Noch nie war das Thema Homeschooling so aktuell
wie heute («Spielend lernen ohne Schule»; BaZ 18. 12. 18). Und dies
kommt nicht von ungefähr – denn in ähnlichem Ausmass gibt auch die
grundsätzliche Frage «Wie zeitgemäss und zukunftsfähig ist die heutige Schule
überhaupt ?» immer häufiger Anlass zur Diskussion – sowohl in der Politik,
Wirtschaft wie auch in den Medien. Als Lehrer und Lehrerberater haben wir seit
mehr als 40 Jahren direkten Einblick in den Schulalltag und konnten die
Schulentwicklung in vier Jahrzehnten unmittelbar beobachten und miterleben.
Immer deutlicher zeichnete sich ab, dass die technische und gesellschaftliche
Entwicklung in diesen Jahren das herkömmliche Schulsystem, die Lehrpersonen und
insbesondere die Unterrichtsformen komplett überfordern – auf Kosten der Kinder
und deren anfänglicher Lern- und Lebensfreude.
Schulsystem ist überfordert, Basler Zeitung, 24.12. von Verena Bräm und Jonas Ulmer
Gemäss
unserer Einschätzung wollen viele Volksschulvertreter dem Ausmass der
Überforderungen und den damit verbundenen Schwierigkeiten nicht ins Auge sehen
– auch wenn diese offensichtlich sind, wenn man eine Weile aufmerksam auf einem
Pausenplatz und in einem Schul- oder Lehrerzimmer verbringt. Viel deutlicher
kommt das Ausmass zum Vorschein, wenn man ernsthafte Gespräche mit Eltern führt
und sie nach dem Wohlergehen ihrer schulpflichtigen Kinder fragt. Auch
Schulpsychologen und Heilpädagogen werden täglich mit den negativen Folgen von
überforderten Lehrerpersonen und ihren Klassen konfrontiert – und sind
betroffen, bereits Schulkindern Medikamente abgeben zu müssen, damit diese
zwangsläufig am Unterricht teilnehmen können. Daran können auch jahrelange
Schulreformdiskussionen und gut gemeinte Schulexperimente wenig ändern. Ein
System, in dem gut ein Drittel der Lernenden therapiert werden muss, kann doch
nicht fraglos akzeptiert werden!
Kein
Wunder also, dass von derartigen Schulproblemen betroffene Eltern nach neuen
Lösungen suchen, um die Entwicklung und Gesundheit ihrer Kinder nicht von einem
überforderten Schulsystem abhängig zu machen.
Wenig
sachgemässe Kritik
Unsere
Erfahrungen mit zahlreichen Homeschooling-Eltern zeigen, dass freies Lernen
oder Homeschooling sehr erfolgreich gelingt, wenn sie die Bereitschaft und die
Verantwortung für diese sehr anspruchsvolle Aufgabe ernsthaft wahrnehmen. Die
Vorteile, die Homeschooling mit sich bringen, widersprechen mit grosser
Deutlichkeit den wenig sachgemässen Argumenten der Homeschooling-Gegner, welche
meist aus Unkenntnis das Unterrichten zu Hause infrage stellen.
Eine
zukunftsgerichtete und entwicklungsfähige Gesellschaft und Wirtschaft braucht
genau die Kompetenzen, die mittels individueller Förderung zu Hause besser
entwickelt werden können als im Klassenverband, etwa Selbstständigkeit,
Selbstverantwortung, Kreativität, Individualität, Lernfreude oder
Persönlichkeit. Der Schulalltag mit seinem starren Zeitplan, den vorgegebenen
Lehrplänen, dem Zeitdruck und der Bewertungsskala kann dem einzelnen Kind und
seinen Fähigkeiten niemals in der Weise gerecht werden, wie es das
Homeschooling kann.
Unserer
Meinung nach wäre es dringend nötig und zeitgemäss, wenn in der Schweiz in
allen Kantonen eine zukunftsweisende Bereitschaft für neue pädagogische Formen
bestünde – so wie es überall sonst üblich ist, wo Entwicklung, Offenheit,
Innovation und Wettbewerb als Qualitätsmerkmal gelten. Und dazu gehört
zweifelsfrei auch die Anerkennung von Homeschooling. Darum dürfte es unserem
gesunden Menschenverstand nach keinen Schulzwang geben, wenn Eltern
berechtigterweise die Verantwortung für eine gute Erziehung und Bildung zu
Hause selber tragen wollen. Die regelmässige Überprüfung liegt
selbstverständlich in den Händen der Behörde.
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