8. Oktober 2018

Streit um Frühfranzösisch und Lehrmittel


Eltern und Schüler mussten dieser Tage erfahren, dass im Streit um den Frühfranzösisch-Unterricht im Baselbiet die Nerven blank liegen. Über die von der BaZ veröffentlichten Ergebnisse der Hearings der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion mit Französisch-Lehrkräften zum Lehrmittel Mille feuilles ist ein Streit entbrannt, der einem eigentlichen Glaubenskrieg unter Lehrerinnen und Lehrern gleichkommt. Die Starke Schule beider Basel sah sich sogar genötigt, zum Streit zwei neue Volksinitiativen beizusteuern.
Lehrplan-Ziele nicht erreicht, Basler Zeitung, 8.10. von Thomas Dähler


Hintergrund des Streits ist das Konzept zur Lancierung des Frühfranzösisch-Unterrichts: Sechs Kantone haben seinerzeit mit einem gemeinsamen Projekt den Französisch-Unterricht ab der dritten Klasse eingeführt. Abgelaufen ist der Vertrag darüber im vergangenen Sommer, sodass die Kantone nun wieder frei sind zu entscheiden, wie es mit dem Französisch-Unterricht weitergeht – und vor allem, ob vom einst obligatorisch erklärten Lehrmittel Mille feuilles abgerückt werden soll. Der Baselbieter Landrat zumindest hat dies mit seinem Ja zur Initiative «Ausstieg aus dem gescheiterten Passepartout-Fremdsprachenprojekt» beschlossen. Umsetzen will die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion die Initiative mit einer im Bildungsgesetz festzulegenden Lehrmittel-Freiheit.
Mit dieser Lösung sind selbstredend nicht alle einverstanden. Während die einen nach wie vor alles zur Rettung von Mille feuilles und der gleich konzipierten weiteren Lehrmittel Clin d’Oeil und New World unternehmen, wollen die anderen die umstrittenen Schulbücher verboten sehen. Laien können diesen Streit nicht wirklich nachvollziehen. Selbst die Stimme des von den sechs Kantonen eingesetzten Leiters des zu Ende gegangenen Projekts Passepartout der sechs Kantone tönt pragmatischer: Für eine Verbesserung des Fremdsprachenunterrichts zugunsten der Schüler sollten die Lehrmittel «nicht überbewertet werden», beantwortete Reto Furter einst eine entsprechende Frage der BaZ.

In der Tat sollte man die Wahl der geeigneten Lehrmittel den Pädagogen in den Primar- und Sekundarschulen überlassen. Die Öffentlichkeit aber dürfte es interessieren, ob die Schüler mit dem neu eingeführten Frühfranzösisch-Unterricht in den dritten Klassen der Primarschulen die Sprache auch tatsächlich lernen. Dieser Frage widmet sich zurzeit das Institut für Mehrsprachigkeit der Universität Freiburg. Die Resultate ihrer Evaluationen werden jedoch erst 2021 vorliegen – etwas gar spät. Ein für diesen Sommer angekündigter Zwischenbericht dazu ist ausgeblieben.

Dass es mit den Resultaten des neu eingeführten Frühfranzösisch-Unterrichts nicht zum Besten steht, belegen aber schon heute die in der sechsten Klasse durchgeführten Schul-Checks. Deren Resultate zeigen, dass die Ziele des Lehrplans in Französisch nicht erreicht werden. «Die Schülerinnen und Schüler können Inhalte von Gesprächen und Hörtexten auf Französisch verstehen und sinngemäss ins Deutsche übertragen», lautet im gültigen Lehrplan des Kantons Baselland die zum Ende der Primarschule verlangte Kompetenz beim «Hören». Bei der Lese-Kompetenz wird im Lehrplan Ähnliches verlangt.

Diese Schul-Checks ermitteln jährlich in mehreren Fächern die Kompetenzstufen, welche die Schülerinnen und Schüler erreicht haben. Vergleicht man nun im Französisch-Check die erreichten Kompetenzstufen mit dem Lehrplan, stellt man fest, dass nur eine Minderheit die Lehrplan-Ziele erreicht hat. Die Kompetenzstufen beim Hören, die den Zielen des Lehrplans entsprechen, haben beim Check 2017 im Kanton Baselland nur 39 Prozent der getesteten Schüler erreicht. Weitere 48 Prozent der Schülerinnen und Schüler können den Gesprächen nicht wie verlangt voll folgen, sondern nur «einzelne Informationen» daraus entnehmen.
Im Klartext heisst dies: Sie verstehen trotz mehrjährigem Sprachunterricht in der Primarschule den Inhalt des französisch geführten Gesprächs nur halbwegs. Vor diesem Hintergrund sind die Expertenstreitigkeiten oder gar die neuen Volksinitiativen zwar verständlich, aber nicht zielführend. Die Baselbieter Bildungs- Kultur- und Sportdirektion und die angestellten Lehrkräfte sind schlicht und einfach herausgefordert, den Französisch-Unterricht in den Primarschulen so zu verbessern, dass die gesetzten Ziele auch erreicht werden. Ob es dazu eine andere Stundentafel, neue Weiterbildungen für Lehrkräfte oder bessere Lehrmittel braucht, müssen die Experten entscheiden. Auch, welche Lehrmittel die richtigen sind, kann wohl kaum in der Öffentlichkeit oder an der Urne fachkundig beurteilt werden. Laien fehlt das Wissen dazu. Fakt ist aber: Mit dem bisher praktizierten Französisch-Unterricht wurden die geforderten Ziele verfehlt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen