Mit
Lehrern haben nicht viele Leute Mitleid. Doch Basler Lehrpersonen wurden vom
Erziehungsdepartement jahrelang stiefmütterlich behandelt. 648 an den
Volksschulen angestellte Lehrpersonen haben nur befristete Anstellungsverträge,
das heisst, sie können jederzeit entlassen werden – und viele befinden sich
seit Jahren in dieser misslichen Situation. Für das Erziehungsdepartement war
das bequem. So liessen sich die Lehrer gerade während der Zeit der vielen
Reformen vorzüglich als Manövriermasse nutzen. Ausserdem blieben sie schön
ruhig, da das Damoklesschwert der Kündigung drohend über ihnen schwebte. So
begehrten viele der Basler Lehrpersonen zwar nicht auf, waren jedoch auch nicht
sonderlich motiviert.
Basler Lehrer sollen wieder aufmucken dürfen, Basler Zeitung, 7.1. von Franziska Laur
Grossrätin
Kerstin Wenk (SP) ist als Gewerkschaftssekretärin für den Bildungs- und
Sozialbereich zuständig. Ihr war dieses Gebaren des Kantons als Arbeitgeber der
Lehrpersonen schon länger ein Dorn im Auge. So lancierte sie vor einem Jahr
eine Motion betreffend Aufhebung dieser sogenannten ewigen Probezeit, doch die
Motion scheiterte knapp. «Viele Grossräte argumentierten, eine Probezeit von
drei Monaten sei zu wenig», sagt Kerstin Wenk. So zögerte sie nicht und reichte
eine zweite Motion nach, in der sie die Probezeit auf sechs Monate anhob.
Diesmal kam sie durch.
Hoffnung
auf mehr Widerstand
Das
Erziehungsdepartement fackelte ebenfalls nicht lange und änderte das
Schulgesetz. Per 1. August 2019 müssen befristet angestellte Lehrpersonen der
Volksschulen einen festen Anstellungsvertrag erhalten, und zwar ohne Probezeit.
Davon ausgenommen sind Lehrpersonen mit noch nicht abgeschlossener Ausbildung
und solche, bei denen Vorbehalte betreffend Unterrichtsqualität oder Mitarbeit
im Kollegium bestehen. Für die weiterführenden Schulen gilt dasselbe,
allerdings ein Jahr später. «Es gibt Schulhäuser, in denen mehr als 80 Prozent
der Lehrpersonen befristet angestellt sind», sagt Gewerkschaftssekretärin
Kerstin Wenk. Sie hofft, dass die Pädagogen nach der Einführung des neuen
Gesetzes nicht mehr so stark unter Druck sind und sich auch mal getrauen
aufzubegehren.
Tatsächlich sind
Basler Lehrer im Vergleich mit ihren Baselbieter Kollegen auffallend ruhig.
Während der ganzen Reformen, die ihnen doch sehr an die Substanz gingen, waren
nur selten kritische Worte zu hören.
Wenk sieht die
Schuld daran allerdings nicht nur bei den befristeten Verträgen. «Sie bekamen
auch von oben einen Maulkorb verordnet», sagt sie. Im Gegensatz zu Christoph
Eymann, der mindestens stets ein offenes Ohr hatte, werde heute im
Erziehungsdepartement eine ganz andere Kultur gelebt. Mit diesen beiden
Mitteln, Maulkorb und befristete Verträge, könne man die Leute enorm unter
Druck setzen, sagt Wenk. Wäre das nicht gewesen, so wäre ihrer Meinung nach bei
der Schullaufbahnverordnung, bei der Lernberichte schon für Kindergärtner
verfasst werden müssen, mehr aufgemuckt worden. Auch die Gymnasialquote wäre
entschiedener bekämpft worden.
Auch
Bildungspolitikerin Katja Christ (Grünliberale) begrüsst die Änderung des
Schulgesetzes. «Wenn die Lehrer stets nur befristete Verträge bekommen, äussern
sie kaum mehr Kritik, aus Angst, dadurch keinen neuen Vertrag mehr zu
erhalten», sagt sie.
Ständiger
Wechsel für Kinder
Für die Kinder
sieht Christ ebenfalls Vorteile: «Der ständige Lehrerwechsel ist sehr
strapazierend.» Schon ohne befristete Verträge gebe es eine grosse Unruhe, da
pro Klasse ohnehin meist mehrere Lehrpersonen unterrichten, sei es wegen
Teilzeitarbeitenden oder wegen der Bedürfnisse der Integrationsklassen. Dazu
kommen die Lehrpersonen für die Nebenfächer. Hinzu kämen Krankheit oder
Schwangerschaft, was zu Wechseln führt. Doch die befristeten Verträge würden
Lehrer forcieren, sich gar nicht erst auf eine Klasse einzulassen. «Viele von
ihnen ziehen nach einem Jahr oder zwei schon wieder weiter», so Christ.
Ab August muss
also eine Schulleitung innerhalb von sechs Monaten über die Fähigkeiten und
Qualitäten einer neu angestellten Lehrperson urteilen können und einen fixen
Arbeitsvertrag vorlegen. Diese Probezeit kann nötigenfalls auf zwölf Monate
verlängert werden.
Anzunehmen ist,
dass das Erziehungsdepartement nicht nur aus Menschenliebe, sondern auch aus
ganz pragmatischen Gründen so schnell auf die Motion reagiert hat. Der Kanton
Basel-Stadt als Arbeitgeber war kaum mehr attraktiv, und dies ist vor allem in Zeiten
des Lehrermangels unangenehm. Denn in den umliegenden Kantonen waren die
Chancen auf eine Festanstellung stets deutlich besser.
Wie im Basler
Schulblatt allerdings steht, dürfen sich die Lehrer trotzdem nicht zu früh
freuen. Die Einführung des neuen Schulgesetzes bedeute noch lange nicht, dass
jeder Lehrperson die gewünschten Stellenprozente zugestanden würden. Und der
Maulkorb für die Lehrpersonen wird durch die Änderung des Schulgesetzes leider
auch nicht aufgehoben.
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