Er
gilt als teuerster Film der deutschen Filmgeschichte: «Jim Knopf und Lukas der
Lokomotivführer» nach dem Kinderbuch von Michael Ende von 1960. Im Frühling kam
er in die Kinos, und im Vorfeld sprach der Produzent über die schwierige
Financiersuche. «Wieso ist der Junge denn schwarz?», hätten potenzielle
chinesische Investoren irritiert gefragt. Selbst in Hollywood habe man
vorgeschlagen: «Könnte Jim nicht weiss sein?»
Der
Bub mit der schwarzen Haut als aktiver Held war im deutschsprachigen Kinderbuch
der Sechzigerjahre die absolute Ausnahme. Und obwohl «Jim Knopf» im Zeichen des
Humanismus geschrieben wurde und eine Figur darin gar eine regelrechte
Brandrede gegen Rassismus hält, empfinden manche schwarzen Eltern Franz Josef
Tripps Illustrationen als derart klischiert und, ja, rassistisch, dass das Buch
aus einigen amerikanischen Schulbibliotheken verschwand. Wie müssen
Kinderbücher heute aussehen?
Kinderbücher mit Migrationshintergrund, Basler Zeitung, 19.12. von Alexandra Kedves
Darstellung
der Lebenswirklichkeit
Die
Schulklassen sind auch in Deutschland und der Schweiz viel heterogener als in
den Sechzigern. Laut Zahlen zum Jahr 2017 betrug der Anteil fremdsprachiger
Kinder in den Kindergärten des Kantons Basel-Stadt 49 Prozent, der von Kindern
mit Schweizer Nationalität 59 Prozent. In der Primarschule waren 51 Prozent der
Kinder fremdsprachig, 62 Prozent waren Schweizer. In der Stadt Zürich wurden
2017 rund 74 Prozent Schweizer Kindergärtler registriert, 41 Prozent hatten
nicht die Erstsprache Deutsch. In der Zürcher Primarschule machten die
Schweizer Kinder etwa 75 Prozent in Stadt und Kanton aus; 59 Prozent hatten
Deutsch als Erstsprache. In den Kindergärten wie Primarschulen des Kantons Bern
bewegte sich der Anteil schweizerischer Kinder im Schuljahr 2016/2017 zwischen
81 und 82 Prozent. Mancherorts hat also circa jedes dritte Kind einen
Hintergrund, der von ihm, schon allein sprachlich, hohe Adaptationsleistungen
abverlangt.
Wird
diese Lebenswirklichkeit in den aktuellen Kinderbüchern gespiegelt? Und
thematisieren sie das Phänomen der fremden Herkunft, ohne dabei die Kinder mit
Migrationshintergrund als hilfsbedürftige Opfer darzustellen? Damit beschäftigt
sich die Forschung intensiv; und eine neue britische Studie mit dem Titel
«Reflecting Realities» hat, zumindest für Grossbritannien, arge Defizite
festgestellt.
Dort
sassen in den Klassenzimmern der öffentlichen Primarschulen 2017 rund ein
Viertel farbige Kinder sowie acht Prozent ausländische Weisse. Im gleichen Jahr
erschienen über 9000 Kinderbücher. Nur ein Prozent davon stellte eine schwarze
Figur oder ein Kind einer ethnischen Minderheit als Helden oder Heldin ins
Zentrum. Selbst als Nebenfigur waren sie nur zu vier Prozent vertreten. Kamen
solche Charaktere überhaupt vor, wurde das Buch oft explizit als
problemorientiert angepriesen, so unter dem Stichwort «Soziale Gerechtigkeit».
Nur ein einziges dieser Bücher verstand sich als Comedy.
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