16. Dezember 2018

Informatik in der Volksschule: Primat der Pädagogik

Euphorie und Verunsicherung charakterisieren auch für die Schule das Spannungsfeld der Informatik. Einerseits glauben viele Leute, die Informatik schaffe bessere Voraussetzungen für das Lernen als der traditionelle Unterricht mit lehrenden Lehrpersonen – eine Aussage, die wissenschaftlich widerlegt ist. Anderseits wird befürchtet, die Informatik bedrohe vor allem auf unteren Schulstufen die Förderung der Grundfertigkeiten und der kulturellen Werte. Wegzudenken ist die Informatik auf allen Schulstufen nicht mehr. Ihr Einsatz muss sich aber an drei Voraussetzungen orientieren. Die Lehrpläne und der Unterricht dürfen erstens nicht technologiegeleitet ausgerichtet werden, sondern sie müssen primär pädagogisch orientiert sein. Zweitens ist bei allen Massnahmen zu überprüfen, welchen pädagogischen Mehrwert der Einsatz der Informatik bringt. Und drittens muss überlegt werden, auf welcher Schulstufe welcher Einsatz der Informatik zu sinnvollen Verbesserungen der Schule führt. 
Die Pädagogik muss an erster Stelle stehen, St. Galler Tagblatt, 5.12. von Rolf Dubs



Früh müssen die Primarschulen den täglichen Umgang mit den IT-Instrumenten (iPad, E-Mail usw.) lernen. Die traditionellen Formen des Lernens (z.B. handschriftliche Texte, Kopfrechnen, Umgang mit Büchern) dürfen jedoch nicht vernachlässigt werden. Ein Beispiel: Immer häufiger wird das iPad eingesetzt, wenn im Unterricht ein neuer Begriff benötigt wird. Die Lernenden werden dann aufgefordert, ihn mit Google zu suchen. Auch wenn sie ihn sofort finden, verstehen sie ihn oft nicht. Deshalb braucht es weiterhin die erklärende Lehrperson, die in der Lage ist, das Verstehen sicherzustellen. Viel Hoffnung wird heute in das E-Learning gesetzt und mit selbstgesteuertem Lernen und Informatik verknüpft. Die Lehrkräfte sind nur noch Coaches. Neue Forschungen zeigen aber immer deutlicher, dass die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler, und vor allem solche aus unteren sozialen Schichten, sich nach kurzer Zeit wieder einen guten dialogischen Frontalunterricht wünschen. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, wie weit die Technik der Informatik zu behandeln ist. Sicher ist, dass Leute, die nicht Programmieren können, die Technik der Informatik nie verstehen. Deshalb ist die Programmierung mit einer einfachen Programmiersprache (z.B. Thymio) anhand typischer Probleme aus dem herkömmlichen Unterricht bereits auf der Primarstufe einzuführen. Dass in höheren Klassen selbstgesteuerte Einzel- und Gruppenarbeiten mit Computerunterstützung durchgeführt werden, ist selbstverständlich. 

Nachhaltig gelingen kann die Informatik an einer Schule nur, wenn es in jedem Schulhaus gelingt, die bestehende Schulkultur mit einer Kultur der Informatik zu ergänzen, die von allen Lehrpersonen getragen wird. Sie ist nicht nur technisch auszurichten, sondern sie muss auch rechtlichen und ethischen Ansprüchen gerecht werden. Dazu genügen einige Weiterbildungstage für die interessierten Lehrpersonen nicht, sondern es sind in jeder Schule zwei verantwortliche Stellen zu schaffen. 

Erstens ist eine Lehrperson jeder Schule als Leitende der Pädagogik der Informatik für die Beratung und Weiterbildung aller Lehrpersonen sowie die Prägung der Informatikkultur einzusetzen. Sie sorgt dafür, dass alle Lehrpersonen fähig werden, den Ansprüchen der Informatik in ihrem Unterricht zu genügen. Auch muss sie Voraussetzungen schaffen, dass alle Lehrpersonen eigene Projekte für den Einsatz der Informatik in ihrem Unterricht entwerfen, um damit der eigenen Schule Innovationskraft zu geben. Diese Stelle sollte eine interessierte Lehrperson der eigenen Schule mit einer namhaften Stundenentlastung übernehmen, und die Hochschulen sollten sofort berufsbegleitende Kurse (etwa 40 bis 50 Tage) für diese Lehrpersonen anbieten, die in ihrem Lehrpensum entlastet werden. Nur auf diese Weise wird sichergestellt, dass die häufig hemmenden Schwierigkeiten einzelner Lehrpersonen mit der Informatik im Schulalltag überwunden werden. Zentrale Anweisungen und noch so gute, kurze Weiterbildungskurse genügen bei weitem nicht. 

Zweitens ist an jeder Schule (oder einer Gruppe von Schulen) ein vollamtlicher professioneller Informatikspezialist anzustellen, der alle informationstechnischen Aufgaben erfüllt und den Lehrpersonen bei technischen Problemen zur Verfügung steht. Er ist auch zuständig für die Beschaffung und den Unterhalt aller Anlagen. Dazu bereitet er zusammen mit dem Leitenden der Pädagogik alle Anträge für die Informatikanlagen und Finanzen zuhanden der Schulbehörden vor. Auf diese Weise wird auch eine zielgerichtete Kontrolle der Informatik und der benötigten Finanzen durch die Schulbehörden erleichtert. Diese Organisation verlangt mehr Autonomie sowie ein genügendes Budget vor allem für die Weiterbildung und die zusätzliche Arbeit für die Lehrerschaft und nicht primär für IT-Anlagen. Fehlinvestitionen sollten vermieden werden, indem nur Anlagen mit pädagogischem Mehrwert und nicht Prestigeinvestitionen (wie etwa elektronische Wandtafeln) angeschafft werden.

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