Weil er sich mit der Rektorin überworfen hat,
wurde Matthias Begemann an der Pädagogischen Hochschule in Kreuzlingen per
sofort freigestellt. Seinen Lohn bezieht er noch mehr als zwei Jahre. Einen
Maulkorb akzeptiert er aber trotzdem nicht.
Differenzen mit der Rektorin führten zum Rauswurf des Prorektors, Bild: PHTG
«Ich war der unbequeme Prorektor», Thurgauer Zeitung, 11.1. von Silvan Meile
Ende
November 2018 gab die PH Thurgau bekannt, dass sie sich per sofort von ihrem
Vizerektor trennt. Nun nimmt der Mann, der seit 1989 in der Institution
arbeite, dazu Stellung.
Matthias
Begemann, Ihre Freistellung an der PH sorgt für Wirbel. Weshalb wurden Sie
freigestellt?
Im
Entscheid des Hochschulrates heisst es, es handle sich um einen
innerbetrieblichen Konflikt, der die Funktionsfähigkeit der Hochschulleitung in
Frage stelle.
Das
heisst, sie waren so zerstritten, dass nicht mehr zusammengearbeitet werden
konnte?
Aus
meiner Sicht hat die Hochschulleitung professionell und gut funktioniert. Der
Konflikt ist eher zwischen der Rektorin Priska Sieber und mir zu sehen. Es
stimmt nicht, dass die ganze Hochschulleitung verkracht war. Die Rektorin
fühlte sich einfach als Frau Rektorin zu wenig respektiert.
Sie
hatten sich ihr zu oft widersetzt?
Nein.
Kritik habe ich immer mit Vorschlägen verbunden. Alternativen und
Gegenargumente wurden aber als lästig empfunden. Dabei sind Diskussionen über verschiedene
Perspektiven doch notwendig, um die Qualität der Schule zu steigern. Ich sagte
ihr: «Es ist wichtig, dass wir Entscheide diskutieren. Du musst einfach mit
einem unbequemen Prorektor umgehen können. Gleichzeitig kannst du dich aber
voll auf ihn verlassen.» Das ging aber offenbar nicht.
Führte
das zu Streit?
Generell
setzte ich mich immer für die Bewahrung von Freiräumen ein, die neue Ideen und
Innovationen ermöglichen. Die Rektorin vertrat eher den Standpunkt, dass
Regelungen und Controlling-Instrumente eingeführt werden müssen. Unser Konflikt
eskalierte im vergangenen Frühling an zwei Gesprächen mit gegenseitigen
Vorwürfen. Schliesslich entschied sie, dass eine Zusammenarbeit mit mir nicht
mehr möglich ist. Und sie machte mich zuvor verantwortlich, dass die
Hochschulleitung in einer Mitarbeiterbefragung von 2017 auffallend schlecht
wegkam. Dafür gibt es aber keine Belege. Ausserdem waren die Resultate
innerhalb meines Prorektorats ausgesprochen gut.
Haben Sie
aufgrund der unüberbrückbaren Differenzen nie daran gedacht, die Konsequenzen
viel früher zu ziehen und sich aus der Hochschulleitung zurückzuziehen?
Ich habe
mir das schon überlegt. Konkret habe ich im letzten halben Jahr und bis zum
Schluss verschiedene Vorschläge gemacht, wie ich ausserhalb der
Hochschulleitung weiterarbeiten könnte. Ich glaubte immer an eine gute Lösung.
Noch vor wenigen Monaten hätte ich nie geglaubt, dass ich tatsächlich
freigestellt werde.
Wann
erfuhren Sie vom Rauswurf?
Der
Hochschulrat hat am 22.November an seiner ordentlichen Sitzung entschieden,
mich freizustellen. Dem ist während mehrerer Monate eine Art
Freistellungsverfahren vorausgegangen.
Wie
lautete schliesslich die Begründung?
Es wurde
kommuniziert, dass es grundlegende Meinungsverschiedenheiten über die Führung
der Hochschule gebe. Das stimmt auch, die gab es. So banal es klingt, es ist
tatsächlich so. Einen anderen Grund gab es nicht. Die Auffassungen über das
Führungsverständnis waren unterschiedlich. Die Frage stellt sich, ob man
deswegen den stellvertretenden Rektor freistellen muss. Die sofortige
Freistellung mit der Begründung, zu meinem Schutz könne nichts darüber gesagt
werden, heizte Gerüchte an. Und auch mir wurde «absolutes Stillschweigen»
auferlegt, andernfalls wurde mir die fristlose Kündigung angedroht. Das konnte
ich nicht akzeptieren.
Sie
wollen gar nicht schweigen?
Ich habe
nichts zu verbergen. In der Mitteilung des Hochschulrats wurde ich in den
höchsten Tönen gelobt, aber auch per sofort freigestellt. Das klingt doch, als
wäre unmittelbar etwas Strafrechtliches vorgefallen. Solche Spekulationen sind
aufgekommen. Sonst müsste man doch nicht per sofort gehen. Doch es ist
überhaupt nichts Schlimmes vorgefallen. Ich muss mir nicht etwas anhängen
lassen, das es nicht gibt. Deshalb lehnte ich eine Kommunikationseinschränkung
entschieden ab.
