1. Oktober 2018

Kurskorrektur bei Passepartout gefordert


Die vollmundigen Versprechungen der Passepartout-Ideologen haben sich längst als leere Phrasen herausgestellt. Und doch versuchen eigennützige Akteure das gescheiterte Fremdsprachenkonzept zu retten. Dabei ist ihnen der Lernerfolg der Schülerschaft augenscheinlich gleichgültig.
Passepartout - Der grosse Gesichtsverlust, Basler Zeitung, 1.10. von Felix Hoffmann


Die Primarschulleitungen pochen auf Passepartout, denn sie verlangten von ihrer Belegschaft den Besuch der wenig sinnvollen, aber umso aufwendigeren «Weiterbildung». «Sorry, das Ganze war ein Irrtum», wäre nun die ehrliche Botschaft. Die kommt ihnen aber nicht über die Lippen, denn sie sehen sich trotz Teilautonomie nicht in der Verantwortung, obwohl auch sie dem Irrtum aufsassen. Der eigene Gesichtsverlust ist ihnen das grössere Übel, als Zehntausenden von Primarschülern auch weiterhin den Fremdsprachenunterricht mit Passepartout zu verwehren.

In der Folge lassen sich die verlorenen vier Jahre Französisch kaum mehr aufholen auf der Sekundarstufe: wo kein Fundament, kein Aufbau. In dieser Situation gibt es drei Möglichkeiten: 1. Auch die Sekundarlehrkräfte halten sich an die Passepartout-Ideologie, die für die Lernenden nachteiligste Variante. 2. Sie fangen nochmals von vorne an. 3. Sie versuchen vergeblich, um die Lücken herum zu bauen. In jedem Fall delegieren sie das Problem an die weiterführenden Schulen. So wird der Schaden mit jedem zusätzlichen Schuljahr grösser. In Englisch minimiert sich die Problematik immerhin auf zwei Jahre. Die Fatalität bleibt die gleiche.
Vorgetäuschte Lehrmittelfreiheit
Die allermeisten Bildungsräte verfügen über keinerlei Unterrichtserfahrung. Sie bestimmen also nicht um pragmatischer Lösungen willen, sondern kraft ihres Amtes. Dabei spielt es oft keine Rolle, was sie bestimmen, Hauptsache, sie bestimmen. Ganz schwer fällt es diesen Bildungsräten, von der Expertise des Lehrkörpers zu profitieren, zuweilen handeln sie dieser regelrecht zuwider. Die Fähigkeit, sich von Praktikern etwas sagen zu lassen, widerspricht offenkundig einem Funktionsverständnis zur Beförderung des eigenen Egos. Die Konsequenz ist unter anderem das bildungsrätliche Durchwinken der vermutlich absurdesten Lehrmittel der schweizerischen Schulgeschichte. Auch hier wäre es ein Gesichtsverlust, sich klar und deutlich gegen die Passepartout-Schulbücher auszusprechen. Man hat sie ja beschlossen.

Was das AVS und die Bildungsdirektion betrifft, stammt ein grosser Teil des Personals aus der Zeit des SP-Bildungsdirektors Urs Wüthrich. Dieser führte Passepartout im Kanton Baselland ein und ist damit an erster Stelle verantwortlich für das Desaster. Seine Belegschaft scheint nun Wüthrichs Agenda weiterzuverfolgen und verteidigt sein Konzept auf Biegen und Brechen. Insbesondere bei der Ausformulierung der vom Landrat gutgeheissenen Initiative der Starken Schule beider Basel gegen Passepartout wird mittels einer vorgetäuschten Lehrmittelfreiheit versucht, das Fehlkonstrukt doch noch über die Runden zu retten. Hier geht es nicht um Gesichtsverlust, denn jene Leute outen sich ja nicht. Ihnen geht es um reines parteipolitisches Machtgeplänkel, nicht zuletzt um gegen ihre neue Chefin in der Bildungsdirektion zu agieren, zumal diese ausgerechnet der FDP angehört, der politischen Antithese zur SP.
Klare Positionierung erwünscht
Die Sozialdemokraten halten in ihrem Selbstverständnis als progressive Kraft grundsätzlich jede Neuerung in der Bildungspolitik für gut, selbst wenn sie der öffentlichen Schule schadet. So befürworteten sie die Basler Orientierungsschule, die wegen Untauglichkeit bald wieder ihre Tore schloss. Die Abschaffung der spezialisierten Sonderschulen und Kleinklassen propagierten sie im Namen der Chancengleichheit und Integration, welche die Lehrkräfte nicht nur in Basel vor unlösbare Probleme stellt. Sie sprachen sich aus für die gescheiterten Sammelfächer und das sozialdarwinistische Konzept des selbstorganisierten Lernens. Sie forderten die Einführung der abgelehnten Basisstufe und so weiter. Natürlich stimmten sie auch reflexartig ein in den Lobgesang auf Passepartout, weswegen ein Abrücken nun auch für die SP einem Gesichtsverlust gleichkäme. Folglich sind auch viele Sozialdemokraten bereit, die Schülerschaft aus Eigennutz zu opfern.

Und wo steht in all dem politischen Gezerre die Bildungsdirektorin? Sie täte gut daran, sich ohne Rücksicht auf Gesichtswahrung der hier beteiligten Akteure klar gegen Passepartout zu positionieren. Zehntausende verärgerter Eltern und Tausende von Lehrpersonen aller Schulstufen würden es ihr anlässlich der nächsten Wahlen danken. Denn Letztere sind nicht besorgt um den Bildungsrat, die BKSD oder die Primarschulleitungen. Sie sorgen sich um den Fremdsprachenerwerb ihres Nachwuchses.

Felix Hoffmann ist Sekundarlehrer in Aesch und wohnt in Himmelried (SO).


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