehen. Es stimmt nicht, dass die ganze Hochschulleitung verkracht war. Die Rektorin fühlte sich einfach als Frau Rektorin zu wenig respektiert.

Sie hatten sich ihr zu oft widersetzt?
Nein. Kritik habe ich immer mit Vorschlägen verbunden. Alternativen und Gegenargumente wurden aber als lästig empfunden. Dabei sind Diskussionen über verschiedene Perspektiven doch notwendig, um die Qualität der Schule zu steigern. Ich sagte ihr: «Es ist wichtig, dass wir Entscheide diskutieren. Du musst einfach mit einem unbequemen Prorektor umgehen können. Gleichzeitig kannst du dich aber voll auf ihn verlassen.» Das ging aber offenbar nicht.

Führte das zu Streit?
Generell setzte ich mich immer für die Bewahrung von Freiräumen ein, die neue Ideen und Innovationen ermöglichen. Die Rektorin vertrat eher den Standpunkt, dass Regelungen und Controlling-Instrumente eingeführt werden müssen. Unser Konflikt eskalierte im vergangenen Frühling an zwei Gesprächen mit gegenseitigen Vorwürfen. Schliesslich entschied sie, dass eine Zusammenarbeit mit mir nicht mehr möglich ist. Und sie machte mich zuvor verantwortlich, dass die Hochschulleitung in einer Mitarbeiterbefragung von 2017 auffallend schlecht wegkam. Dafür gibt es aber keine Belege. Ausserdem waren die Resultate innerhalb meines Prorektorats ausgesprochen gut.

Haben Sie aufgrund der unüberbrückbaren Differenzen nie daran gedacht, die Konsequenzen viel früher zu ziehen und sich aus der Hochschulleitung zurückzuziehen?
Ich habe mir das schon überlegt. Konkret habe ich im letzten halben Jahr und bis zum Schluss verschiedene Vorschläge gemacht, wie ich ausserhalb der Hochschulleitung weiterarbeiten könnte. Ich glaubte immer an eine gute Lösung. Noch vor wenigen Monaten hätte ich nie geglaubt, dass ich tatsächlich freigestellt werde.

Wann erfuhren Sie vom Rauswurf?
Der Hochschulrat hat am 22.November an seiner ordentlichen Sitzung entschieden, mich freizustellen. Dem ist während mehrerer Monate eine Art Freistellungsverfahren vorausgegangen.

Wie lautete schliesslich die Begründung?
Es wurde kommuniziert, dass es grundlegende Meinungsverschiedenheiten über die Führung der Hochschule gebe. Das stimmt auch, die gab es. So banal es klingt, es ist tatsächlich so. Einen anderen Grund gab es nicht. Die Auffassungen über das Führungsverständnis waren unterschiedlich. Die Frage stellt sich, ob man deswegen den stellvertretenden Rektor freistellen muss. Die sofortige Freistellung mit der Begründung, zu meinem Schutz könne nichts darüber gesagt werden, heizte Gerüchte an. Und auch mir wurde «absolutes Stillschweigen» auferlegt, andernfalls wurde mir die fristlose Kündigung angedroht. Das konnte ich nicht akzeptieren.

Sie wollen gar nicht schweigen?
Ich habe nichts zu verbergen. In der Mitteilung des Hochschulrats wurde ich in den höchsten Tönen gelobt, aber auch per sofort freigestellt. Das klingt doch, als wäre unmittelbar etwas Strafrechtliches vorgefallen. Solche Spekulationen sind aufgekommen. Sonst müsste man doch nicht per sofort gehen. Doch es ist überhaupt nichts Schlimmes vorgefallen. Ich muss mir nicht etwas anhängen lassen, das es nicht gibt. Deshalb lehnte ich eine Kommunikationseinschränkung entschieden ab.

Sie erhalten nun für mehr als zwei Jahre den ordentlichen Lohn, sind aber freigestellt.
Mir wird der Lohn bis zu meinem 63. Geburtstag bezahlt. Zuerst war das eben an ein absolutes Stillschweigen gekoppelt. Ich hätte mich gekauft gefühlt. Deshalb habe ich dieses Angebot mehrmals abgelehnt. Erst ganz zum Schluss, als ich einen Anwalt einschaltete und Rechtsmittel ankündigte, wurde die Vereinbarung ohne jeglichen Maulkorb akzeptiert. Im Gegenzug verzichte ich auf Rechtsmittel gegen die aus meiner Sicht unrechtmässige Freistellung.