Sie
erhalten nun für mehr als zwei Jahre den ordentlichen Lohn, sind aber
freigestellt.
Mir wird
der Lohn bis zu meinem 63. Geburtstag bezahlt. Zuerst war das eben an ein
absolutes Stillschweigen gekoppelt. Ich hätte mich gekauft gefühlt. Deshalb
habe ich dieses Angebot mehrmals abgelehnt. Erst ganz zum Schluss, als ich
einen Anwalt einschaltete und Rechtsmittel ankündigte, wurde die Vereinbarung
ohne jeglichen Maulkorb akzeptiert. Im Gegenzug verzichte ich auf Rechtsmittel
gegen die aus meiner Sicht unrechtmässige Freistellung.
Wie verliefen
denn Gespräche mit Hochschulratspräsident Hans Munz oder Regierungsrätin Monika
Knill?
Nach dem
Freistellungsentscheid hatte ich keinen Kontakt mehr, vorher natürlich
regelmässig. Ich ging von Seiten des Departements für Erziehung und Kultur davon
aus, dass das Interesse vorhanden ist, dass ich zumindest für Projekte und für
eine geordnete Übergabe an einen Nachfolger eingesetzt werde. Ich bin schon
etwas überrascht, dass davon keine Rede mehr ist.
In einem
beachtlichen Teil der Belegschaft der Pädagogischen Hochschule erfahren Sie
grossen Zuspruch. Das Vorgehen des Hochschulrats und der Rektorin erachten
viele hingegen als fragwürdig. Welche Reaktionen haben Sie erhalten?
Ich
erfahre sehr viel Wertschätzung und habe mehr als hundert Mails und Briefe
bekommen, die alle etwa ähnlich lauten: Entsetzen oder Erschütterung,
Anteilnahme und Bedauern. Meine sofortige Freistellung kann nicht nachvollzogen
werden und löst ein grosses Misstrauen gegenüber der Hochschulleitung und dem
Hochschulrat aus. «Zum ersten Mal in meinem Leben gehe ich nicht gerne zur
Arbeit», schrieb mir jemand.
Welchen
Einfluss hatte Ihre gesundheitlich schwierige Situation?
Für mich
waren die letzten zwei Jahre eine extrem belastende Zeit. Rückblickend war ich
sicher durch die gesundheitliche Belastung – unter anderem musste ich mich
einer Krebsbehandlung unterziehen – nicht immer so entspannt und souverän, wie
ich gerne gewesen wäre. Einige Konflikte waren wohl geprägt durch meine eingeschränkte
Gesundheit. Ich konnte es aber kaum glauben, dass parallel zu meinen
Spitalaufenthalten ein Freistellungsverfahren lief.
Wie geht
es Ihnen heute gesundheitlich?
Eigentlich
gut. Die schlimmsten Dinge habe ich überstanden. Nun muss ich aufpassen, dass
ich nicht in ein Loch falle. Denn es ist für mich völlig ungewohnt, nicht
arbeiten zu können. Ich identifiziere mich noch immer mit der PH, darf aber
nicht arbeiten und habe eine leere Agenda.
Ihnen
wird nachgesagt, ein grosser Macher, aber auch hart im Ton gewesen zu sein.
Wurde Letzteres zum Problem?
Es gibt
viele Menschen, mit denen ich fast dreissig Jahre am Seminar Kreuzlingen und an
der PH Thurgau zusammengearbeitet habe. Die sagen, dass es mit mir nicht leicht
ist, wenn ich klar argumentiere. Aber wir haben uns immer an der Sache
orientiert. Wir haben uns für unsere Sache eingesetzt. Wenn mal mit harten
Bandagen gefightet wurde, war der Ausdruck des Engagements für die Sache und
der Identifikation mit der Institution. Es war immer ein Ringen um die beste
Lösung, es ging nie um die Person.
Was
würden Sie im Nachhinein anders machen?
Ich würde
mich dafür einsetzen, dass man frühzeitig im Gremium der Hochschulleitung über
die Differenzen diskutiert hätte. Wir haben zwar im Mai eine Klausur zum Thema
Führungsverständnis abgehalten. Wir hätten aber früher die Frage stellen
müssen: «Wie wollen wir unsere Hochschule gestalten? Nehmen wir die Anliegen
der Mitarbeiter wahr?»
Wie sieht
Ihre Zukunft aus?
Völlig
unklar. Ich werde nun meinem Hobby dem Singen mehr Raum geben können. Ein Leben
als Frührentner kann ich mir aber nicht vorstellen. Ich schaue mich nach einer
neuen beruflichen Tätigkeit um. Vielleicht gibt es befristete Projektaufgaben.
Im März werde ich 61 Jahre alt. Ich werde wohl kaum noch eine feste Stelle
finden.
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