Euphorie und Verunsicherung charakterisieren auch für die Schule das Spannungsfeld
der Informatik. Einerseits glauben viele Leute, die Informatik schaffe bessere
Voraussetzungen für das Lernen als der traditionelle Unterricht mit lehrenden Lehrpersonen –
eine Aussage, die wissenschaftlich widerlegt ist. Anderseits wird befürchtet, die Informatik
bedrohe vor allem auf unteren Schulstufen die Förderung der Grundfertigkeiten und der
kulturellen Werte. Wegzudenken ist die Informatik auf allen Schulstufen nicht mehr. Ihr
Einsatz muss sich aber an drei Voraussetzungen orientieren. Die Lehrpläne und der Unterricht
dürfen erstens nicht technologiegeleitet ausgerichtet werden, sondern sie müssen primär
pädagogisch orientiert sein. Zweitens ist bei allen Massnahmen zu überprüfen, welchen
pädagogischen Mehrwert der Einsatz der Informatik bringt. Und drittens muss überlegt
werden, auf welcher Schulstufe welcher Einsatz der Informatik zu sinnvollen Verbesserungen
der Schule führt.
Die Pädagogik muss an erster Stelle stehen, St. Galler Tagblatt, 5.12. von Rolf Dubs
Früh müssen die Primarschulen den täglichen Umgang mit den IT-Instrumenten (iPad,
E-Mail usw.) lernen. Die traditionellen Formen des Lernens (z.B. handschriftliche Texte,
Kopfrechnen, Umgang mit Büchern) dürfen jedoch nicht vernachlässigt werden. Ein Beispiel:
Immer häufiger wird das iPad eingesetzt, wenn im Unterricht ein neuer Begriff benötigt wird.
Die Lernenden werden dann aufgefordert, ihn mit Google zu suchen. Auch wenn sie ihn
sofort finden, verstehen sie ihn oft nicht. Deshalb braucht es weiterhin die erklärende
Lehrperson, die in der Lage ist, das Verstehen sicherzustellen. Viel Hoffnung wird heute in
das E-Learning gesetzt und mit selbstgesteuertem Lernen und Informatik verknüpft. Die
Lehrkräfte sind nur noch Coaches. Neue Forschungen zeigen aber immer deutlicher, dass die
Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler, und vor allem solche aus unteren sozialen Schichten,
sich nach kurzer Zeit wieder einen guten dialogischen Frontalunterricht wünschen.
Schwieriger zu beantworten ist die Frage, wie weit die Technik der Informatik zu behandeln
ist. Sicher ist, dass Leute, die nicht Programmieren können, die Technik der Informatik nie
verstehen. Deshalb ist die Programmierung mit einer einfachen Programmiersprache (z.B.
Thymio) anhand typischer Probleme aus dem herkömmlichen Unterricht bereits auf der
Primarstufe einzuführen. Dass in höheren Klassen selbstgesteuerte Einzel- und
Gruppenarbeiten mit Computerunterstützung durchgeführt werden, ist selbstverständlich.
Nachhaltig gelingen kann die Informatik an einer Schule nur, wenn es in jedem
Schulhaus gelingt, die bestehende Schulkultur mit einer Kultur der Informatik zu ergänzen,
die von allen Lehrpersonen getragen wird. Sie ist nicht nur technisch auszurichten, sondern
sie muss auch rechtlichen und ethischen Ansprüchen gerecht werden. Dazu genügen einige
Weiterbildungstage für die interessierten Lehrpersonen nicht, sondern es sind in jeder Schule
zwei verantwortliche Stellen zu schaffen.
Erstens ist eine Lehrperson jeder Schule als Leitende der Pädagogik der Informatik für
die Beratung und Weiterbildung aller Lehrpersonen sowie die Prägung der Informatikkultur
einzusetzen. Sie sorgt dafür, dass alle Lehrpersonen fähig werden, den Ansprüchen der
Informatik in ihrem Unterricht zu genügen. Auch muss sie Voraussetzungen schaffen, dass
alle Lehrpersonen eigene Projekte für den Einsatz der Informatik in ihrem Unterricht
entwerfen, um damit der eigenen Schule Innovationskraft zu geben. Diese Stelle sollte eine
interessierte Lehrperson der eigenen Schule mit einer namhaften Stundenentlastung
übernehmen, und die Hochschulen sollten sofort berufsbegleitende Kurse (etwa 40 bis 50
Tage) für diese Lehrpersonen anbieten, die in ihrem Lehrpensum entlastet werden. Nur auf
diese Weise wird sichergestellt, dass die häufig hemmenden Schwierigkeiten einzelner
Lehrpersonen mit der Informatik im Schulalltag überwunden werden. Zentrale Anweisungen
und noch so gute, kurze Weiterbildungskurse genügen bei weitem nicht.
Zweitens ist an jeder Schule (oder einer Gruppe von Schulen) ein vollamtlicher
professioneller Informatikspezialist anzustellen, der alle informationstechnischen
Aufgaben erfüllt und den Lehrpersonen bei technischen Problemen zur Verfügung steht. Er ist
auch zuständig für die Beschaffung und den Unterhalt aller Anlagen. Dazu bereitet er
zusammen mit dem Leitenden der Pädagogik alle Anträge für die Informatikanlagen und
Finanzen zuhanden der Schulbehörden vor. Auf diese Weise wird auch eine zielgerichtete
Kontrolle der Informatik und der benötigten Finanzen durch die Schulbehörden erleichtert.
Diese Organisation verlangt mehr Autonomie sowie ein genügendes Budget vor allem für die
Weiterbildung und die zusätzliche Arbeit für die Lehrerschaft und nicht primär für IT-Anlagen.
Fehlinvestitionen sollten vermieden werden, indem nur Anlagen mit pädagogischem
Mehrwert und nicht Prestigeinvestitionen (wie etwa elektronische Wandtafeln) angeschafft
werden.
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