Wie verliefen denn Gespräche mit Hochschulratspräsident Hans Munz oder Regierungsrätin Monika Knill?
Nach dem Freistellungsentscheid hatte ich keinen Kontakt mehr, vorher natürlich regelmässig. Ich ging von Seiten des Departements für Erziehung und Kultur davon aus, dass das Interesse vorhanden ist, dass ich zumindest für Projekte und für eine geordnete Übergabe an einen Nachfolger eingesetzt werde. Ich bin schon etwas überrascht, dass davon keine Rede mehr ist.

In einem beachtlichen Teil der Belegschaft der Pädagogischen Hochschule erfahren Sie grossen Zuspruch. Das Vorgehen des Hochschulrats und der Rektorin erachten viele hingegen als fragwürdig. Welche Reaktionen haben Sie erhalten?
Ich erfahre sehr viel Wertschätzung und habe mehr als hundert Mails und Briefe bekommen, die alle etwa ähnlich lauten: Entsetzen oder Erschütterung, Anteilnahme und Bedauern. Meine sofortige Freistellung kann nicht nachvollzogen werden und löst ein grosses Misstrauen gegenüber der Hochschulleitung und dem Hochschulrat aus. «Zum ersten Mal in meinem Leben gehe ich nicht gerne zur Arbeit», schrieb mir jemand.

Welchen Einfluss hatte Ihre gesundheitlich schwierige Situation?
Für mich waren die letzten zwei Jahre eine extrem belastende Zeit. Rückblickend war ich sicher durch die gesundheitliche Belastung – unter anderem musste ich mich einer Krebsbehandlung unterziehen – nicht immer so entspannt und souverän, wie ich gerne gewesen wäre. Einige Konflikte waren wohl geprägt durch meine eingeschränkte Gesundheit. Ich konnte es aber kaum glauben, dass parallel zu meinen Spitalaufenthalten ein Freistellungsverfahren lief.

Wie geht es Ihnen heute gesundheitlich?
Eigentlich gut. Die schlimmsten Dinge habe ich überstanden. Nun muss ich aufpassen, dass ich nicht in ein Loch falle. Denn es ist für mich völlig ungewohnt, nicht arbeiten zu können. Ich identifiziere mich noch immer mit der PH, darf aber nicht arbeiten und habe eine leere Agenda.

Ihnen wird nachgesagt, ein grosser Macher, aber auch hart im Ton gewesen zu sein. Wurde Letzteres zum Problem?
Es gibt viele Menschen, mit denen ich fast dreissig Jahre am Seminar Kreuzlingen und an der PH Thurgau zusammengearbeitet habe. Die sagen, dass es mit mir nicht leicht ist, wenn ich klar argumentiere. Aber wir haben uns immer an der Sache orientiert. Wir haben uns für unsere Sache eingesetzt. Wenn mal mit harten Bandagen gefightet wurde, war der Ausdruck des Engagements für die Sache und der Identifikation mit der Institution. Es war immer ein Ringen um die beste Lösung, es ging nie um die Person.

Was würden Sie im Nachhinein anders machen?
Ich würde mich dafür einsetzen, dass man frühzeitig im Gremium der Hochschulleitung über die Differenzen diskutiert hätte. Wir haben zwar im Mai eine Klausur zum Thema Führungsverständnis abgehalten. Wir hätten aber früher die Frage stellen müssen: «Wie wollen wir unsere Hochschule gestalten? Nehmen wir die Anliegen der Mitarbeiter wahr?»

Wie sieht Ihre Zukunft aus?
Völlig unklar. Ich werde nun meinem Hobby dem Singen mehr Raum geben können. Ein Leben als Frührentner kann ich mir aber nicht vorstellen. Ich schaue mich nach einer neuen beruflichen Tätigkeit um. Vielleicht gibt es befristete Projektaufgaben. Im März werde ich 61 Jahre alt. Ich werde wohl kaum noch eine feste Stelle finden.


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