Endlich
wächst auch bei Trägern der politischen Verantwortung der Widerstand gegen die
Lernmethode «Schreiben nach Gehör». Solche reformpädagogischen Ideen gehören in
die Mottenkiste. Der Lehrplan 21 muss überarbeitet werden.
Kinder haben ein Recht auf korrekte Schulung, NZZ, 30.10. von Michael Schoenenberger
Im Klavierunterricht hat man es früher oder später mit dem
C-Dur-Präludium von Bach zu tun. Wer fingertechnisch vorankommen will, übt
irgendwann die Fuge dazu und dann die schwereren Stücke des «Wohltemperierten
Klaviers». Mühsam, anstrengend, enervierend kann dies sein. Auch der
Kunstturner, der waghalsig durch die Lüfte fliegen will, weiss haargenau: Wer
es zu etwas bringen will, muss üben. Und er muss richtig und lang üben.
Nur für einen Teil unserer Primarschüler soll das nicht gelten. Sie
lernen in der ersten und zweiten Klasse manchenorts nicht, wie man richtig
schreibt. Sie schreiben nur noch auf, was sie hören. Fehler werden nicht
korrigiert. Kompatibel mit dem Lehrplan 21 ist das. «Schreiben nach Gehör»
lautet die dazugehörige Lernmethode. Die Idee dahinter: Den Kindern soll in
frühen Jahren nur ja nicht die Freude am Schreiben und Lesen verdorben werden.
Spielerisch sollen sie sich nähern. Es soll um das Textverständnis gehen, nicht
um die Rechtschreibung.
Völlig zu Recht wächst nun auch in den politischen Behörden der
Widerstand gegen diese widersinnige Lernmethode, wie sie noch immer in den
Pädagogischen Hochschulen herumgeboten wird. Dass nicht alles das Gelbe vom Ei
ist, was sich Reformpädagogen vor bald 50 Jahren ausgedacht haben, sollte in
der Zwischenzeit durchgesickert sein, selbst bis zu den Pädagogen.
Hier geht es nicht um ideologische Fragen, nicht um rechts oder links.
Es geht um die Frage, wie es um das Recht der Kinder auf Bildung bestellt ist.
Kinder sind keine Experimentiermasse. Sie haben ein Recht darauf, von Beginn
weg korrekt unterrichtet zu werden. Zumal es keine Belege dafür gibt, dass die
umstrittene Lernmethode tatsächlich zu grösserer Freude am Texten und Lesen
führen würde.
Namhafte Experten weisen darauf hin, welche Bedeutung das Üben und die
Fehlerkorrektur für das richtige Schreiben haben. Und sie betonen, wie aufwendig
es ist, Fehler, die sich verstetigt haben, hinterher wieder zu korrigieren. Der
Erfolg ist zweifelhaft, und ob solche Renovationsarbeiten immer noch die Freude
am Schreiben steigern, ist fraglich.
Wo viele Einwanderer leben, hat die Schule ganz andere Probleme. Dort
stehen Lehrer vor Primarschülern, die kaum oder nicht der deutschen Sprache
mächtig sind. Wenn die Schule fehlerhafte Schreibweisen bei Migrantenkindern
nicht mehr korrigiert, ist das eine bildungspolitische Ungerechtigkeit. Ihre
Chancen werden mit solchen Lernmethoden verkleinert.
Niemand käme auf die Idee, falsche Resultate beim Rechnen nicht zu
korrigieren. Und dies damit zu begründen, so würde man den Kindern die Freude
an Zahlen nicht verderben. Würde ein Reformpädagoge so etwas propagieren, der
Aufschrei wäre gross. Bei der Sprache aber wird mit anderen Ellen gemessen.
Warum?
Die Lernmethode «Schreiben nach Gehör» wird damit begründet, in Zeiten
der Fake-News sei Textverständnis wichtiger als Orthographie. Dieser traurigen
Argumentation sei entgegengehalten: Orthographie und Grammatik haben zentral
mit Textverständnis zu tun. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.
Wer gegen Fake-News und die Instrumentalisierung von Geschichte wirklich etwas
tun will, der soll sich für mehr Geschichtsunterricht an den Schulen einsetzen.
Leider bieten Schweizer Schulen auf diesem Feld nur noch ein Minimalprogramm
an. Das ist der Kardinalfehler, wenn es um Fake-News geht.
Kuschelschule zwecks Steigerung der Freude hat noch keinen
weitergebracht. Bei Bach wie bei der Rechtschreibung gilt: Übung macht den
Meister.
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