24. Dezember 2018

Wie müssen Kinderbücher aussehen?


Er gilt als teuerster Film der deutschen Filmgeschichte: «Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer» nach dem Kinderbuch von Michael Ende von 1960. Im Frühling kam er in die Kinos, und im Vorfeld sprach der Produzent über die schwierige Financiersuche. «Wieso ist der Junge denn schwarz?», hätten potenzielle chinesische Investoren irritiert gefragt. Selbst in Hollywood habe man vorgeschlagen: «Könnte Jim nicht weiss sein?»
Der Bub mit der schwarzen Haut als aktiver Held war im deutschsprachigen Kinderbuch der Sechzigerjahre die absolute Ausnahme. Und obwohl «Jim Knopf» im Zeichen des Humanismus geschrieben wurde und eine Figur darin gar eine regelrechte Brandrede gegen Rassismus hält, empfinden manche schwarzen Eltern Franz Josef Tripps Illustrationen als derart klischiert und, ja, rassistisch, dass das Buch aus einigen amerikanischen Schulbibliotheken verschwand. Wie müssen Kinderbücher heute aussehen?
Kinderbücher mit Migrationshintergrund, Basler Zeitung, 19.12. von Alexandra Kedves


Darstellung der Lebenswirklichkeit
Die Schulklassen sind auch in Deutschland und der Schweiz viel heterogener als in den Sechzigern. Laut Zahlen zum Jahr 2017 betrug der Anteil fremdsprachiger Kinder in den Kindergärten des Kantons Basel-Stadt 49 Prozent, der von Kindern mit Schweizer Nationalität 59 Prozent. In der Primarschule waren 51 Prozent der Kinder fremdsprachig, 62 Prozent waren Schweizer. In der Stadt Zürich wurden 2017 rund 74 Prozent Schweizer Kindergärtler registriert, 41 Prozent hatten nicht die Erstsprache Deutsch. In der Zürcher Primarschule machten die Schweizer Kinder etwa 75 Prozent in Stadt und Kanton aus; 59 Prozent hatten Deutsch als Erstsprache. In den Kindergärten wie Primarschulen des Kantons Bern bewegte sich der Anteil schweizerischer Kinder im Schuljahr 2016/2017 zwischen 81 und 82 Prozent. Mancherorts hat also circa jedes dritte Kind einen Hintergrund, der von ihm, schon allein sprachlich, hohe Adaptationsleistungen abverlangt.

Wird diese Lebenswirklichkeit in den aktuellen Kinderbüchern gespiegelt? Und thematisieren sie das Phänomen der fremden Herkunft, ohne dabei die Kinder mit Migrationshintergrund als hilfsbedürftige Opfer darzustellen? Damit beschäftigt sich die Forschung intensiv; und eine neue britische Studie mit dem Titel «Reflecting Realities» hat, zumindest für Grossbritannien, arge Defizite festgestellt.

Dort sassen in den Klassenzimmern der öffentlichen Primarschulen 2017 rund ein Viertel farbige Kinder sowie acht Prozent ausländische Weisse. Im gleichen Jahr erschienen über 9000 Kinderbücher. Nur ein Prozent davon stellte eine schwarze Figur oder ein Kind einer ethnischen Minderheit als Helden oder Heldin ins Zentrum. Selbst als Nebenfigur waren sie nur zu vier Prozent vertreten. Kamen solche Charaktere überhaupt vor, wurde das Buch oft explizit als problemorientiert angepriesen, so unter dem Stichwort «Soziale Gerechtigkeit». Nur ein einziges dieser Bücher verstand sich als Comedy.

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